Papst Paul VI. besuchte 1964 das Heilige Land – „Mögen die Herrscher unseren Schrei hören“

4. Jänner 2024 in Chronik


60 Jahre päpstliche Friedensbemühungen für das Heilige Land. Gastbeitrag von Elmar Lübbers-Paal


Vatikan (kath.net) Vor 60 Jahren, vom 4. bis 6. Januar 1964 besuchte Papst Paul VI., als der erste Papst der Kirchengeschichte, das Heilige Land. Diese Reise ist der Startschuss für etliche Auslandsreisen zu Gunsten von Friedensbemühungen – auch für spätere Päpste.

Papst Paul VI. ist kein zögerlicher Papst. Als 262. Nachfolger Petri kündet er, nach gerade mal sechs Monaten im Amt, eine Auslandsreise an, die es in sich haben wird. Als Pilger und Friedensfürsprecher möchte er die Stätten Jesu aufsuchen. Auch die extrem kurze Vorbereitungszeit von nur vier Wochen spricht für die Entschlossenheit dieses Papstes.

m dichten Nebel landet am 4. Januar 1964 das Flugzeug mit Paul VI. in der palästinensischen Stadt Amman. Hier begrüßen ihn, wie es das Protokoll für einen Staatsoberhaupt vorsieht, 21 Salutschüsse. Für den dreitägigen Staatsbesuch hat sich der Papst viel vorgenommen: Wallfahrtsziele sind dabei Jerusalem, Nazareth, Jordan, Berg Tabor, der See Genezareth und Betlehem. Für die Sicherheit des vatikanischen Staatsoberhaupts in Jordanien bürgt König Hussein persönlich, der alle Sicherheitsmaßnahmen anordnet und koordiniert. Nach einer Autofahrt zum Jordan, in dem Jesus von Johannes getauft worden ist, geht die Fahr weiter nach Jerusalem.

Ganze zwanzig Minuten bleibt der Papst in seiner Limousine gefangen, nachdem sich Gläubige und Schaulustige am Damaskustor den Weg durch die Absperrung bahnten und das Auto dicht an dicht umdrängten. Nur mit Hilfe von Einsatzkräfte konnte der Papst das Auto verlassen und auf der Via Dolorosa zur Grabeskirche ziehen. Auch hierbei gab es sicherheitsgefährdende Massenaufläufe und es kam auch zu Handgemenge. Reporter verglichen diesen Gang sogar mit einem Straßenkampf. Es gab etliche Verletzte.

Während seines Besuchs in Nazareth und Galiläa erläutert Paul VI. sein Reiseziel: "Als Pilger des Friedens bitten wir vor allem um die Versöhnung der Menschen mit Gott, um wirkliche Harmonie zwischen allen Menschen und allen Völkern. Wir wollen unseren Gruß, unser Gebet, unseren Wunsch so zusammenfassen: Schalom, Schalom.“ Mit dieser Aussage vermeidet er eine politische Stellungnahme zu den Begrüßungsworten des israelischen Präsidenten Salman Shazar, der Jerusalem als die Hauptstadt Israels bezeichnet und das Existenzrecht Israels unterstreicht.

Der Heilige Vater ist sich bewusst, dass jedes seiner Worte und jede halbwegs deutungsvolle Geste von den begleitenden 1.400 Journalisten und Fotografen genauestens festgehalten werden wird.

Ein großer ökumenischer Erfolg dieser Reise ist die Versöhnung zwischen West- und Ostkirche. Während des Treffens zwischen Paul VI. und dem Oberhaupt der Orthodoxen Kirche, dem Patriarchen von Konstantinopel, Athinagoras, beten beide gemeinsam auf griechisch. Der Heilige Vater unterstreicht nicht nur die Verbundenheit mit Konstantinopel, sondern bezeichnet seine Zusammentreffen mit dem ostkirchlichen Oberhaupt sogar als die „Umarmung seines Mitbruders“.

Nach der in Latein gefeierten Frühmesse um 6 Uhr am Fest der Erscheinung des Herrn / Heilige Drei Könige in der Geburtskirche richtet sich zum Abschluss seiner Wallfahrt das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche an alle Menschen guten Willens mit dem dringenden Friedensappell: „Mögen die Herrscher diesen Schrei aus unserem Herzen hören und ihre Bemühungen fortsetzen, um den Frieden zu sichern, nach dem die Menschheit so innig strebt… Mögen sie die Welt um jeden Preis vor den Qualen und Schrecken eines neuen Weltkriegs bewahren, dessen Folgen unberechenbar wären. Mögen sie noch enger zusammenarbeiten, um Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Liebe zu verbreiten!“

Diese Friedensbotschaft des Stellvertreters Christi geht von Betlehem aus in alle Welt, denn gleichzeitig werden mehr als 200 Telegramme an Regierungschefs und einflussreiche Organisationen versandt.

Zwar hat die Friedensmission von Paul VI. nicht zu einem dauerhaften Frieden im Heiligen Land geführt, doch begann mit ihr ein vertiefender Blick der Kirche auf das Judentum und eine von seinen Nachfolgern fortgeführte Auseinandersetzung mit den Problemen des Heiligen Landes. Zeugnisse dafür sind auch die Besuche der Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus in Betlehem, dem Geburtsort ihres und unseres Religionsstifters, Jesus Christus.

Foto: Papst Paul VI., Berg Tabor, 1964 (c) Wikipedia/National Library of Israel/Gemeinfrei


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