Fiducia supplicans: Die KONFUSION zur KONFUSION

19. Jänner 2024 in Kommentar


Gedanken eines interessierten Gläubigen zur "ERKLÄRUNG zur ERKLÄRUNG" – 'Segen' im Verständnis von 'Zuspruch von Heil' – Gastkommentar von Andreas Roerig


Linz (kath.net) Gut, im Sinne von dem Inhalt angemessener, und gerne hätte der jüngsten Erklärung aus Rom auch der folgende Titel gestanden: "Handreichung zur Förderung der Unordnung der pastoralen Begleitung von Menschen in sündhaften Verbindungen".

Einige Gedanken dazu:
Der "Fürst dieser Welt" weiß natürlich um das besonders breite Einfallstor, das das Mitgefühl des Menschen einem anderen gegenüber darstellt. Als "Albicelesti" im Vatikan haben Papst Franziskus und Präfekt Fernández vor ihren beider geistigen Augen ablaufende Filmschnipsel mit nach Rom gebracht, die eine Vielzahl unterschiedlicher Situationen von existenzieller Not zeigen, die sie seit früher Kindheit kennen und prägten, die auf diesem ihren Kontinent viel gewöhnlicher sind und auswegloser erscheinen als solche im fernen, reichen Westen der nördlichen Hemisphäre (sehr wohl im Bewusstsein der Herkunft ihrer Vorfahren und ihrer Kultur). Tragische Schicksale, die stets großes Mitgefühl erregen und an denen die Kirche ihr Gebot der Nächstenliebe auch bitte schön konkret praktizieren soll. Diese verzweifelten Menschen bedürfen ganz besonders jeglichen Zuspruchs, materiellen wie geistigen, egal wie ihre Situation auch aussehen mag (Erkl. zu FS Punkt 5). Suchen sie Zuspruch von Heil von einem Geistlichen, ist es ihre willentliche Hinwendung zu Gott, die ihn umso mehr verdient. Bereits bei seiner ersten Generalaudienz mahnte Papst Franziskus bekanntlich an, bis an die "Ränder der Existenz" gehen zu müssen, um glaubwürdig Christsein zu leben. Es ist unbestritten sein Programm für dieses Pontifikat.

Ein in der Tat großes Spannungsfeld zum akademisch-theologisch-theoretischen Milieu des Westens mit seiner langen, das große Denken und Handeln dieser Welt bestimmenden Geistesgeschichte, in der sich eben auch das katholische Lehramt entwickelte und gedieh. Eine gewisse Konditionierung und Voreingenommenheit sind somit beiden Südamerikanern nicht zu verdenken. "Denken" im großen Stil muss man sich eben auch leisten können. Der Kirche im Westen mangele es an Sensibilität für eine gebührende Situationsethik, so wohl ihre feste, aber dennoch äußerst gewagte Überzeugung (FS 25.). Jeder einzelne Mensch, insbesondere in tragischer Situation, bedarf der liebenden Zuwendung. Diese zu schenken, war bekanntlich das Markenzeichen der allerersten Christen und ist es bis heute.

Dennoch, die Schlussfolgerung beider: es bedarf endlich neuer, konkreter Schritte, um diesen Menschen, ungeachtet der Konstellationen, in denen sie leben, ganz ausdrücklich zu versichern, dass die Kirche, die stets vorgab auf ihrer Seite zu sein, dort auch tatsächlich steht.      
 
Ihre tiefe Prägung und Betroffenheit lassen Papst Franziskus und seinen Landsmann dabei aber vergessen, dass die allein auf das Seelenheil abzielenden Weisungen des Herrn ausnahmslos für jeden gelten, unabhängig von seinem persönlichen Schicksal oder seinen Vorlieben, so unverständlich dies der "Welt" auch erscheinen mag. Auch die Ehebrecherin lebte in einer verzweifelten Situation und wusste keinen anderen Ausweg mehr für ihr Selbstwertgefühl, und dennoch befahl ihr der Herr, so eben nicht mehr weiterzumachen. Tatsächlich nimmt Jesus immer wieder die materiell Armen in seinen Blick und ermahnt die Reichen zum materiellen Teilen. Es ist kein Wort unseres Herrn bekannt, dass für die Armen und Ausgegrenzten andere, ihrer Lebenssituation angepasste Gebote und Weisungen für die Erlangung ihres Seelenheils gelten.

