Müller: „Der Souverän der Kirche ist nicht das Volk, sondern Gott“

17. April 2020 in Interview


Kardinal Gerhard Ludwig Müller im Interview zu sogenannten Priesterinnen und zur sogenannten Kommunion „für alle“. Von Lothar C. Rilinger


Vatikan (kath.net/LifeSiteNews) Dass sich die Kirche in der westlichen Welt seit geraumer Zeit in eine Krise bewegt hat, ist unübersehbar. Deshalb auch wird der Ruf nach Reformen immer lauter. Während die einen die Reformen mit den Mitteln der Politik angehen wollen und sich dadurch selbst als fortschrittlich feiern, wollen andere auf der Grundlage der Schrift und der Tradition die Kirche in eine bessere Zukunft führen. Kardinal Müller argumentiert vom Prinzip her, und das verleiht seinen Argumenten eine Stringenz, die weder im Synodalen Weg, noch in der Amazonas-Synode zu erkennen ist.

Können es die Argumente aus dem mainstream sein, um Reformen anzugehen, fragen wir den Kardinal.

„Der mainstream ist ein Konstrukt, das einfach der Gleichschaltung entspricht“, so antwortet er. „Wie bei den Diktatoren: Das Denken wird kontrolliert. Wer anders dachte, landete in Sibirien oder in Dachau. Insofern ist das mainstreaming der Ausdruck einer angezielten Meinungsdiktatur. Das widerspricht allen Grundsätzen unserer freiheitlichen Demokratie. Demokratie heißt doch, dass jeder Mensch seine begründete Meinung äußern und zur Diskussion stellen darf, dass er auch durch Gegenmeinungen etwas lernen kann.“

Im mainstream liegt es auch, die Zulassung der sogenannten Interkommunion zu fordern. Aber dieser Idee stellt sich der deutsche Kardinal entgegen.

„Es gibt objektive Voraussetzungen für den Empfang der Kommunion“, stellt er unmissverständlich klar. „Man muss durch die Taufe und durch das Glaubensbekenntnis zur katholischen Kirche gehören und darf nicht durch den Lebenswandel gegen die Gebote Gottes verstoßen haben. Es ist die communio mit Christus und der Kirche, dass ich die Glaubenslehre der katholischen Kirche bejahe. Das ist normalerweise bei den evangelischen Christen nicht gegeben. Sie sind evangelisch-reformatorisch und unterscheiden sich folglich in ihrem Glaubensbekenntnis von dem katholischen Glauben. Calvin und Luther lehrten, dass die katholische Messfeier ein Götzenopfer ist. Das wird allerdings heute nicht mehr so brutal gesagt, oder die Reformatoren haben erklärt, dass der Papst der Antichrist ist – sie haben nicht gesagt, der damalige Papst sei persönlich ein schlechter Papst, sie haben vielmehr festgestellt, dass der Papst als solcher, also das Papsttum an sich, der Antichrist sei. Begründet wurde diese Auffassung mit dem Argument, dass der Papst mit seinem unfehlbaren Lehramt beansprucht habe und auch weiterhin beanspruche, durch seine definitive Interpretation im Dogma über dem Wort Gottes zu stehen. Dies soll ebenso für das katholische Lehramt, die Bischöfe und die Konzilien gelten. Die Reformatoren haben darüber hinaus bestritten, dass die Firmung, die Krankensalbung, die Buße und die Ehe Sakramente, d.h. von Christus gestiftete und im Heiligen Geist wirksame Gnadenmittel seien. Wenn die Sakramente von Christus eingesetzte Gnadenmittel sind, kann ich nicht argumentieren, dass sie lediglich ein bisschen anders zu verstehen seien. Insofern kann ich nur zur Kommunion gehen, wenn ich selber im Stand der Gnade bin und auch dieser Gemeinschaft, der katholischen Kirche, mit dem vollständigen Glaubensbekenntnis und mit meinem eigenen Lebenswandel entspreche.“

Der Kirche wird von den fortschrittsgläubigen Kritikern vorgeworfen, sich in klerikalen Strukturen zu verstricken, anstatt sich dem Modernismus zu öffnen und demokratische Strukturen zu übernehmen. Hierzu stellt Kardinal Müller fest:

„Die Kirche ist keine politische Veranstaltung, und deshalb passen die Staatsmodelle nicht, sie können nicht auf die Kirche übertragen werden“, stellt Müller klar. „Wenn die Kirche eine Art staatliches Unternehmen wäre, wo es um weltliche Herrschaft geht, könnte man Demokratie fordern, von der Volkssouveränität ausgehend. Aber die Kirche ist das Volk Gottes und der Souverän in der Kirche ist Gott selber. Die Hierarchie, d.h. die Bischöfe und der Papst, gibt es, damit das Lehr- und Hirtenamt der Kirche im Namen Gottes ausgeübt werden. In der Bischofs- und Priesterweihe ist es Gott, der uns dazu befähigt, sein Wort in Vollmacht zu verkünden und als Pastor die Seelsorge auszuüben, das heißt die Menschen zu Gott zu führen. Weder die Bischöfe, noch die Laien können sagen, dass sie sich eine neue kirchliche Verfassung geben wollen. Die Kirche ist nicht unser Eigentum.“

Mit dem Ruf nach demokratischen Strukturen geht auch der Ruf einher, Frauen als gleichberechtigte Partner in der Seelsorge zu akzeptieren und sie zu den Weiheämtern zuzulassen. Aber auch diesem Reformprojekt stellt sich der Prälat entgegen.

„Die Kirchenleitung“ – so der ehemalige Präfekt der Glaubenskongregation“ – wird durch die Bischöfe gebildet. Frauen können keine Priester werden, weil es aus der Natur des Weihesakramentes heraus ausgeschlossen ist. Es ist eben nicht einfach ein Amt, das man erstreben kann. Auch ein Mann kann nicht einfach sagen, dass er ein Recht habe, Priester zu werden. Ins Priesteramt wird man berufen, und Jesus rief diejenigen zu sich, die er wollte. Er setzte die zwölf Jünger als seine Apostel ein. In der ganzen Kirchengeschichte ist dies immer als normativ und als eine Wahrheit aufgefasst worden, die in der Offenbarung enthalten ist und nicht eine Gewohnheit darstellt, die auch der Veränderung unterliegt. Das Problem hängt daran, dass viele, die Priesterinnen sein wollen, die Kirche und das kirchliche Amt in einem politischen Sinn verstehen oder es im Kontext des gesellschaftlichen Prestiges auffassen. Das Priesteramt ist aber nicht so wie früher viele weltliche Berufe einer Art ‚Männerdomäne‘ waren, die es im Zeichen der Emanzipation der Frau zu knacken gelte. Männer und Frauen, die so denken, sind jedem sehr böse, der sagt, aus theologischen Gründen sei dieses Ansinnen unerfüllbar. Sie unterstellen ihm Motivationen, die in sich absurd sind, und meinen, der Bischof sei einer, der die Macht habe, nach eigenem Gutdünken über Glauben und Moral zu entscheiden. Und man möchte als Frau auch so viel Macht und Prestige haben, um zu demonstrieren, dass man den Männern in Menschenwürde und Gotteskindschaft gleichwertig ist, was zu bestreiten eine üble Häresie wäre.“

Archivfoto Kardinal Müller




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