Hagia Sophia: Trump empfing orthodoxen US-Bischof im Weißen Haus

25. Juli 2020 in Weltkirche


Griechisch-orthodoxer Erzbischof von Amerika, Elpidophoros, schildert Bestürzung der Orthodoxie vor erstem muslimischen Freitagsgebet in Hagia Sophia seit 86 Jahren - Kritik an Entscheidung von Erdogan von Literaturnobelpreisträger Pamuk


Washington/Istanbul/Berlin (kath.net/KAP) US-Präsident Donald Trump hat den US-Erzbischof Elpidophoros (Lambriniadis) im Weißen Haus empfangen und sich aus erster Hand über die Bedenken der orthodoxen Kirche hinsichtlich der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee informiert. "Ich habe unsere tiefe Bestürzung über die Rückwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee sowie über die anhaltenden Sicherheitsbedenken für das Ökumenische Patriarchat und Fragen der Religionsfreiheit mitgeteilt", twitterte der griechisch-orthodoxe Erzbischof von Amerika nach der 15-minütigen Begegnung am Donnerstagabend (Ortszeit) in Washington.

Laut Bericht des Portals "Orthodox Times" (Freitag) soll Trump gegenüber Erzbischof Elpidophoros große Unzufriedenheit mit der Entscheidung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bekundet haben. Trump habe demnach auch seine Besorgnis über den Schutz der Menschenrechte und insbesondere der Religionsfreiheit von Minderheiten in der Türkei ausgedrückt.
Vor der Begegnung mit Trump sprach Elpidophoros auch mit Vizepräsident Mike Pence. Die Vereinigten Staaten stünden bei der Forderung, dass die Hagia Sophia als Quelle der Inspiration und Reflexion für jeden Menschen jeden Glaubens zugänglich bleibt, entschlossen an der Seite der griechisch-orthodoxen Kirche, twitterte Pence im Anschluss.

Erstes islamische Freitagsgebet nach 86 Jahren

Die Hagia Sophia in Istanbul wird an diesem Freitag offiziell wieder zu einer Moschee. Im Beisein des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wollen rund 2.000 Menschen dort erstmals nach 86 Jahren das islamische Freitagsgebet vollziehen. Noch am Donnerstag inspizierte Erdogan laut Agenturberichten die Vorbereitungsarbeiten, einschließlich der Enthüllung eines Eingangsschildes mit der Aufschrift "Die Große Moschee Hagia Sophia".

Der Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, kündigte zudem die Ernennung von drei Imamen für die Ayasofya-Moschee an. Unter ihnen ist auch der Imam der Istanbuler Yeni-Moschee, Ferruh Mustuer. Die Familie des in der Türkei geborenen muslimischen Geistlichen hat bosnische Wurzeln. Laut Online-Portal Havadis.at war Mustuer zwischen 2006 und 2010 auch in Österreich tätig.

Anhaltende Kritik

Die Kritik an der Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee riss indes auch am Tag des ersten Freitagsgebets nicht ab. Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk erklärte, die Umwidmung widerspreche den Absichten von Mustafa Kemal Atatürk. Sein Ziel sei eine säkulare und zugleich muslimisch geprägte Türkei gewesen, erklärte Pamuk im Interview der Deutschen Welle: "Die Türkei als Teil der großen europäischen Kultur und Zivilisation." Allerdings positioniere sich die Opposition nicht deutlich genug gegen die Entscheidung Erdogans, und Kritiker hätten es schwer, Gehör zu finden.

Der muslimische Intellektuelle und Oppositionspolitiker Cihangir Islam warf der türkischen Regierung Heuchelei vor. "Das wird kein Gebet, das wird eine politische Demonstration", sagte er der "Welt". Die Regierung wolle ihre Macht aufrecht erhalten: "Nur deshalb bedient sie sich manchmal einer religiösen Rhetorik."

Der türkische Abgeordnete wandte sich zudem gegen das Bild einer "Islamisierung" seines Heimatlandes. "Die Türkei wird nicht islamisiert, sie wird von einem autoritären Regime geführt", betonte Islam. Als muslimischer Bürger sehne er sich nach einer Türkei, in der Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie herrschten.

Die Hagia Sophia war fast 1.000 Jahre lang die größte Kirche des Christentums. 1453 machten die osmanischen Eroberer daraus eine Moschee. Der Gründer der türkischen Republik, Mustafa Kemal "Atatürk", erklärte das Bauwerk 1934 zum Museum. Ihre erneute Umwandlung in eine Moschee durch die Regierung Erdogan löste international scharfe Proteste aus, insbesondere von den orthodoxen Kirchen, aber auch vonseiten Russlands und der EU.
Der Schritt wurde vielfach als eine Belastung für den Dialog zwischen den Kulturen kritisiert und als Beleg dafür, dass sich die Türkei weiter von Europa entferne. Die Entscheidung sei "ein weiterer Schritt der Türkei weg von Europa, den wir zutiefst bedauern und nicht nachvollziehen können", erklärte auch Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg.


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