O Crux, ave, spes unica – O Kreuz, sei gegrüßt, einzige Hoffnung.«

7. April 2023 in Spirituelles


Die Karwoche ist für uns Christen die wichtigste Woche des Jahres. Sie gibt uns die Gelegenheit, die zentralen Ereignisse unserer Erlösung vertieft zu betrachten - Gedanken von Benedikt XVI. zum Karfreitag


Rom (kath.net)

Und so haben wir nun den Karfreitag erreicht, den Tag des Leidens und der Kreuzigung des Herrn. Jedes Jahr werden wir, während wir in Stille vor Jesus stehen, der am Holz des Kreuzes hängt, gewahr, wie liebevoll die Worte sind, die er am Vorabend während des Letzten Abendmahls gesprochen hat: »Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird« (vgl. Mk 14,24). Jesus wollte sein Leben als Opfer zum Nachlaß der Sünden der Menschheit hingeben. Wie vor der Eucharistie wird angesichts des Leidens und des Todes Jesu am Kreuz das Geheimnis für unsere Vernunft unergründlich. Wir stehen vor etwas, das aus menschlicher Sicht absurd erscheinen könnte: Ein Gott, der nicht nur Mensch wird mit allen Bedürfnissen des Menschen, der nicht nur leidet, um den Menschen zu retten, indem er die ganze Tragödie der Menschheit auf sich nimmt, sondern der für den Menschen stirbt.

Der Tod Christi erinnert uns an die Anhäufung von Schmerz und Übeln, die auf der Menschheit aller Zeiten lastet: das erdrückende Gewicht unseres Sterbens, den Haß und die Gewalt, die noch heute die Erde mit Blut beflecken. Das Leiden des Herrn setzt sich im Leiden der Menschen fort. Wie Blaise Pascal mit Recht schreibt: »Jesus wird bis zum Ende der Welt im Todeskampf liegen; während dieser Zeit darf man nicht schlafen« (Gedanken, 553). Wenn der Karfreitag ein Tag voller Traurigkeit ist, so ist er dennoch gleichzeitig ein Tag, der sehr dazu geeignet ist, unseren Glauben neu zu wecken, unsere Hoffnung zu stärken sowie den Mut, unser Kreuz zu tragen in Demut, mit Vertrauen und Hingabe an Gott, während wir seiner Hilfe und seines Sieges gewiß sind. Die Liturgie dieses Tages singt: »O Crux, ave, spes unica – O Kreuz, sei gegrüßt, einzige Hoffnung.«

Diese Hoffnung wird in der großen Stille des Karsamstags, in Erwartung der Auferstehung Jesu genährt. An diesem Tag sind die Kirchen schmucklos, und es sind keine besonderen liturgischen Riten vorgesehen. Die Kirche wacht im Gebet wie Maria und zusammen mit Maria, indem sie deren Gefühle des Schmerzes und des Vertrauens in Gott teilt. Richtigerweise wird empfohlen, während des ganzen Tages eine Atmosphäre des Gebets zu wahren, die für die Betrachtung und die Versöhnung förderlich ist; die Gläubigen werden dazu ermuntert, das Sakrament der Buße zu empfangen, um wirklich erneuert am Osterfest teilnehmen zu können.

Die Sammlung und die Stille des Karsamstags werden uns in die Nacht, in die Feier der Osternacht hineinführen, die »Mutter aller Nachtwachen«, wenn in allen Kirchen und Gemeinden die Freude über die Auferstehung Christi ausbrechen wird. Noch einmal wird der Sieg des Lichts über die Finsternis, des Lebens über den Tod verkündet werden, und die Kirche wird sich über die Begegnung mit ihrem Herrn freuen. Wir werden so in die Atmosphäre des Ostertages, des Hochfestes der Auferstehung, eintreten.

Liebe Brüder und Schwestern, bereiten wir uns darauf vor, das »Triduum Sacrum« intensiv zu leben, um immer tiefer am Geheimnis Christi teilzuhaben. Auf diesem Weg begleite uns die heilige Jungfrau, die ihrem Sohn Jesus in der Stille bis auf den Kalvarienberg gefolgt ist, mit großem Leid an seinem Opfer teilgenommen und so am Geheimnis der Erlösung mitgewirkt hat und Mutter aller Gläubigen geworden ist (vgl. Joh 19,25–27). Gemeinsam mit ihr werden wir den Abendmahlssaal betreten, zu Füßen des Kreuzes ausharren, im Geiste neben dem gestorbenen Christus wachen und voller Hoffnung den Morgen des strahlenden Tages der Auferstehung erwarten. Von diesen Gedanken erfüllt, spreche ich euch allen schon jetzt die herzlichsten Wünsche für ein frohes und gesegnetes Osterfest aus, zusammen mit euren Familien Pfarreien und Gemeinschaften.

Die Karwoche ist für uns Christen die wichtigste Woche des Jahres. Sie gibt uns die Gelegenheit, die zentralen Ereignisse unserer Erlösung vertieft zu betrachten. Zu Beginn dieser Audienz haben wir die Verse des bekannten Hymnus aus dem Philipperbrief gehört. Da heißt es, daß Christus sich aus Liebe zu uns erniedrigt, ja gleichsam entleert hat, um mit dem Kreuzestod unsere Schuld auf sich zu nehmen und uns so den Weg zum Himmel zu eröffnen. Diese Intensität der Liebe wird am Gründonnerstag beim Letzten Abendmahl sichtbar. Der heilige Paulus gibt die Worte Jesu wieder, die er offenbar in mündlicher Überlieferung gehört hat: „Das ist mein Leib für euch. Tut dies zu meinem Gedächtnis! ... Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut. Tut dies, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24-25). Christus will mit seinem Leib und Blut bei den Jüngern gegenwärtig sein. In dieser Opfergabe stiftet er einen neuen Bund, mit dem er allen Menschen, gleich welcher Nation und Kultur, nahe sein will. Der grausame Tod Christi, der den Karfreitag überschattet, lenkt unseren Blick auch auf all den Schmerz, den Haß und die Gewalt, unter denen die Welt bis heute leidet. Gerade da wird Christus, der diese zutiefst menschliche Erfahrung bis zum Äußersten mit uns geteilt hat, für uns zur Stütze und zur Quelle der Hoffnung. In dieser stillen Zuversicht gehen wir am Karsamstag der Osternacht entgegen, in der wir den Sieg der Auferstehung Christi über die Finsternis der Sünde und des Todes feiern. (Auszug aus Generalaudienz 2009)

 

 


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