Autor Lütz: Benedikt XVI. wäre gegen seine eigene Heiligsprechung

12. April 2023 in Chronik


Theologe und Ratzinger-Kenner sieht Heiligsprechung von Päpsten eigentlich grundsätzlich kritisch - Aber er gestehe, er habe bei Benedikt immer "den Geruch der Heiligkeit" gespürt


Feldkirch  (kath.net/KAP/red) Der deutsche Theologe und Buchautor Manfred Lütz ist davon überzeugt, dass Benedikt XVI. selbst gegen seine eigene Heiligsprechung wäre. Der am Silvestertag verstorbene ehemalige Papst habe mit "Personenkult" nicht viel anfangen können, sagte der Theologe und Psychiater in der "Vorarlberger KirchenBlatt" (aktuelle Ausgabe). Andererseits sei man jetzt in der "merkwürdigen Situation, dass im 20. Jahrhundert die Hälfte der Päpste heiliggesprochen ist, sodass es fast eine Diskriminierung darstellt, wenn ein Papst mal nicht heiliggesprochen würde", gab Lütz zu bedenken.

Es gebe Historiker, die grundsätzlich gegen die Heiligsprechung von Päpsten seien "und die Argumente überzeugen mich", so Lütz. "Eine Heiligsprechung erhebt gewöhnlich einen weltweit ganz unbekannten Menschen als Vorbild für die Weltkirche 'zur Ehre der Altäre'". Bestes Beispiel sei der heilige Bruder Konrad, der in Altötting sein Leben lang an der Klosterpforte saß. Päpste hingegen seien ohnehin weltweit bekannt und wenn sie ein eindrucksvolles, vorbildliches Leben führten, bekämen das alle mit, so der Theologe.

Papst Johannes Paul II. wäre etwa "sicher genauso verehrt, wenn er nicht heiliggesprochen worden wäre", zeigte sich Lütz überzeugt. Andererseits müssten Päpste auch schmerzliche Entscheidungen fällen, die manche Menschen vielleicht sogar verletzen. "Diesen Menschen kann man die Heiligsprechung dann kaum verständlich machen." In seinem Buch berichte Lütz von einer Szene nach seinem Rücktritt, "wo Papst Benedikt mir auf dem Tisch noch einige Erinnerungsfotos von sich zeigte und sagte, ich könne mir da eins mitnehmen und sich dann unterbrach mit den Worten: 'Ach lassen Sie das besser, dieser Personenkult ist doch schrecklich!'."

Der Ruf als "Panzerkardinal" sei hingegen ein "Zerrbild" des Wirkens Ratzingers und späteren Papsts Benedikt, sagte Lütz. Das in München erstellte Gutachten, das Ratzinger Fehlverhalten im Umgang mit dem Missbrauch beschuldigten Priestern in seiner Zeit als Münchner Erzbischof vorwirft, bezeichnete er als Teil einer Kampagne gegen den Ex-Papst. So hätten die Anwälte "auf Kosten von Papst Benedikt einen medialen Knaller landen" wollen, was ihnen auch gelungen sei. "Doch in Wirklichkeit hatte der ganze Kanonendonner überhaupt keine Substanz. Es war ihnen nicht gelungen, in auch nur einem einzigen Fall aus den Akten zu belegen, dass Joseph Ratzinger überhaupt Kenntnis von einem Missbrauchsfall hatte."

In Wahrheit sei Ratzinger, bekundete Lütz, "vielleicht der Mensch, der in der katholischen Kirche am meisten gegen Missbrauch unternommen hat. Ich habe mit ihm 2003 den ersten vatikanischen Missbrauchskongress organisiert und da stand er mit seinem Aufklärungswillen gegen die gesamte Kurie."

Was von Benedikt bleibe, sei besonders sein theologisches Vermächtnis, das sich in seinen Jesus-Bänden kumuliere. Lütz: "Er war von Herzen Theologe, alle Ämter hat er nur zähneknirschend aus Pflichtbewusstsein übernommen." Auch wenn er grundsätzlich gegen die Heiligsprechung von Päpsten sei, müsse er offen gestehen, "dass ich bei Ratzinger immer 'den Geruch der Heiligkeit' erlebt habe". Benedikt XVI. habe stets eine "heitere Unbefangenheit" gehabt, sei nie verbittert gewesen und habe niemals verächtlich über andere geredet.

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