Schneller umgefallen als Dominosteine

20. November 2020 in Kommentar


Wie die österreichischen Bischöfe die öffentlichen Gottesdienste wieder abschaffen - ohne Notwendigkeit. Kommentar von Roland Noé


Wien (kath.net)
Gab es vor wenigen Tagen noch die Hoffnung, dass die österreichischen Bischöfe die Lockdown-Maßnahmen vom Frühjahr nicht mehr mitmachen und etwas standhafter agieren, hat sich am Samstag leider gezeigt, dass die Bischöfe noch einen draufgelegt haben, um die Maßnahmen der österreichischen Regierung zu toppen. Noch am Freitag erklärte Erzbischof Franz Lackner in Wien, einen „Corona-Stopp" für Gottesdienste gebe es nur "in extremis". Nur gut 24 Stunden später, nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz ist alles anders. Es gibt jetzt drei Wochen lang keine Gottesdienste für die Gläubigen.

Österreichs Bischöfe sind schneller umgefallen als Dominosteine am Domino-Day. Und das, obwohl Kanzler Kurz die Freiwilligkeit der kirchlichen Maßnahmen betont hat. Es ist schon verrückt: In einer Zeit, in der ohnedies kaum noch Menschen zum Gottesdienst kommen, tragen die Bischöfe aktiv zur dauerhaften Absenz von Gläubigen in den eigenen Kirchen bei. Katholische Gotteshäuser haben stärkere und bessere Schutzmaßnahmen als jeder Supermarkt und haben vergleichsweise übervorsichtig agiert.

In fast allen Kirchen gibt es genügend Platz und genügend Abstandmöglichkeiten. Es gab in keiner einzigen österreichischen Kirche in den letzten Monaten einen Corona-Hotspot. Priester und Gläubige berichten uns, dass auffallend viel weniger Menschen zu den Gottesdiensten kommen als noch vor einem Jahr. Es wäre durchaus möglich gewesen, die Messen auf das Wesentliche zu reduzieren, etwa auf Gesang zu verzichten. Damit könnten Katholiken leben.

Aber Eucharistiefeiern einfach zu streichen sollte für Bischöfe keine Option sein. In Frankreich oder in den USA kämpfen derzeit Bischöfe vor Gericht darum, wieder Gottesdienste feiern zu können. Auch sowas ist möglich. Wie kommt es eigentlich, dass die Kirche sich hier so kampflos anbiedert? Einzelne Pfarrer erzählten uns schon im Frühjahr, dass ihre Pfarren unmittelbar nach dem Lockdown tausende Euros an "Covid-Zahlungen" von der Regierung bekommen hatten. Ein Pfarrer berichtete sogar von 30.000 Euro. Der Lohn dafür, dass die Kirche so brav mitspielt?

Wie auch immer: Faktum ist, dass es kein Verbot der Regierung gibt, an einer Eucharistiefeier teilzunehmen. Und schon im Frühjahr feierten einige Priester alleine die Heilige Messe. Die Türen blieben offen. Manche Gläubige kamen gerade zu dieser Zeit zum privaten Gebet in die Kirche. Und die Eucharistie wurde ihnen nicht verweigert. Es gibt immer Wege. Warum nicht den Gottesdienst als Demo anmelden? Das ist ausdrücklich erlaubt von der Regierung.

„Ich bin zutiefst erschüttert, sie nehmen uns alles!“, kommentierte eine kath.net-Leserin. Sie ist nicht alleine mit ihrer Meinung. Viele Menschen sind derzeit erschüttert über das Verhalten der Bischöfe. Wissen sie eigentlich, was an der Basis los ist? Wo sollen die Menschen Trost und Zuversicht finden? Die Eucharistiefeier ist kein frommes Beiwerk, kein lästiges Anhängsel, keine Folklore am Sonntagvormittag. Sie ist Höhepunkt und Quelle des kirchlichen Lebens.

Die Gläubigen verzichten keineswegs freiwillig darauf. Sie wurden gar nicht befragt.

Bitte, verehrte Bischöfe, agiert in diesen schwierigen Zeiten wie Hoffnungsträger und nicht wie Gefängniswärter, die die Eucharistie hinter Gittern aufbewahren, unerreichbar für die Gläubigen. Das ist ein schwerwiegender Fehler und eine geistliche Katastrophe.

 


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