"Welches Sakramentenverständnis enthält die neueste Corona-Regelung der Österreichischen Bischöfe?"

9. November 2020 in Kommentar


"Sie ist mit dem katholischen Verständnis dieser Sakramente nur schwer vereinbar. Für die einen kann diese Regelung eine weitere Schwächung des Glaubens bedeuten, für die anderen ein Ärgernis." - Gastkommentar von Christian Spaemann


Wien (kath.net)

In der neuen Corona-Regelung der Österreichischen Bischofskonferenz vom 3. November 2020 heißt es lapidar, dass Taufen und Trauungen „auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben“ sind. Ist eine solche Verordnung mit der katholischen Auffassung dieser Sakramente vereinbar?

In einer Erzählung von Nikolai Leskow nimmt eine Frau am Tag nach der Geburt ihr Patenkind und stapft bei Eis und Kälte im Schneesturm beherzt alleine in das Nachbardorf um das Kind taufen zu lassen. Wer hat mehr von dem Sakrament der Taufe begriffen, die Menschen in diesem armen russischen Dorf oder wir, die wir die Taufe oft monatelang hinausschieben, um ein Fest mit Verwandten und Freunden zu ermöglichen? Nach der Lehre der katholischen Kirche ist die Taufe für jeden Menschen „heilsnotwendig“ (vgl. KKK 1257). Es geht hier nicht um Ängstlichkeit, sondern darum, dass der Akt der Taufe und die dadurch vollzogene Übergabe des Kindes an Gott und seine Aufnahme in die Kirche aus sich heraus etwas Drängendes hat.

In dem italienischen Nationalroman "Die Verlobten" von Alessandro Manzoni taucht das junge Pärchen Renzo und Lucia plötzlich vor ihrem Pfarrer auf und erklären ihre Eheschließung. Der Pfarrer hatte sich aus Feigheit gegenüber dem örtlichen Feudalherrn der Trauung entzogen. Wer hat mehr von dem Sakrament der Ehe verstanden, Renzo und Lucia aus einfachem Hause oder wir, die wir oft Jahre unverheiratet zusammenleben, bis wir das Geld für eine große Hochzeit gespart haben? Kann das Sakrament der Ehe nicht auch etwas Drängendes haben? „Der Geschlechtsakt […] außerhalb der Ehe ist stets eine schwere Sünde und schließt vom Empfang der heiligen Kommunion aus“ (KKK 2390) heißt es im Katechismus der katholischen Kirche.

Dieses Sakramentenverständnis ist bei uns nur noch die Ausnahme. Das muss man zunächst einmal so nehmen wie es ist. Niemand soll abgewertet oder verurteilt werden, jeder hat Anspruch darauf, da wo er spirituell steht, verstanden und abgeholt zu werden. Die Kirche hat das Recht, bei der Taufe und Eheschließung eine Vorbereitungsphase zu verlangen. Dennoch sollte man sich überlegen, welche Botschaft man den Gläubigen, nah- oder fernstehend, mit der neuen Corona-Regelung gibt.

Das Coronavirus ist nicht Ebola, kein Killervirus, kein Kriegszustand, keine Naturkatastrophe. Die Menschen gehen weiter zur Arbeit, gehen einkaufen, dürfen sich nach wie vor in kleinen Gruppen draußen und in ihren Wohnungen treffen. Kirchlicherseits ist es möglich weiter täglich an der Eucharistiefeier teilzunehmen. Es ist für die Gläubigen nicht nachvollziehbar, warum Gottesdienste besucht werden können und standesamtliche Trauungen möglich sind, die Kirche es aber nicht ermöglichen kann, unter gewissen Auflagen, die meist bereits geplanten Taufen und Eheschließungen zuzulassen. Gläubige, die nicht bereit sind, die Bedingungen zu akzeptieren, könnten ja dann von sich aus diese Termine verschieben. Für etwaige familiäre Feiern im Anschluss an Taufen oder Trauungen, ist die Kirche genauso wenig verantwortlich wie Standesämter für das, was nach der standesamtlichen Verheiratung geschieht. Die Gläubigen sind schließlich Staatsbürger, die sich außerhalb der Kirchengebäude in Eigenverantwortung an die allgemeinen Bestimmungen halten müssen.

Die in der Bischöflichen Corona-Regelung enthaltene, implizite Botschaft über die Bedeutung der Taufe und sakramentalen Eheschließung ist zumindest problematisch. Sie ist mit dem katholischen Verständnis dieser Sakramente nur schwer vereinbar. Für die einen kann diese Regelung eine weitere Schwächung des Glaubens bedeuten, für die anderen ein Ärgernis. Vielleicht hilft es uns auch, in diesem Zusammenhang einmal an die Umstände zu denken, in denen unsere Brüder und Schwestern im Nahen Osten bereit sind, die Sakramente zu empfangen.


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