Gender-Ideologie widerspricht Natur und Offenbarung

1. Juli 2020 in Kommentar


Gemäß dem neuen „Direktorium für die Katechese“ stelle die Gender-Ideologie „zur Diskussion, was offenbart ist: ‚Männlich und weiblich erschuf er sie‘“. Von Martin Bürger


Vatikan (kath.net/mb) Das am Donnerstag im Vatikan vorgestellte „Direktorium für die Katechese“ des Päpstlichen Rats zur Förderung der Neuevangelisierung hat die Gender-Ideologie als sowohl der göttlichen Offenbarung als auch der Natur widersprechend charakterisiert. „Eine weit verbreitete Strömung dessen, was heute unter dem Begriff Gender präsentiert wird, stellt zur Diskussion, was offenbart ist: ‚Männlich und weiblich erschuf er sie‘“, heißt es unter Bezugnahme auf das erste Kapitel des Buches Genesis in dem 143-seitigen Dokument, das bislang in deutscher Sprache nur in einer Arbeitsübersetzung der Deutschen Bischofskonferenz vorliegt.

 

Durch Akzeptanz der Gender-Ideologie verleugne der Mensch „seine eigene Natur und entscheidet, dass es an ihm selbst ist, sie zu schaffen“. Entsprechend sei Geschlechtsidentität der Gender-Ideologie zufolge „nicht mehr etwas Originäres, das der Mensch annehmen und mit Bedeutung füllen muss, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt, das völlig losgelöst vom biologischen Geschlecht eigenständig beschlossen wird“.

 

„Die Kirche ist sich der Komplexität der persönlichen Situationen bewusst, die zuweilen als konfliktreich erlebt werden“, so das Direktorium. „Sie urteilt nicht über Menschen, sondern lädt ein, sie immer und in jeder Situation zu begleiten.“ Gleichzeitig sei die Kirche sich bewusst, „dass Sexualität aus der Perspektive des Glaubens nicht nur eine physische Tatsache ist, sondern eine persönliche Realität, ein Wert, der in der Verantwortung der Person liegt. Auf diese Weise müssen sexuelle Identität und existentielles Erleben eine Antwort auf den ursprünglichen Ruf Gottes sein.“

 

Beim „Direktorium für die Katechese“ handelt es sich um das zweite Dokument einer vatikanischen Kongregation aus den letzten Jahren, das die Gender-Ideologie ausdrücklich kritisiert. Zuvor hatte die Kongregation für das Katholische Bildungswesen im Juni 2019 ein Dokument vorgestellt, in dem sie „einen Weg des Dialogs zur Gender-Frage im Bildungswesen“ aufzuzeigen beabsichtigte.

 

Anders als der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung sprach die Bildungskongregation, indem sie auf das nachsynodale Apostolische Schreiben Amoris laetitia von Papst Franziskus verwies, explizit von einer Ideologie: Der Bildungsauftrag stehe „vor der Herausforderung, die sich ‚aus verschiedenen Formen einer Ideologie‘ ergibt, ‚die gemeinhin Gender genannt wird und die ‚den Unterschied und die natürliche Aufeinander-Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet. Sie stellt eine Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht und höhlt die anthropologische Grundlage der Familie aus. Diese Ideologie fördert Erziehungspläne und eine Ausrichtung der Gesetzgebung, welche eine persönliche Identität und affektive Intimität fördern, die von der biologischen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau radikal abgekoppelt sind. Die menschliche Identität wird einer individualistischen Wahlfreiheit ausgeliefert, die sich im Laufe der Zeit auch ändern kann.‘“

 

Hinsichtlich der philosophischen Grundlagen der Gender-Ideologie erklärte die Bildungskongregation, es handle sich um eine Trennung zwischen dem Leib und dem Willen, der absolut gesetzt werde und den Leib nach Belieben manipuliere. „Dieser Physizismus und Voluntarismus bereiten dem Relativismus den Raum, wonach alles gleichwertig und undifferenziert ist, ohne Ordnung und ohne Ziel“, so das Dokument. „Alle diese Theoriebildungen – von den moderaten bis hin zu den radikalsten – halten daran fest, dass das soziale Geschlecht (Gender) letztlich wichtiger ist als das biologische Geschlecht (Sex). Das bedeutet zunächst eine kulturelle und ideologische Revolution relativistischer Prägung, und dann, an zweiter Stelle, eine juristische Revolution, weil diese Ansprüche besondere individuelle und gesellschaftliche Rechte fördern.“

 

