Einmal mehr zugehört ist besser als einmal zu wenig

6. November 2020 in Kommentar


Wir haben drei große Ungeheuer geschaffen: Angst, Boshaftigkeit, Diffamierung. Höchste Zeit, diesen Ungetümen ins Gesicht zu schauen und sich von ihnen zu verabschieden, bevor sie sich noch richtig breit machen - BeneDicta von Dorothea Schmidt


Regensburg (kath.net)

Wir haben drei große Ungeheuer geschaffen: Angst, Boshaftigkeit, Diffamierung. Höchste Zeit, diesen Ungetümen ins Gesicht zu schauen und sich von ihnen zu verabschieden, bevor sie sich noch richtig breit machen unter uns.

Corona hat viele in Schrecken versetzt. Aber auch neue Schrecken hervorgebracht: die Unfähigkeit, miteinander zu sprechen, sich auszutauschen bzw einander zuzuhören – und damit anderen vielleicht ein Stück der Angst zu nehmen. Bundes-, wenn nicht europaweit, werden Menschen diffamiert und denunziert, die sich kritisch zu Corona-Maßnahmen äußern. Was dabei vergessen wird: Das fördert Verschwörungstheorien und Angst, Spaltung und Misstrauen.

Was wir jetzt wirklich brauchen, sind klare und kluge Köpfe, eine breit angelegte Forschung voll Ehrlichkeit und Offenheit, handfeste Fakten und langfristig kluge Lösungen, die die Menschheit aus der Unsicherheit reißen. Und vor allem: eine freundliche Dialogkultur und Gebet.

Hier müssen wir nicht in Politik und Medien schielen, sondern können uns selbst hinterfragen, ob wir Unmut und Angst fördern oder Verständnis und Gottvertrauen. Vor allem könnten wir Christen viel mehr um den Heiligen Geist und um den Schutz Gottes beten - selbstverständlich auch stellvertretend für alle, die das nicht können.

Solidarität ist nicht, den Zeigefinger heben, wenn andere sich nicht so verhalten wie man selbst es richtig findet, sondern dass wir einander zuhören und ernstnehmen, einander helfen – und füreinander beten.

Es bringt es uns nicht weiter, wenn wir einander denunzieren und als „Covidiot“, „Verschwörungstheoretiker“ oder „Maskenverweigerer“ beschimpfen. Das ist weder fair, noch freundlich oder klug. Denn genau das macht vielen Angst, auch einmal eine Frage laut auszusprechen oder Kritik zu äußern. Und so entstehen neben Verschwörungen auch das Gefühl, dass das eigene Denken abgeschaltet oder zurechtgerückt werden soll als gäbe es nur ein richtiges Denken und Fühlen. Und wer weiß, ob sich nicht ein scheinbar absurder Gedanke schließlich als der entscheidende erweist.

Es darf - und muss uns vielleicht sogar – betreffen, wenn Lehrer beklagen, dass Maßnahmen und Lehrpläne einfach nicht zusammenzubringen sind, wenn Erzieher fürchten, ihre Meinung zu äußern, wenn Eltern überfordert sind, den Alltag ständig neu organisieren zu müssen, wenn Kinder (wie Ladenmitarbeiter) über Hautausschläge, Luftnot, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen klagen. Das ist bei dem latenten Sauerstoffmangel durch das stundenlange Maskentragen nicht mal verwunderlich. Menschen beschimpfen einander, wenn der Abstand gefühlt nicht passt oder die Maske „falsch“ sitzt. Das alles ist Stress – und der boostet das Immunsystem garantiert nicht.

Gerade, weil Corona verunsichert und die Situation für uns alle neu ist, wäre es wichtig, dass wir die Sorgen anderer, deren Probleme, psychische Symptome und kritische Nachfragen ernst nehmen und uns für eine offene Debatte öffnen - statt unliebsame Fragen einfach vom Tisch zu fegen: Gibt es einen Aspekt, den wir völlig übersehen? Wie boosten wir das Immunsystem - zur Prävention?

Auch Folgen der Corona-Maßnahmen wie Despressionen, Einsamkeit, Boshaftigkeit, Panik, neurotische Waschzwänge, die Kinder seit Corona plagen, müssen unbedingt ernstgenommen werden. Psychische Probleme auf breiter Ebene können einer ganzen Gesellschaft und der nachwachsenden Generation langfristig schaden. All das darf man nicht weniger ernst nehmen als das Virus selbst.

Wir werden einander nicht immer verstehen, aber wir müssen einander annehmen und zu verstehen bemüht sein. Wer einerseits immer wieder über Diskriminierung und mangelnde Toleranz klagt, muss zu allererst bitte selber vorbildliche Toleranz an den Tag legen und sich für andere Sichtweisen öffnen.

Wir müssen Wissen bündeln, Experten aus allen Fachrichtungen an einen Tisch bringen – egal welche Meinung jemand vertritt. Nur, wenn wir alle Standpunkte betrachten, können wir zu einer differenzierten Sichtweise und klugen, langfristigen Lösungen der Probleme kommen. Zeigen wir, dass unser christliches Menschenbild und die in den Grundrechten festgeschriebene Meinungs- und Gedankenfreiheit uns wirklich noch etwas wert sind. Einmal mehr zugehört ist besser als einmal zu wenig. Vielleicht kehrt dann etwas mehr Gelassenheit ein. Hilfreich wäre ein echtes Miteinander allemal. Und eine Chance auch.


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