Solche, allein einem Pragmatismus entsprungene Schritte, deren Umsetzung zudem von großer Ungeduld begleitet ist, laufen große Gefahr von weiten Teilen der Weltkirche als herrischer Akt oder als verzweifelt wirkender Aktionismus wahrgenommen zu werden, umso mehr, wenn ihnen zudem gänzlich das tragende (theologische) Fundament fehlt. Damit aber sind sie früher oder später zum Scheitern verurteilt. Schlimmstenfalls würde ihrem Urheber gar List unterstellt, und List ist immer das Skalpell der Spaltung.

"Schnellimbiss"-Segnungen, die maximal 10 - 15 Sekunden dauern dürfen, am besten in der Anonymität großer Wallfahrten, bloß nicht nach außen hin den Anschein erwecken, hier ist eine große Revision der katholischen Ehelehre und Sexualmoral im Gange (genau das passiert aber), sind Ausdruck exakt dieser Gefahr. Was soll dieses hochpeinliche Versteckspiel? Zumindest die Aufmerksamen unter den Betroffenen dürften genauso denken.

Tatsächlich fällt schnell auf, dass die Erklärung sehr bemüht ist um die rechte Außenwirkung ihrer Neuerung. Wahres, Gottgewolltes, bedarf dieser Anstrengung eigentlich nicht.

Reden wir Tacheles. Neu angeboten wird eine Art "abgestufter Segen", abgestufter 'Zuspruch von Heil' für ein Paar, also für eine Verbindung (auch wenn die Erkl. zu FS Punkt 2 zwischen Paar und Verbindung aus nicht näher erkennbaren Gründen trennt, Zitat: "Die Erklärung enthält den Vorschlag einer kurzen Segnung […] von Paaren in irregulären Situationen (nicht Verbindungen), … ").

Unklar, ob dabei der Zuspruch oder das Heil oder eben beides fraktioniert bleiben soll – halb(herzig)er Zuspruch oder halbes Heil, was soll das sein? Vertrauen hinsichtlich der Gewissheit des Angenommenseins schafft das jedenfalls für die Betroffenen nicht.

Heil aber kann im Fall einer irregulären Verbindung diese ohnehin niemals werden. Weil sie aus der Schöpfungsordnung herausfällt und außerhalb dieser nichts heil sein und werden kann. Heil kann dagegen jeder einzelne des Paares werden, weil jeder einzelne eine Bestimmung zum ewigen Heil hat. Dazu aber muss zunächst das fleischliche Einswerden willentlich aufgegeben oder eben die irreguläre Verbindung gelöst werden, mag es auch noch so schmerzhaft sein. Es geht um nichts anderes als um das Ganze – um das Seelenheil. Die Kirche muss wieder lernen, diese ihre zentrale Aufgabe sehr viel deutlicher zu verkünden. Und genau für das Seelenheil kennt die Kirche bereits ein "Ritual", das im Leben eines Christenmenschen wohl nützlichste, für ihn wie für seine Mitmenschen, nämlich das der Spendung des Sakraments der Versöhnung. Statt jenes "Versteckspiels" wäre es Aufgabe eines jeden Geistlichen, in dem angeführten Beispiel der Wallfahrt den um einen Segen bittenden Partnern zunächst ein Gespräch als Vorbereitung für den baldigen Empfang des Bußsakraments anzubieten.

Insofern wird durchaus der Verdacht geschürt, dass mit FS quasi eine schlaue "Mutation" des Segens angepriesen wird, ein Artefakt, ein den wahren Segen entstellendes "Ritual", das zu Ende gedacht Gott als eigentlichen Urheber des Segens verhöhnt.

Listreich bedient sich der Verfasser der positiv konnotierten Begriffe der Erweiterung, der Weiterentwicklung und Bereicherung (FS 7. u. 31.) und täuscht damit all jene, die um die Möglichkeiten sprachlicher Finessen der Sophisterei nicht wissen.

