Der Gang über das Wasser

14. August 2020 in Kommentar


Von Beginn an meiner Begegnung mit Jesus war mir klar: das Thema des Vertrauens gegenüber Gott ist grundlegend wichtig - BeneDicta am Freitag von Linda Noé


Linz (kath.net)

Jesus ich vertraue auf Dich, Jezu ufam tobie, Linda“. Mit einem dicken schwarzen Edding male ich diese Worte auf einen Streifen Papier und klebe ihn über meine Zimmertüre im Studentenheim. Denselben Streifen Papier habe ich bei jedem darauffolgenden Umzug mitgenommen, und er hängt heute noch innen über der Türe unseres Familienhauses. Das Tagebuch der Sr Faustyna Kowalska. Der Barmherzigkeitsrosenkranz und die zugehörige Novene, die mich auch an intensive Osterfeierlichkeiten in Medjugorje erinnern lässt. Von Beginn an meiner Begegnung mit Jesus war mir klar: das Thema des Vertrauens gegenüber Gott ist grundlegend wichtig. Im Laufe der letzten zwanzig Jahre bin ich als Ehefrau und Mutter natürlich gehäufter in Situationen gekommen, in denen das blinde Vertrauen gegenüber Gott- dass Er es gut meint und da ist, auch wenn es manchmal schwierig ist oder ich nicht verstehe- notwendig gewesen ist. Gesegnet bin ich damit, dass ich das habe, was viele Menschen als „gutes Urvertrauen“ bezeichnen, und das hat man, neben Gott, immer seinen Eltern zu verdanken, durch die man schon zu Lebensbeginn erfahren durfte, gewollt, geliebt und beschützt zu sein. Diese Art des Vertrauens ist ein Geschenk. Viele Menschen müssen schon an diesem Punkt viel Zeit zur Aufarbeitung und Bemühung investieren um annähernd so vertrauen zu können wie jemand, der so aufwachsen durfte wie ich.

 

Und dann ist da noch das Vertrauen gegenüber Gott, das so sehr über dieses natürliche, menschliche Grundvertrauen hinaus geht. Hier kommt das Über-natürliche ins Spiel, der Gang übers Wasser. Dieser ist und bleibt für die Natur- mit einem unmodernen Wort ausgedrückt, für das Fleisch- unvorstellbar. Vergangenen Sonntag durften wie das Evangelium aus Matthäus 14 hören. Jesus „drängte die Jünger ins Boot zu steigen“. Er selbst blieb zurück, um die Menschen zu entlassen und alleine zu beten. Erst in der vierten Nachtwache, also schon gegen Morgen hin, kam Jesus über das Wasser hin zu seinen Jüngern, die in ihrem Boot starken Gegenwind hatten und von den Wellen hin und her geworfen wurden. Über das Erscheinen Jesu sind die Jünger zunächst erschrocken, dann fasst Petrus sich ein Herz und bittet Jesus, ihn zu sich zu rufen- durch dieses „Komm!“ wurde es für ihn möglich, den Schritt auf das Wasser zu wagen. Bereits auf dem Weg befällt Petrus nochmal die Furcht, als er „den heftigen Wind“ bemerkt. „Jesus streckte sofort die Hand aus, ergriff ihn und sagte zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“ Im Grunde ist das doch ein sehr herausfordernder Satz. Die Jünger waren schon die ganze Nacht wach gewesen, und hatten sich vielleicht schon zuvor die Frage gestellt, weshalb Jesus sie vermeintlich allein in diese Situation vorausgeschickt hatte. Wusste er denn nicht? Und dann soll man noch über das Wasser gehen, ohne zu zweifeln- jeder Mensch, der gut bei Verstand ist, weiß doch, dass das unmöglich ist.

