Konflikt um Bergkarabach: Kathedrale in Stadt Schuscha beschossen

9. Oktober 2020 in Aktuelles


Österreichische Forscherin in Armenien: Angriff auf das Gotteshaus "trifft das armenische Volk am Nerv seiner christlichen Identität" - Wiener Armenisch-Apostolische Kirchengemeinde ruft zu Kundgebung auf


Jerewan/Wien (kath.net/KAP) Bei den Kämpfen in der Konfliktregion Berg-Karabach im Südkaukasus ist die armenisch-apostolische Christ-Erlöser-Kathedrale in der Stadt Schuscha schwer beschädigt worden. Das armenische Verteidigungsministerium wirft den Truppen Aserbaidschans vor, die  weißleuchtende Ghazantchetsots-Kathedrale am Donnerstag mehrfach absichtlich zum Ziel gemacht und die Kirche beschossen zu haben. Das Dach der Kirche wurde demnach von einer Granate durchbrochen. Von der Armee veröffentlichte Bilder zeigen massive Schäden am Dach und im Inneren der Kathedrale.

Die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) zitierte Medienberichte, wonach sich zum Zeitpunkt des ersten Beschusses einige Kinder in der Kathedrale aufgehalten hätten, die aber nicht verletzt wurden. Stunden später wurde die Kirche erneut und deutlich stärker beschossen worden. Dabei wurden nach armenischen Angaben auch zwei russische Journalisten schwer verletzt.

Das Außenministerium in Jerewan verurteilte den Angriff als "ungeheuerliches Verbrechen". Das aserbaidschanische Verteidigungsministerium dementierte die Attacke auf die Kathedrale; die Armee ziele nicht auf "historische, kulturelle und vor allem religiöse Gebäude und Denkmäler". Armenische Medien wiederum berichteten unter Berufung auf örtliche Zeugenangaben, dass vor dem Beschuss eine Drohne beim Überfliegen der Kirche gesehen worden sei.

AP zitierte einen an der Kathedrale tätigen Geistlichen. "Ich fühle Schmerz darüber, dass die Mauern unserer schönen Kathedrale zerstört werden und dass die Welt nicht auf das reagiert, was hier geschieht", sagte der Priester.

Der Angriff auf das Gotteshaus treffe das armenische Volk "am Nerv seiner christlichen Identität", erklärte die Salzburger Wissenschaftlerin Jasmin Dum-Tragut, die sich aktuell in Armenien aufhält, gegenüber der Nachrichtenagentur Kathpress. Die im 19. Jahrhundert errichtete Kathedrale sei schon bei den Kämpfen zwischen armenischen und aserbaidschanischen Streitkräften in den 1990er Jahren getroffen und in den vergangenen Jahren restauriert worden, so die Leiterin des "ZECO" (Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens) der Theologischen Fakultät der Universität Salzburg. In den Sozialen Medien seien infolge des Angriffs Postings wie "Wer unsere heiligen Stätten zerstört, dem verzeihen wir nicht..." zu lesen.

Die westliche Welt habe "endlich begonnen, sich mehr des Krieges anzunehmen", sagte Dum-Tragut zur aktuellen Lage. Noch am Freitag wollten die Außenminister von Armenien und Aserbaidschan auf Einladung Russlands in Moskau zusammenkommen. Die Regierungen in Jerewan und Baku hätten die Teilnahme ihrer Minister bestätigt, sagte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums, nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA.

In Wien hat die Armenisch-Apostolische Kirchengemeinde für Freitagabend zu einer Kundgebung aufgerufen, um "den Druck auf unsere Bundesregierung und die OSZE zu erhöhen", wie es in einer Mitteilung hieß. Dabei soll am 18.30 Uhr vor dem Sitz der OSZE am Heldenplatz und danach auch am Ballhausplatz protestiert werden. Das armenische Volk habe bereits "einen Genozid erlebt, bei dem die Welt zugesehen hat", erinnerte die Kirchengemeinde an den Völkermord von 1915. Die Geschichte dürfe sich nicht wiederholen.

Der Wiener armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan machte in den vergangenen Tagen auch in mehreren Gesprächen mit österreichischen Politikern auf die Situation in Berg-Karabach aufmerksam. Das durch die "Aggression" Aserbaidschans in der Region verursachte menschliche Leid sei "unermesslich", heißt es auch in einem kurzen Schreiben Petrosyans, das auf der Facebook-Seite der Armenisch-Apostolischen Kirchengemeinde nachzulesen ist. Die Stadt Stepanakert sei "schwerstens in Mitleidenschaft gezogen, tausende Menschen im Umland bangen um Obdach und Überleben", so der Bischof, der für jede Solidarität und materielle Hilfe dankte.

Petrosyan ist Bischof der Armenisch-apostolischen Kirche in Mitteleuropa mit Sitz in Wien. Er ist nicht nur für die  armenisch-apostolischen Gläubigen in Österreich, sondern auch für die Tschechische Republik, die Slowakei usw. sowie Skandinavien zuständig.

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