Es hat erstaunlicherweise eine ganze Weile gedauert, bis die "Betrogenen" gemerkt haben, wie sie "betrogen" werden sollen. Zu sehr sind die Medien in ihrem Sensationshunger und ihrer Gier nach Revision der katholischen Sexualmoral gefangen, als dass sie die Mogelpackung für die Betroffen, für deren Anwälte sie sich ja gerne aufspielen, als solche sofort hätten erkennen können.

Eine klassische "Lose-lose-Situation" für alle.  
Da sind zunächst die dem "alten" Lehramt die Treue Haltenden, für die der Paradigmenwechsel Häresie ist. Ein "abgestufter" Segen bzw. seine "neue" Hermeneutik ist Sophisterei. Recht haben sie. Dann diejenigen derselben Fraktion, die zunächst das listige "Versteckspiel" von FS nicht erkannt haben und die Erklärung gar bekräftigten. Nach den vielen ablehnenden Wortmeldungen vieler Bischöfe und anderen Geistesgrößen dürften jene aber nun eine selbstkritische Nachbetrachtung anstrengen.

Und dann auch nicht zu vergessen die, die die katholische Kirche als die wahre Kirche erkannt haben und vielleicht sogar vor der Entscheidung stehen, um Aufnahme zu bitten. Sie könnten nun Verunsicherung erfahren.

Ganz große Verlierer aber sind die den "Segen" Fordernden. Sie bekommen ihn nicht so ausgestaltet und mit der Intention, wie sie sich ihn wünschen. Und wie bereits erwähnt, ebenso hoch verloren haben die ihnen wohlgesonnenen (kirchenfeindlichen) Medien, denen eines ihrer großen Geschäftsmodelle, nämlich Muliplikatoren für Empörung und Schadenfreude gegen konservative Positionen in der Gesellschaft zu sein, jetzt um die Ohren fliegt, weil sie vorschnell meinten, einen großen Etappensieg im Kampf gegen die "homophobe" und "sexfeindliche" Katholische Kirche verkünden zu müssen.
 
Bleiben noch als de facto größten Verlierer der Verfasser und mit ihm auch der Genehmigende – mutmaßlich der Initiator. Denn sie offenbaren mit der Erklärung ihre theologischen (und intellektuellen) Unzulänglichkeiten, die in Relation zu den Herausforderungen einer hochkomplexen und zugleich gottvergessenen Welt und ihrer Ausprägung wohl noch vor wenigen Jahren undenkbar waren und eine Eignung für das jeweilige Amt nun höchst zweifelhaft erscheinen lassen. Mehr noch, diese umgekehrt jeweils schwer beschädigen. Es seien hier nur zwei große Mängel in der "Erklärung zur Erklärung" genannt, die für jeden Gläubigen und interessierten Leser unmittelbar erkennbar sind.

So wird in Punkt 3 zunächst das Einknicken der Kirche vor der "Welt" auf traurige Weise sichtbar. Der Verfasser erinnert an staatliche Gesetzgebungen, die das Verbot homosexueller Beziehungen vorsehen und begründet damit die dortige Unmöglichkeit der "neuen" Segnung. Offensichtlich zollt der Präfekt der staatlichen Gewalt mehr Respekt als dem Wort Gottes, das schließlich zuerst, d.h. vor aller staatlichen Gewalt, praktizierte Homosexualität (und Ehebruch) verurteilt hat und ausnahmslos allen gilt. Warum wird hier nicht auf die Hl. Schrift rekurriert, als die für alle Christen bindende Autorität? Ärzte, die Abtreibungen aus Glaubensgründen verweigern, berufen sich auch darauf. Es gilt doch Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.  

