Die Schuhe sind längst zu klein

18. Mai 2020 in Kommentar


Diese Krise hat dem Grunde nach die Krise der Initiationssakramente auf die Spitze getrieben. Waren sie schon lange leidend, fielen sie jetzt ganz aus - Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz (kath.net)
Auf Grund der Coronakrise durften keine Erstkommunionen stattfinden. Diese Krise hat dem Grunde nach die Krise der Initiationssakramente auf die Spitze getrieben. Waren sie schon lange leidend, fielen sie jetzt ganz aus. In manchen Schulen gehen im dritten Schuljahr nicht einmal 50 Prozent eines Jahrgangs zur Erstkommunion. Manchmal lässt sich ein Kind taufen, weil die beste Freundin zu Kommunion geht. Welches kleine Mädchen findet es nicht toll, für einen Tag im weißen Kleid im Mittelpunkt zu stehen? Steckt da Substanz dahinter? Jungs sind pragmatischer. Der Kommunionanzug ist eher peinliches Beiwerk, um an den Geschenkesegen zu kommen.

 

Die Familien, so fand vor einigen Jahren der damalige Pfarrer Thomas Frings heraus, wählen die Erstkommunion, obwohl sie mehrheitlich nicht im Sinne der Kirche gläubig sind. Sie wollen etwa von der Kirche. Sie wollen, dass die Kinder die Kirche kennenlernen, ein schönes Fest bekommen und am Sonntag in Ruhe gelassen werden. Es klingt hart, aber die Wirklichkeit bestätigt dies. Die Frage, ob die Kirche das mitmachen soll, wäre zu stellen. Bislang macht sie es mit. Gemeinden erleben in die Messe gezwungene Erstkommunionfamilien durchaus als belastend. Von September bis Ostern werden die ersten Bankreihen von überforderten Müttern und genervten, unlustigen Kindern frequentiert. Am Weißen Sonntag sucht die normale Gemeinde das Weite, denn es ist Erstkommunion. Kinder, Eltern, Paten, Onkels und Tanten fallen telefonierend, chattend, lärmend und nicht selten am frühen Morgen schon leicht angetrunken in die Pfarrkirche ein. Um den Lärm zu übertönen singt eine angeheuerte Band NGL und der Pfarrer predigt megaseicht. Am Ende sind alle froh, wenn „es“ mal wieder geschafft ist und den Sommer über Erstkommunionpause herrscht.

 

Der Aufwand, den wir sowohl personell als auch finanziell und nicht zuletzt zeitlich treiben, so ist von Priestern immer wieder zu hören, lässt sich angesichts der vollkommenen Unfruchtbarkeit des Tuns durch nichts rechtfertigen. Auch das Argument, man könne über die Erstkommunion die Familien, resp. die Eltern erreichen stimmt in nahezu keinem Fall. Nach der Erstkommunion sieht man keines der Kinder wieder, das nicht vorher schon mit seiner Familie in der Messe war.

 

Die Coronakrise hat es nun arg verschärft. Die Erstkommunionfeiern sind einfach ausgefallen. Die Bistümer reden davon, sie nachholen zu wollen. Da wird so getan, als könne man das einfach machen. Daraus wird in der Praxis nicht viel werden. Die Familien treiben zur Vorbereitung der weltlichen Feier der Erstkommunion einen erheblichen Aufwand. Häuser und Wohnungen werden renoviert. Kleidung wird angeschafft, Restaurants gebucht und sogar Entertainer werden für die Feier angeheuert. Eine Erstkommunionfeier schlägt schon mal mit mehreren tausend Euro zu Buche. Dieses Geld ist auch in diesem Jahr zum großen Teil ausgegeben. Angesicht von Verdiensteinbußen wird man eher sparen müssen als zusätzliches Geld auszugeben.

 

Wenn im Herbst die Erstkommunion nachgeholt werden soll, sind viele Kinder schon längst aus Kommunionkleid und -anzug herausgewachsen. Die Schuhe passen schon lange nicht mehr. Das Geld für die Feier ist anderweitig verplant. Auch die Verwandten, die sich den Tag für die Erstkommunion freigehalten hatten, werden womöglich im Herbst nicht kommen können. Die Motivation der Kinder dürfte durch den enormen Stress der Pandemiekrise und des Lockdown mehr als nur im Keller sein. Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass die Nachholung der Erstkommunion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein großer Flop sein wird.

 

Die Eltern werden im Herbst 2020 vielleicht überlegen, ob ein Geschwisterkind überhaupt den Kram noch mitmachen soll. Es ging doch ohne. Viele Eltern könnten sich überlegen, ob eine Familienfeier im späten Frühling oder frühen Sommer nicht auch anders stattfinden kann. Bislang ist in katholischen Gebieten die Erstkommunion auch für faktisch Ungläubige eine unbedingte Notwendigkeit. Man nimmt in Kauf, dass man dafür in die Kirche muss. Säkularen Anbietern könnte sich hier ein lukrativer Markt auftun. Immerhin war es die Kirche selbst, die den Eltern und Kindern vermittelt hat, dass es auch ohne sie geht.

 

Für die Kirche vor Ort bietet die Krise vielleicht einen Impuls, ihr Tun zu überdenken. Muss man wirklich die Kinder klassenweise durch die Erstkommunion schleusen? Wäre es nicht besser auf inhaltlich fundierte Katechese zu setzen statt auf Masse? Vielleicht zwingt die Krise die Pfarrer dazu, ihre Erstkommunionpraxis zu überdenken. Auch wenn die Bischöfe in der Krise alles drangesetzt haben, die Systemirrelevanz der Kirche unter Beweis zu stellen, so gibt es am Ende für den Heiligen Geist keinen Grund, sich daran zu halten.


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