Türkische Regierung schürt Debatte um Hagia Sophia

13. Juni 2020 in Weltkirche


Oberstes Verwaltungsgericht soll Anfang Juli erneut über den Status des Gebäudes entscheiden - Auch negative islamische Reaktion auf Erdogans Hagia-Sophia-Pläne


Istanbul (kath.net/KAP) Die türkische Führung verschärft die Debatte um eine mögliche Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee. Die Entscheidung darüber liege alleine bei der Türkei, betonte Außenminister Mevlüt Cavusoglu in einem Interview des Senders NTV (Donnerstag): "Das ist definitiv keine internationale Sache, das ist eine Sache der nationalen Souveränität." Zuvor hatte bereits Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Wochenbeginn auf internationale Kritik in der Causa reagiert und betont, dass Ankara niemanden um Erlaubnis fragen müsse, ob die Hagia Sophia wieder eine Moschee werden dürfe. Vor allem Griechenland und Russland sind verärgert über die seit Jahren laufenden Bestrebungen der Türkei wegen der Bedeutung der Hagia Sophia für die griechisch-orthodoxe Kirche.

 

Am 2. Juli will das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei nun erneut über den Status des Gebäudes entscheiden, berichtete die regierungsnahe türkische Zeitung "Yeni Safak". Demnach hat die türkische Denkmalschutzvereinigung an den Verwaltungsgerichtshof (Danitay) appelliert, zu prüfen, ob das Dekret von 1934 über die Umwandlung der Hagia Sophia in ein Museum manipuliert ist. Die im sechsten Jahrhundert erbaute Hagia Sophia (griechisch: Heilige Weisheit), damals die größte Kirche der Welt, wandelten die Osmanen nach der Eroberung Konstantinopels, heute Istanbul, im Jahr 1453 in eine Moschee um. Unter Staatsführer Atatürk wurde sie 1934 zu einem Museum. Die Denkmalschutzvereinigung hatte bereits früher Vorstöße unternommen, um eine Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee zu erreichen; diese Vorstöße waren aber zurückgewiesen worden. Kritik aus Kairo Die neue Diskussion löst auch negative Reaktionen innerhalb des Islam aus.

 

Das ägyptische islamisch-sunnitische Ordinariat (Dar-al-Fetwa) bezeichnete die osmanische Eroberung von Konstantinopel zuletzt als "Besatzung" und die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee als unglückliche Entscheidung. Die Entscheidung des Dar-al-Fetwa erfolgte unter dem Vorsitz des ägyptischen Großmufti. Politische Beobachter sehen einen Zusammenhang mit dem "geopolitischen Tauziehen" zwischen Kairo und Ankara aufgrund der Situation im vom Bürgerkriegsland Libyen. Auch in der türkischen Presse gab es negative Kommentare. So schrieb Orhan Bursal, Kolumnist der Zeitung "Cumhuriyet", die Hagia-Sophia-Frage werde vom Establishment um Präsident Erdogan für Wahlzwecke instrumentalisiert, um "mögliche Feinde" zu identifizieren und so das Unbehagen der türkischen Öffentlichkeit im Hinblick auf die coronabedingte Wirtschaftskrise auf ein anderes Ziel abzulenken. "Sure der Eroberung" verlesen Erdogan hatte in den vergangenen Wochen die Pläne für eine Rückwidmung der Hagia Sophia in eine Moschee offensichtlich forciert.

 

Laut der Zeitung "Hürriyet" (5. Juni) erteilte der Präsident die Weisung für eine rechtliche Formel, um den aktuellen Status des Bauwerks so zu ändern, dass sie wieder als islamische Kultstätte genutzt werden kann. Den Plan zur Änderung des derzeitigen Status soll Erdogan auf einer Sitzung des zentralen Exekutivkomitees seiner Partei AKP angekündigt haben. Demnach werde die Hagia Sophia auch als Moschee für Touristen zugänglich bleiben. Schon zuvor rückte das Thema erneut in den öffentlichen Fokus, als die türkische Regierung Ende Mai beschloss, zum 567. Jahrestag der osmanischen Eroberung von Konstantinopel am 29. Mai 1453 in der früheren christlichen Basilika aus dem Koran die sogenannte "Sure der Eroberung" verlesen zu lassen. Außerdem wurde auf dem Vorplatz der Basilika eine Multimediaschau mit Gebeten über die Eroberung von 1453 veranstaltet. Die Initiative löste eine scharfe Reaktion der griechischen Regierung aus.

 

Athen bezeichnete die Vorgänge in der und um die Hagia Sophia am 29. Mai als "Beleidigung der weltweiten christlichen Gemeinschaft" und Verletzung des Welterbe-Status der Kathedrale. Protest aus Moskau Die neue Debatte um den Status der Hagia Sophia stieß auch in Russland auf massiven Protest. So stellte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion (Alfejew), im TV-Sender "Rossija 24" fest, jeder Versuch, den Museums-Status der Kathedrale zu verändern, würde die "heute bestehende fragile interkonfessionelle Balance infrage stellen". Der Metropolit plädierte dafür, dass die Hagia Sophia ein Museum mit offenem Zugang für alle bleibt. Wörtlich stellte der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats fest: "Diese Kirche ist ein Symbol für Byzanz. Sie ist aber auch ein Symbol der Orthodoxie für Millionen von Christen in aller Welt, vor allem für die orthodoxen Gläubigen." Das orthodoxe Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel hat sich offiziell noch nicht geäußert. Doch rief Patriarch Bartholomaios I. in seiner Predigt zum orthodoxen Pfingstfest am 7. Juni den Heiligen Geist "um Schutz und Beistand in heraufziehenden Gefahren" an.

 

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