Papst Franziskus hatte bereits bei einer Generalaudienz am 15. April 2015 erwähnt, dass er sich frage, „ob die sogenannte Gender-Theorie nicht auch Ausdruck von Frustration und Resignation ist, die darauf abzielt, den Unterschied zwischen den Geschlechtern auszulöschen, weil sie sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen versteht.“

 

Im Rahmen seiner Apostolischen Reise nach Georgien und Aserbaidschan im Herbst 2016, einige Monate nach der Veröffentlichung von Amoris laetitia, sagte der Heilige Vater bei einer Begegnung mit Priestern, Ordensleuten, Seminaristen und Pastoralarbeitern, die Gender-Ideologie sei ein großer Feind der Ehe. „Es gibt heute einen weltweiten Krieg, um die Ehe zu zerstören“, so Franziskus. „Heute gibt es ideologische Kolonialismen, die zerstörerisch sind: Man zerstört nicht mit Waffen, sondern mit Ideen. Darum muss man sich gegen die ideologischen Kolonialismen verteidigen.“

 

Auf dem Rückflug von Aserbaidschan nach Rom hingegen schien der Papst die Prämisse der Gender-Ideologie zu akzeptieren, wonach eine Frau als Mann bezeichnet wird, wenn sie sich als solcher fühlt, und umgekehrt. Franziskus erzählte von einer spanischen Frau, die sich chirurgischen Eingriffen unterzogen habe, um die körperlichen Merkmale eines Mannes zu haben. Der Papst sagte: „Dann hat der Mann geheiratet. Er hat seine zivile Identität geändert, hat geheiratet und mir in seinem Brief geschrieben, dass es für ihn ein großer Trost wäre, wenn er mit seiner Frau kommen könnte – er, der zuerst eine Frau, jetzt aber ein Mann war. Und ich habe sie empfangen. Sie waren sehr froh.“ Gleichzeitig erklärte der Papst, es sei „gegen die Natur“, wenn die Gender-Ideologie in Schulen gelehrt werde. „Man muss da unterscheiden“, betonte der Papst. „Es ist etwas anderes, ob jemand diese Tendenz, diese Option hat – und es gibt auch solche, die das Geschlecht wechseln –, oder ob in den Schulen in dieser Richtung gelehrt wird, um die Mentalität zu verändern.“

 

Papst Benedikt XVI. hatte noch gegen Ende seines Pontifikats die Gender-Ideologie mehrfach verurteilt. Bei seiner letzten Weihnachtsansprache vor den Kardinälen und Mitarbeitern der römischen Kurie im Dezember 2012 zitierte er das berühmte Diktum der französischen Feministin Simone de Beauvoir: Man wird nicht als Frau geboren, sondern man wird dazu.“ Damit, so der Papst, „ist die Grundlegung dessen gegeben, was man heute unter dem Stichwort ‚gender‘ als neue Philosophie der Geschlechtlichkeit darstellt. Das Geschlecht ist nach dieser Philosophie nicht mehr eine Vorgabe der Natur, die der Mensch annehmen und persönlich mit Sinn erfüllen muss, sondern es ist eine soziale Rolle, über die man selbst entscheidet, während bisher die Gesellschaft darüber entschieden habe.“

 

Der mittlerweile emeritierte deutsche Papst sprach über die „tiefe Unwahrheit dieser Theorie und der in ihr liegenden anthropologischen Revolution“. Der Mensch bestreite, „dass er eine von seiner Leibhaftigkeit vorgegebene Natur hat, die für das Wesen Mensch kennzeichnend ist. Er leugnet seine Natur und entscheidet, dass sie ihm nicht vorgegeben ist, sondern dass er selber sie macht. Nach dem biblischen Schöpfungsbericht gehört es zum Wesen des Geschöpfes Mensch, dass er von Gott als Mann und als Frau geschaffen ist. Diese Dualität ist wesentlich für das Menschsein, wie Gott es ihm gegeben hat. Gerade diese Dualität als Vorgegebenheit wird bestritten.“

 

Einen Monat später, im Januar 2013, sagte er bei der Vollversammlung des Päpstlichen Rats Cor Unum, der inzwischen von Papst Franziskus aufgelöst wurde, noch einmal, die Kirche bekräftige „ihr großes ‚Ja‘ zur Würde und Schönheit der Ehe als dem Ausdruck der treuen und fruchtbaren Verbindung zwischen Mann und Frau. Und ihr ‚Nein‘ zu Philosophien wie etwa der ‚Gender‘-Philosophie gründet auf der Tatsache, dass die Wechselseitigkeit von männlich und weiblich Ausdruck der Schönheit der Natur ist, die der Schöpfer gewollt hat.“


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