Zusätzliche Verwirrung in einer ohnehin bereits vergifteten Zeit

22. Oktober 2020 in Aktuelles


Eine Anmerkung von Marcello Pera. Wieder eine finstere Skandalgeschichte aus dem Vatikan. Was Lehramt ist. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) 22. Oktober, Festtag des heiligen Papstes Johannes Pauls II.: „Es gibt keinerlei Fundament dafür, zwischen den homosexuellen Lebensgemeinschaften und dem Plan Gottes über Ehe und Familie Analogien herzustellen, auch nicht in einem weiteren Sinn. Die Ehe ist heilig, während die homosexuellen Beziehungen gegen das natürliche Sittengesetz verstoßen. Denn bei den homosexuellen Handlungen bleibt die Weitergabe des Lebens [...] beim Geschlechtsakt ausgeschlossen. Sie entspringen nicht einer wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit. Sie sind in keinem Fall zu billigen“.

 „Dass zwei Homosexuelle in einer Beziehung zusammenkommen, sät keinen Skandal. Es ist eine Beziehung der Liebe, der Freundschaft, der gegenseitigen Unterstützung, die nicht diskriminiert und noch weniger bestraft werden darf“: Marcello Pera, ehemaliger Präsident des Senats der italienischen Republik, ein Laie im Sinne „ein gegenüber der Kirche Außenstehender“, Philosoph und Intellektueller, der seit vielen Jahren im Dialog mit Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. steht, kommentierte in der Zeitung „Il Foglio“ die Worte von Papst Franziskus zu Homosexuellen, die in dem gestern, 21. Oktober, auf dem Filmfestival in Rom vorgestellten Dokumentarfilm „Franciso“ enthalten sind.

Die päpstlichen Äußerungen verursachten in ihrer Zweideutigkeit und „Klarheit“ in der Form eines „Lehramtes im Film“ eine weltweite Welle von Kommentaren – entrüstete Proteste auf der einen Seite, zuweilen nur höhnende Kommentare auf der anderen. So war es zum Beispiel die „New York Times“, die sofort auf ihrer Seite titulierte: „Breaking News: Pope Francis voiced support for civil union laws for same-sex couples yet on the issue and a break with the church doctrine“ – „Eilmeldung: Papst Franziskus sprach sich für zivile Partnerschaftsgesetze für gleichgeschlechtliche Paare aus, die sich in dieser Frage noch nicht durchgesetzt haben, und ein Bruch mit der kirchlichen Lehre“. Ein säkulares Medium also diagnostiziert einen „Bruch“ (ach was ist das Wort doch schlimm für alle Kontinuitätshermeneutiker!) in der Lehre der Kirche, verursacht durch die Haltung, die Worte, die in einem Interview geäußerte persönliche Meinung ihres obersten Hirten.

Alle anderen Medien folgten nach, von „Ehe“ unter Homosexuellen wurde gesprochen, die die Kirche nun „endlich“ absegne. Dass dem nicht so ist, muss ein Journalist, der mit undurchsichtigen Äußerungen zu tun hat, nicht verstehen. In der Regel handelt es ich um Leute, die nicht gerade mit einer vertiefte Kenntnis der katholischen Lehre brillieren. Die Zeitung macht ihre Schlagzeile und klebt ein paar Bilder dazu.

Das Problem ergibt sich jedoch vor allem auf der Seite, deren Äußerungen anscheinend immer interpretiert und erläutert werden müssen und manipuliert und instrumentalisiert werden können: sowohl ein sprachliches als auch ein inhaltliches Problem. Nicht umsonst kriegte sich der US-amerikanische LGBT-Aktivist und Prediger dessen, was nicht wenige die „Homohäresie“ nennen, James Martin SJ auf seinem Twitter-Account vor Begeisterung über diese „historische“ Papstäußerung und das radikal Neue nicht mehr ein (Martin nimmt auch eine beratende Funktion für die vatikanischen Medien ein).

Dazu kommt eine Neuigkeit der letzten Stunden, die noch vertieft werden sollte. Der berühmte Satz, der mittlerweile traurig berühmte Videoclip sollen aus einem Interview des Papstes stammen, das er vor zwei Jahren dem mexikanischen Sender „Televisa“ gegeben hat. Damals veröffentlichte auch der Vatikan Abschriften und Videos, allerdings ohne die jetzt ans Licht gekommenen Minuten. Es dürfte zu klären sein, warum der russische Regisseur des aktuell debattierten Dokumentarfilms, Jewgeni Afinejewski, diese unveröffentlichten Videoschnipsel eingebaut hat. Unterdessen versichert der Regisseur, dass sein Film in diesem Sommer vom Papst persönlich auf seinem Tablet angeschaut worden war. Das Interview mit dem Satz über homosexuelle Familien sei dagegen ausschließlich für sein Filmprojekt gemacht worden. Der Regisseur erwähnt das Interview des Papstes bei "Televisa" nicht. Gerade diese Passage weckt dann in einer vergifteten Zeit wie der jetzigen den Verdacht auf ein am Schreibtisch studiertes Projekt, merkte auch Franca Giansoldati an, Vatikanistin des „Il Messaggero“. Es wird zu sehen sein, ob auch dieser Skandal einfach unter einer Lawine des Schweigens verschüttet werden kann. Was bleibt, ist das unter den Gläubigen erregte Ärgernis, die Verwirrung, die Zerstreuung, alles Anzeichen des Wirkens von Kräften , die nicht gerade göttlich sind.