Vollends offenbar wird die mangelhafte Befähigung, insbesondere des Präfekten für sein Amt, sodann unter Punkt 5. Der Verfasser erklärt sich um Kopf und Kragen, bemüht eine Argumentation, die ein Leichtes zu entkräften ist. Denn "Wenn zwei Personen [als Paar] gemeinsam herantreten, um einen Segen zu erbitten", dürften sie i.d.R. zuerst einen Segen für ihre gegenseitige Liebe (die Fürsorge und eben Intimitäten gleicherweise einschließt) wollen und dann erst für "Friede, Gesundheit und andere Güter", die der Präfekt hier aber als alleinige Früchte des Segens vorzugeben versucht. Für wie einfältig hält er seine Adressaten? Hier macht er sich selbst etwas vor. Umso mehr, wenn er dann schreibt: "Gleichzeitig bittet man darum, dass sie das Evangelium Christi in voller Treue leben mögen und dass der Heilige Geist diese beiden Personen von allem befreien möge, was nicht seinem göttlichen Willen entspricht und alles, was der Reinigung bedarf." Das falsche Tun aber gehört gebeichtet, von jedem einzelnen, mit dem festen und glaubwürdigen Vorsatz, die Sünde nicht zu wiederholen. Es bleibt dem Paar also nur wie Geschwister enthaltsam nebeneinander zu leben (KKK 1650) oder eben umgehend die Trennung herbeizuführen! Das aber ist nie die Intention der Macher von FS gewesen. Denn weiter heißt es: "Deshalb stellt der Priester in diesem Fall keine Bedingungen und will auch nichts über das Intimleben dieser Menschen erfahren." Die einzige "Antwort eines Hirten auf die Bitte zweier Menschen um Gottes Hilfe" kann demnach nur sein, beiden das Sakrament der Versöhnung spenden zu können. Ein wie auch immer gearteter "Segen" kann das niemals. Infolgedessen ist das von ihm angeführte Beispiel mit der vorgeschlagenen Segensformel: "... Befreie sie von allem, was deinem Evangelium widerspricht, und gib ihnen, dass sie nach deinem Willen leben. Amen." schlicht Hohn Gott gegenüber, der der eigentliche Urheber des Segens ist und der eine "Quadratur des Kreises" in seiner Schöpfung nicht vorgesehen hat. Aber auch auf rein menschlicher Ebene wäre eine solche Segensformel in gleicher Weise schlicht Hohn gegenüber den Adressaten, die ihren gemeinsamen(!) Lebensweg ja "gesegnet" wünschen.
 
Die "Erklärung zur Erklärung", und damit will ich schließen, erinnert doch ein wenig an die aus größter Not geborene zweite Lüge eines Kindes, die es erzählt, um seine aus großer Not begangene erste zu verteidigen. Nach dieser Betrachtung kann leider nur das Eingeständnis bleiben, dass etwas Undenkbares Realität geworden ist. Evidenter Dilettantismus im wichtigsten, das Depositum fidei sichernde Dikasterium. Den Vorsitz der Kongregation für die Glaubenslehre war einst den größten Intellektuellen in der katholischen Kirche vorbehalten. Man denke nur an das intellektuelle Gipfeltreffen von Joseph Ratzinger mit Jürgen Habermas. Nur 20 Jahre später bekleidet dieses Amt ein Geistlicher, der nicht nur gänzlich und für jedermann sichtbar damit überfordert ist, sondern mehr noch, dessen Eignung als Priester überhaupt inzwischen höchst zweifelhaft ist.

Es bleibt letztlich nur die sofortige Rücknahme dieser, in eine päpstliche Erklärung gefassten "Konfusion", von der man sich heimlich wünscht, sie war zur geistigen Auflockerung in schweren Zeiten als ein vorgezogener, sehr schlechter Aprilscherz zu Weihnachten gedacht.  

Alle Bischofskonferenzen Afrikas sind bereits entschlossen vorausgegangen und lehnen 'Fiducia supplicans' ab. Ein künftiger Papst und Präfekt aus diesem Kontinent dürften einst eine ungleich größere Zahl von "Filmschnipsel" großer Nöte mit nach Rom bringen. Doch anders als ihre Vorgänger werden sie den klaren Willen Gottes nicht weiter hinterfragen und ihn nicht mit jesuitischer Schläue zu hintergehen versuchen.

 


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