 

Konfrontieren wir uns damit: in Wahrheit gehen Vertrauen auf Gott und der Glaube immer über unser menschliches Leben, unsere menschliche Erfahrung hinaus. Das sagt sich leicht, aber sind wir bereits so verändert von Gott, dass wir danach leben? Oder leben wir ein normales Leben mit einem Zuckerguss von Glauben darauf, zumindest solange alles halbwegs gut geht? Wenn wir uns auf unser eigenes Verständnis und Erfahrung verlassen, dann reduzieren wir unsere Realität immer auf einen in Wahrheit winzigen Bereich. Die gefallene Natur des Menschen sagt: wenn wir es nicht verstehen können oder noch nie so erlebt haben, dann kann es nicht wahr sein, aber diese Ansicht ist falsch. Erstens ignorieren wir damit die Erfahrungen der anderen 7,2 Billionen Menschen auf diesem Planeten, von denen vielleicht der eine oder andere bereits mehr oder etwas ganz anderes erfahren haben könnte als wir selbst. Zweitens gehen wir davon aus, dass Gott uns bereits vorher bekannt machen müsste, was Er tun wird und wir im Vorhinein die Dinge verstehen müssten. Drittens ist es eine Tatsache, dass wir an viele Dinge glauben, ohne sie zu verstehen. Niemand würde ablehnen, mit einem Auto zu fahren, weil er nicht ganz genau verstanden hat, wie die Technik dahinter funktioniert. Wir glauben auch daran, dass die Erde rund ist, obwohl die wenigsten von uns die Mühe auf sich genommen haben, diese Tatsache selbst zu überprüfen. Wir alle leben aus dem Glauben, Tag für Tag, auch Atheisten. Es geht, wie wir wissen, einzig um die Frage, auf wen oder was wir vertrauen. Auf unsere Erfahrungen, begrenzten Erkenntnisse, andere Menschen, die Dinge- oder Gott. Gott, den wir mit unseren Augen nicht sehen und mit unserem Verstand nicht begreifen können- der sich aber von denen finden lässt, die ihn suchen.

 

Im Evangelium von Jesus, der über das Wasser geht, sehe ich, wie er seine Jünger in eine Situation schickt, in der sie nicht die Kontrolle haben, sondern in der sie von Wind und Wellen im Boot umhergeworfen werden. Das Gefühl in einem solchen Boot ist das des Ausgeliefert-seins. Wir kennen es alle in unserem Leben, und ringen damit.

 

Es ist eine tiefe Wahrheit, dass wir als Menschen nicht in Kontrolle aller Umstände sind, und sehr viele Menschen ihr Leben nichtsdestotrotz damit verschwenden, dauerhaft zu versuchen, alles und jeden zu kontrollieren und zu manipulieren. Ein Weg, der scheitern muss, der gebrochene Herzen, Rebellion und Enttäuschung bewirkt.

 

Auf der anderen Seite sehen wir auch an diesem Beispiel mit den Jüngern im Boot, dass aus dieser Wahrheit des nicht- kontrollieren- Könnens, des Schreckens, des Ausgeliefert seins, der komplett übernatürlicher Gang auf dem Wasser werden kann. Ein großes Wunder, das alle Naturgesetze sprengt. Wodurch? Dadurch, dass Petrus sich von Jesus rufen lässt und seinen Blick auf ihn gerichtet hält. Der Blick auf die natürlichen Umstände lässt ihn sinken, aber Jesus lässt ihn nicht auf halbem Weg untergehen. Auch diese Tatsache kann dazu ermutigen, immer wieder den übernatürlichen Schritt des Gottvertrauens zu wagen.

 

Mir ist in den letzten zwanzig Jahren immer klarer geworden, dass dieses Vertrauen zu Gott nichts Kitschiges oder Folkloristisches an sich hat, auch wenn wir uns manchmal gerne kitschige Heiligenbildchen malen. Es muss weder von rosaroten Gefühlen begleitet noch in für mich verständliche Situationen eingebettet sein. Es ist genau das, was Petrus wohl gefühlt haben muss, als Jesus ihn aufs Wasser gerufen hat. Das Vertrauen wird bedrängt durch Umstände, Erfahrungen und begrenzte Erkenntnisse. Manchmal ist es ein Kampf, sich dazu durchzuringen. Im Gegensatz zum menschlichen Versuch der Kontrolle und Manipulation trägt das Vertrauen zu Jesus in allen- wirklich in allen- Lebenslagen  übernatürliche Frucht. Ich sehne mich danach, dass diese durch mein eigenes Leben und durch das der ganzen Kirche sichtbar wird.


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