Marcello Pera fuhr dann fort: „Aber wenn diese Verbindung ‚Familie’ genannt wird, dann ist es eine Ehe, und wenn es eine Ehe ist, dann ist es über dem Sakrament hinaus ein Vertrag, der alle damit verbundenen Rechte genießt, einschließlich des Rechts, Kinder zu haben, das im Falle von Homosexuellen nur mit der Leihmutterschaft befriedigt werden kann. Und das, fügte Pera hinzu, „ist ein Skandal in der Kirche, aber auch für viele Laien. Für das Christentum ist die Familie eine Vereinigung von Mann und Frau, denn ‚Gott hat sie als Mann und Frau geschaffen’, wie es in der Genesis heißt“.

Pera erklärte: „Der Papst säkularisiert die Kirche, passt sich einem der Eckpfeiler des heutigen säkularen Denkens an und wendet sich auch gegen Paulus, wenn er sich an die Römer wendet: ‚Nolite conformari huic saeculo’. Mehr als sich ihm zu konformieren nimmt der Papst das Saeculum sogar voll und ganz an, und dabei nicht einmal alles, nur den radikalsten antichristlichen Teil“.

An diesem Punkt angelangt, schloss Pera ab, „stelle ich mir eine Frage und äußere eine Beobachtung. Die Frage: Wenn die Genesis geändert wird und auch der heilige Paulus überholt ist, welche Lesarten werden dann noch in der Kirche realisiert? Die Beobachtung lautet: wenn das Überleben des Westens an die Gesundheit der christlichen Kirche gebunden ist, dann legt Papst Franziskus uns alle flach“.

Nun denn, Lehramt hieß einst, einen festen Boden zu bieten, von dem aus die Wirklichkeit verstanden werden kann und auf dem es möglich ist, die dem Naturrecht entsprechenden und entstammenden Handlungsnormen zu erkennen. Am 3. Juni 2003 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre ihre „Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen“.

Diese Erwägungen sind genuiner und beständiger Ausdruck des Lehramtes Johannes Pauls II. Es lohnt sich daher, am Festtag des heiligen Papstes die Worte seines Präfekten Joseph Ratzinger zu lesen:

Einleitung

Verschiedene Fragen bezüglich der Homosexualität sind in letzter Zeit mehrmals von Papst Johannes Paul II. und den zuständigen Dikasterien des Heiligen Stuhls erörtert worden.(1) Es handelt sich nämlich um ein beunruhigendes moralisches und soziales Phänomen, auch in jenen Ländern, in denen es in der Rechtsordnung keine Beachtung findet. Noch bedenklicher wird es aber in den Ländern, die den homosexuellen Lebensgemeinschaften eine rechtliche Anerkennung, die in einigen Fällen auch die Befähigung zur Adoption von Kindern einschließt, bereits gewährt haben oder gewähren wollen. Die vorliegenden Erwägungen enthalten keine neuen Lehraussagen, sondern wollen die wesentlichen Punkte zu dem Problem in Erinnerung rufen und einige Argumente rationaler Natur liefern, die den Bischöfen bei der Abfassung von spezifischeren Stellungnahmen entsprechend den besonderen Situationen in den verschiedenen Regionen der Welt helfen können; solche Stellungnahmen werden darauf ausgerichtet sein, die Würde der Ehe, die das Fundament der Familie bildet, sowie die Stabilität der Gesellschaft, deren grundlegender Bestandteil diese Institution ist, zu schützen und zu fördern. Diese Erwägungen haben auch zum Ziel, die katholischen Politiker in ihrer Tätigkeit zu orientieren und ihnen die Verhaltensweisen darzulegen, die mit dem christlichen Gewissen übereinstimmen, wenn sie mit Gesetzesentwürfen bezüglich dieses Problems konfrontiert werden. Weil es sich um eine Materie handelt, die das natürliche Sittengesetz betrifft, werden die folgenden Argumente nicht nur den Gläubigen vorgelegt, sondern allen Menschen, die sich für die Förderung und den Schutz des Gemeinwohls der Gesellschaft einsetzen.

Schluss

Nach der Lehre der Kirche kann die Achtung gegenüber homosexuellen Personen in keiner Weise zur Billigung des homosexuellen Verhaltens oder zur rechtlichen Anerkennung der homosexuellen Lebensgemeinschaften führen. Das Gemeinwohl verlangt, dass die Gesetze die eheliche Gemeinschaft als Fundament der Familie, der Grundzelle der Gesellschaft, anerkennen, fördern und schützen. Die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften oder deren Gleichsetzung mit der Ehe würde bedeuten, nicht nur ein abwegiges Verhalten zu billigen und zu einem Modell in der gegenwärtigen Gesellschaft zu machen, sondern auch grundlegende Werte zu verdunkeln, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören. Die Kirche kann nicht anders, als diese Werte zu verteidigen, für das Wohl der Menschen und der ganzen Gesellschaft.

Papst Johannes Paul II. hat die vorliegenden Erwägungen, die in der Ordentlichen Versammlung dieser Kongregation beschlossen worden waren, in der dem unterzeichneten Kardinalpräfekten am 28. März 2003 gewährten Audienz approbiert und ihre Veröffentlichung angeordnet.

Rom, am Sitz der Kongregation für die Glaubenslehre, am 3. Juni 2003, dem Gedenktag der heiligen Märtyrer Karl Lwanga und Gefährten.

Joseph Card. Ratzinger

Präfekt

Angelo Amato, S.D.B.

Titularerzbischof von Sila

Sekretär

Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen

 


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