Was sind Speisekartentheologien?

8. April 2020 in Kommentar


Ganz kurz: Das sind Theologien in denen die Speisekarte das Menü ersetzt, Sokrates schon genügt, Christus überflüssig ist oder der Nazarener Vorläufer von Foucault ist etc. Gastbeitrag von Helmut Müller


Valendar (kath.net) Der Salzburger Dogmatiker Hans Joachim Sander hat sich jüngst in der Coronakrise zu Wort gemeldet und unter dem Stichwort Pastoralmacht fest gestellt, dass der Staat den Kirchen das Heft aus der Hand genommen hat – das stimmt - und fürsorglich – was seit Jahrhunderten die Aufgabe der Kirchen gewesen ist – für Leib und Leben seiner Bürger sorgt. Er hat Ansammlungen von Menschen richtigerweise verboten. Schmerzliche Reaktionen von Kirchenvertretern waren spärlich. (300 Muslime haben sich am 3. 4. in Neukölln nicht daran gehalten). Religiöse Feiern, vor allem Eucharistiefeiern wurden von Sander als Sonderideen abgetan und gefordert, dass Kirchen sich gefälligst an diese Verbote halten sollten. Von staatlicher Seite wäre es sensibler gewesen, die Kirchen zu bitten, diese vor der staatlichen Direktive selbst auszusprechen.

Die Geringschätzung Sanders von dem, was in Eucharistiefeieren eigentlich geschieht, ist das Skandalöse. Ähnliches wurde auch von dem Erfurter Liturgieprofessor Benedikt Kranemann in anderer Weise zum Ausdruck gebracht. Die Gemeinschaftlichkeit der Feier wurde von ihm aufkosten des eucharistischen Kerns so herausgestrichen, dass Feiern ohne Beteiligung von Laien als Geistermessen abgetan wurden. Den Vogel schoss aber der Fribourger Moraltheologe Daniel Bogner ab, indem er zwar hinwies, welche zentrale Bedeutung Eucharistiefeiern für unseren Glauben haben, sein Therapievorschlag war aber allzu durchsichtig. Das war auch dem Wiener Dogmatiker Jan Heiner Tück kritisch aufgefallen. Bogners Vorschlag, Messen ohne geweihte Priester zu ermöglichen, war offensichtlich eine Instrumentalisierung seiner Enttäuschung über die päpstliche Exhortatio Querida Amazonia, in der trotz sicherer Erwartung einer Reform des Weihesakraments nichts davon Eingang fand. Weder Frauendiakonat noch Viri probati kamen darin bekannterweise vor. Deshalb wollte er offenbar umgekehrt einen Schuh daraus machen, indem er vorschlug priesterlose Gottesdienste zu erlauben, weil Euracharistiefeiern so wichtig wären. Alle o. g. Vorschläge mit Eucharistiefeiern

• entweder als verzichtbare Sonderideen (Sander)

• sie nicht ohne Volk (Kranemann) zu feiern

• aber dafür ohne Priester (Bogner),

hatten eines gemeinsam: die Geringschätzung des Weihesakraments und des eucharistischen Kerngeschehens.

Ganz allgemein zu Speisekartentheologien: Kritische philosophische Vernunft dominiert über gläubige Vernunft. Der Logos der Vernunft behandelt den Logos des Glaubens als Marginalie. Sokrates genügt, Christus hat uns anscheinend überspannte Sonderideen gebracht und wird zum Vorläufer von Foucault degradiert. An dessen Überlegungen zum Machtdiskurs orientiert man sich und über die in den Sonderideen vorkommende Vollmacht Christi wird geschwiegen. Auf dem synodalen Weg wird daraus wieder ein Machtdiskurs.

Das alles nenne ich Speisekartentheologien: Das kundige Lesen der Speisekarte ersetzt offensichtlich die Speise. Das servierte Mahl wird offenbar für verzichtbar gehalten, bzw. man leidet gar nicht sonderlich darunter es nicht genießen zu können,

• wenn das Hauptgericht fehlt (die Wandlung der Gaben),

• es ohne Koch zubereitet wird (der Priester fehlt)

• oder man bloß Vor- und Nachspeise serviert bekommt (die Lesungstexte und die Gebete),

• von wem und wie auch immer.

Ich erinnere mich an ein Gespräch vor Jahren mit einem evangelischen Neutestamentler, der meinte unser Eucharistieverständnis käme blanker Magie gleich. Ich wage nicht zu beurteilen wieviele katholische Theologen mittlerweile auch so denken.

Wie ein Fanal wirkte vor genau einem liturgischen Jahr der Brand von Notre Dame am Montag in der Karwoche in Paris. Was damals nur für Notre Dame galt – eine Eucharistiefeier an Ostern konnte in der Kathedrale nicht ordentlich gefeiert werden, gilt jetzt so gut wie für die ganze Welt. Was muss noch alles geschehen, dass vielleicht auch auf dem synodalen Weg, wenn man ihn weitergeht, über mehr Wesentliches gesprochen wird als dass bloß innerkirchliche Machtdiskurse geführt werden, oder ergeht es uns wie den Zeitgenossen Jesu, dass wir uns zwar über das Klima den Kopf zerbrechen und auch vieles darüber wissen, aber die Zeichen der Zeit nicht deuten können (Lk 12,56)? Warum ernten Speisekartentheologien so wenig Widerspruch?

kath.net-Buchtipp:
Zeitgerecht statt zeitgemäß
Spurensuche nach dem Geist der Zeit im Zeitgeist
Von Helmut Müller
Hardcover, 244 Seiten
2018 Bonifatius-Verlag
ISBN 978-3-89710-790-8
Preis Österreich: 15.40 EUR

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