Das Problem der Überbelegung der Gefängnisse

6. April 2020 in Aktuelles


Franziskus in Santa Marta: die Armen – Opfer der Ungerechtigkeit der Weltwirtschaftspolitik. Die Kriterien des jüngsten Gerichts. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Papst Franziskus – Montag der sechsten Woche der Fastenzeit, achtundzwanzigste Messe in Live-Streaming über Fernsehen und Internet aus der Kapelle des vatikanischen Gästehauses „Domus Sanctae Marthae“„gegen“ die Coronavirus-Pandemie.

„Streite, Herr, gegen alle, die gegen mich streiten, bekämpfe alle, die mich bekämpfen! Ergreife Schild und Waffen; steh auf, um mir zu helfen! Herr, meine starke Hilfe“ (Ps 35,1-2; 140,8): bei der Einführung in die Messe betete der Papst für eine Lösung des Problems der Überbelegung der Gefängnisse:

„Ich denke an ein schweres Problem, das es in vielen Teilen der Welt gibt. Ich möchte, dass wir heute für das Problem der Überbelegung der Gefängnisse beten. Wo es eine Überbevölkerung gibt – so viele Menschen dort – besteht bei dieser Pandemie die Gefahr, dass das in einer schweren Katastrophe endet. Lasst uns für die Verantwortlichen beten, für diejenigen, die hier die Entscheidungen treffen müssen, dass sie einen richtigen und kreativen Weg finden, das Problem zu lösen“.

In seiner Predigt kommentierte Franziskus den Abschnitt aus dem Johannesevangelium (Joh 12,1-11), in dem Maria, die Schwester des Lazarus, die Füße Jesu mit kostbarem duftenden Nardenöl salbte und damit Judas’ Kritik provozierte. Er, der sich darauf vorbereite, den Herrn zu verraten, sage: „Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben?“. Der Evangelist stelle fest: „Das sagte er aber nicht, weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte“.

Jesus antworte ihm: „Lass sie, damit sie es für den Tag meines Begräbnisses aufbewahrt! Die Armen habt ihr immer bei euch, mich aber habt ihr nicht immer“. Der Papst sprach von den Armen: es gebe viele von ihnen, die meisten seien versteckt und wir sähen sie nicht, weil wir gleichgültig seien. So viele arme Menschen seien Opfer der Finanzpolitik und der strukturellen Ungerechtigkeit der Weltwirtschaft. Viele arme Menschen schämten sich, dass sie keine Mittel hätten und gingen heimlich zur Caritas. Den Armen würden wir im jüngsten Gericht begegnen: Jesus identifiziere sich in ihnen. Wir würden nach unserem Verhältnis zu den Armen gerichtet werden:

„Dieser Abschnitt endet mit einer Beobachtung: ‚Die Hohepriester aber beschlossen, auch Lazarus zu töten, weil viele Juden seinetwegen hingingen und an Jesus glaubten’. Vorgestern sahen wir die Schritte der Versuchung: die anfängliche Verführung, die Illusion, dann wächst sie – zweiter Schritt – und dritter Schritt, sie wächst und steckt sich an und rechtfertigt sich. Aber es gibt noch einen weiteren Schritt: sie geht weiter, sie hält nicht ein. Für diese reichte es nicht aus, Jesus zu töten, sondern nun auch Lazarus, weil er ein Zeuge des Lebens war.

Aber ich möchte heute auf ein Wort Jesu eingehen. Sechs Tage vor Ostern – wir stehen direkt vor der Tür der Passion – vollbringt Maria diese Geste der Betrachtung: Marta diente – wie im anderen Abschritt – und Maria öffnet die Tür zur Betrachtung. Und Judas denkt an das Geld und an die Armen, nicht aber, ‚weil er ein Herz für die Armen gehabt hätte, sondern weil er ein Dieb war; er hatte nämlich die Kasse und veruntreute die Einkünfte’. Diese Geschichte des untreuen Verwalters ist immer aktuell, es gibt sie immer, auch auf hohem Niveau: denkt an einige karitative oder humanitäre Organisationen, die so viele Mitarbeiter haben, viele, die eine Struktur haben, die sehr reich an Menschen ist, und am Ende kommen bei den Armen gerade mal vierzig Prozent an, weil sechzig Prozent dazu dienen, das Gehalt so vieler Menschen zu bezahlen.

Das ist eine Art, das Geld der Armen zu nehmen. Aber die Antwort ist Jesus. Und darauf will ich eingehen: ‚Die Armen habt ihr immer bei euch’. Das ist eine Wahrheit: ‚Denn die Armen habt ihr immer bei euch’. Die Armen sind da. Es gibt viele von ihnen: es gibt die Armen, die wir sehen, aber dies ist der kleinste Teil. Die große Menge der Armen sind diejenigen, die wir nicht sehen: die verborgenen Armen. Und wir sehen sie nicht, weil wir in diese Kultur der Gleichgültigkeit eintreten, die negationistisch ist, und wir leugnen: ‚Nein, nein, es gibt nicht viele von ihnen, man kann sie nicht sehen. Ja, der Fall da...’, was immer die Realität der Armen schmälert. Aber es gibt viele, viele.

Oder auch, wenn wir nicht in diese Kultur der Gleichgültigkeit eintreten, gibt es die Gewohnheit, die Armen als Ornament einer Stadt zu sehen: ja, sie sind da, wie Statuen. Ja, sie sind da, man kann sie sehen; ja, diese kleine alte Frau, die bettelt, dieser andere... Aber als ob es eine normale Sache wäre. Es gehört zur Ausschmückung der Stadt, arme Menschen zu haben. Aber die große Mehrheit sind die armen Opfer der Wirtschaftspolitik, der Finanzpolitik. Einige aktuelle Statistiken fassen es so zusammen: es gibt so viel Geld in den Händen einiger weniger und so viel Armut in vielen, in vielen.

Und das ist die Armut so vieler Menschen, die Opfer der strukturellen Ungerechtigkeit der Weltwirtschaft sind. Und es gibt so viele arme Menschen, die sich schämen, zu zeigen, dass sie es nicht bis zum Ende des Monats schaffen. So viele arme Menschen aus der Mittelschicht, die heimlich zur Caritas gehen und heimlich Bittsteller sind und sich schämen. Die Armen sind viel mehr als die Reichen. Viel, viel mehr... Und es stimmt, was Jesus sagt: ‚Denn ihr habt die Armen immer bei euch’. Aber sehe ich sie? Bin ich mir dieser Realität bewusst? Vor allem der versteckten Realität, derjenigen, die sich schämen zu sagen, dass sie es nicht bis zum Ende des Monats schaffen.

Ich erinnere mich, dass man mir in Buenos Aires gesagt hatte, dass das Gebäude einer verlassenen Fabrik, das seit Jahren leer stand, von etwa fünfzehn Familien bewohnt wurde, die in jenen letzten Monaten angekommen waren. Ich bin da hingegangen. Es waren Familien mit Kindern, und sie hatten jeweils einen Teil der verlassenen Fabrik eingenommen, um dort zu leben. Und als ich mir das anschaute, sah ich, dass jede Familie gute Möbel hatte, Möbel der Mittelklasse, sie hatten Fernsehen, aber sie gingen dorthin, weil sie die Miete nicht bezahlen konnten. Die neuen Armen, die das Haus verlassen müssen, weil sie es nicht bezahlen können, gehen dorthin. Es ist diese Ungerechtigkeit der wirtschaftlichen oder finanziellen Organisation, die sie zu so was bringt. Und es sind so viele, so viele, dass wir ihnen beim jüngsten Gericht begegnen werden. Die erste Frage, die Jesus uns stellen wird, lautet: ‚Wie geht es dir mit den Armen? Haben du ihnen zu essen gegeben? Als er im Gefängnis war, hast du ihn da besucht? Hast du ihn im Krankenhaus gesehen? Hast du der Witwe, dem Waisen geholfen? Denn dort war ich’.

Und danach werden wir gerichtet werden. Wir werden nicht nach dem Luxus oder den Reisen, die wir unternehmen, oder der sozialen Bedeutung, die wir haben werden, gerichtet werden. Wir werden für unser Verhältnis zu den Armen gerichtet werden. Aber wenn ich heute die Armen ignoriere, sie beiseite lasse, wenn ich glaube, sie sind nicht da, wird der Herr mich am Tag des jüngsten Gerichts. Wenn Jesus sagt: ‚Ihr habt die Armen immer bei euch’, meint er: ‚Ich werde immer bei euch in den Armen sein. Ich werde dort anwesend sein’. Und das heißt nicht, ein Kommunist zu sein, das ist die Mitte des Evangeliums: wir werden danach gerichtet werden.

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