16. August 2005 in Aktuelles
Die Predigt von Bischof Franz-Josef Bode bei der Eröffnungsfeier in Bonn im Wortlaut
Die Lampe Gottes war noch nicht erloschen, und Samuel schlief im Tempel des Herrn. Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen.
Das Licht Gottes, meine lieben jungen Freunde, erreicht uns Menschen sehr unterschiedlich. Samuel wird davon getroffen in einer Zeit, da nicht viel zu erwarten ist: Eli, der Hohepriester, ist alt und schwach geworden, Worte des Herrn sind selten, und Visionen nicht häufig. Eine Zeit, wie wir sie im Europa unserer Tage ähnlich erleben: wenige zündende Worte, wenige wirklich herausfordernde Visionen, wenige Persönlichkeiten, die Orientierung bieten, wenig Licht für den weiteren Weg. Das gilt im Leben der Kirche und der Gesellschaft wie auch für viele Einzelne. Gerade jungen Leuten wird die Lebensperspektive verstellt durch Arbeitslosigkeit und tiefgreifende Zukunftsängste. Dazu kommt, dass sie bei dem Lärm auf dem bunten Markt der Möglichkeiten nur schwer die Stimme Gottes von anderen Stimmen unterscheiden können.
Und dennoch: Gerade in dieser in Europa zu altern scheinenden Kirche ruft Gott unaufhörlich und immer wieder. Er lässt uns nicht schlafen, wenn wir wegen der vielen negativen Erfahrungen erschöpft die Augen schließen wollen oder wenn wir, von der ermüdenden Vielzahl der Angebote übermächtigt, eingeschlafen sind. Er gibt nicht auf zu rufen, uns beim Namen zu rufen wie Samuel, uns zu rufen bei der Einmaligkeit unserer Lebensgeschichte, unserer Gaben und Fähigkeiten und auch unserer Schwächen und Fehler:
Er ruft in der Sehnsucht junger Menschen nach dem Größeren;er ruft durch Menschen, die uns durch ihr glaubwürdiges Leben aufwecken;er ruft uns durch Begegnungen wie diese hier;er ruft uns durch das Erstaunen über seine Schöpfung;er ruft uns in der Stille und Verborgenheit, in der wir ganz offen werden für ihn;er ruft uns durch die Durchkreuzungen unseres Lebens;er ruft uns durch sein Wort, das wir immer wieder lesen und hören;er ruft uns vor allem in der Feier der Eucharistie und in den Sakramenten, im Sakrament der Versöhnung.
Manchmal braucht es lange, bis wir Menschen finden, die uns helfen, diesen Ruf zu deuten. Auch der alternde Eli hat lange gebraucht, um die Stimme des Herrn zu erkennen, die nicht ihm, dem erfahrenen Gottesmann galt, sondern einem anderen, einem jungen Menschen: Samuel.
Aber es gibt auch andere alte, erfahrene Menschen, die uns für die Stimme Gottes öffnen und geöffnet haben wie Papst Johannes Paul II., der gerade im Alter die jungen Menschen wach gemacht hat und selbst nicht müde geworden ist, sie aufmerksam zu machen für die Stimme Gottes. So spricht uns dieser Papst auch heute von woanders her zu: Wenn ER euch ruft, dann steht auf und antwortet: Rede, Herr, Dein Diener hört!
Lassen wir uns auch von seinem Nachfolger, Papst Benedikt, dazu ermutigen, eben nicht zu antworten, wie wir es gerne tun: Höre, Herr, Dein Diener redet!, sondern uns in aller Offenheit einzulassen auf die oft leise und unaufdringliche, aber doch nicht nachlassende Stimme Gottes.
Ist es nicht schön, dass Gott uns viele Chancen dazu gibt, dass er geduldig bleibt, auch wenn wir mehrere Male eingeschlafen sind, und uns letztlich doch Menschen begegnen lässt, die uns helfen, SEINE Stimme zu hören und zu beantworten?!
Liebe Jugendliche, ihr seid die Samuels, die ,Gotthörer, inmitten unserer guten alten Kirche. Durch euch bleibt die Kirche jung. Papst Benedikt sagt: Die Kirche lebt. Und die Kirche ist jung. Sie trägt die Zukunft der Welt in sich und zeigt daher auch jedem einzelnen den Weg in die Zukunft. Die Kirche lebt wir sehen es, und wir spüren die Freude, die der Auferstandene den Seinen verheißen hat. Die Kirche lebt sie lebt, weil Christus lebt, weil er wirklich auferstanden ist (Papst Benedikt XVI. in der Predigt zu seiner Amtseinführung am 24. April 2005).
Die Lampe Gottes ist noch nicht erloschen. Und ihr zeigt in diesen Tagen der ganzen Kirche und der ganzen Welt, dass sie lebt und dass junge Menschen bereit sind, auf Gott zu hören: Rede, Herr, Dein Diener hört!
Und dann sind da die drei Sterndeuter aus dem Osten, die aufgebrochen sind zu einem langen Weg, um den Herrn zu suchen. Die Tradition macht sie zu Königen. Trotz Wohlstand, Besitz und Macht sind sie noch des Aufbruchs und der Suche fähig. Denn sie sind wach für die Zeichen der Zeit, für die Zeichen in ihrem Leben, die Gott ihnen schenkt. Ganz anders als bei dem schlafenden Samuel, wo Gott sich in der Stille des Tempels hören lässt, lässt Gott sich hier sehen in einem Stern, der ihrer Aufmerksamkeit für die Wirklichkeit und ihrer Sehnsucht nach dem Größeren nicht entgeht.
Aber auch die Sterndeuter finden nicht sofort, sondern brauchen einen langen Weg, um durch Höhen und Tiefen, durch Meere und Wüsten mit manchen Begegnungen dem Größeren auf die Spur zu kommen. Ihre echte Bereitschaft aufzubrechen und ihr zäher Wille, die Suche nicht aufzugeben, treiben sie an: Wo ist er, der ganz Neue, dessen Licht, dessen Stern wir gesehen haben? Wo ist er in unserer Welt, in unserem Leben? Wo und wie können wir ihn finden inmitten der großen und anziehenden Bilder der Welt, aber auch inmitten des Leidens und der Not, die Menschen durchmachen müssen? Wo ist ER?
Deshalb brechen sie auf, verlassen ihr gewohnte Umgebung, lassen sich auf große Unsicherheiten ein und kommen. Sie kommen, so wie sie sind mit ihren Gaben und Fähigkeiten, ihren Schätzen, aber auch mit Unsicherheiten und Ängsten, mit ihren Fragen und ihrem Suchen. Sie kommen. Und das, liebe junge Freunde, habt auch ihr in großer Zahl getan: Ihr seid gekommen, um den ganz Neuen, den ganz Anderen, den Christus zu suchen und zu finden. Ihr seid gekommen aus über 160 Ländern der Erde, seid gekommen in unser Europa, in unser Land, wo Christus manchmal nicht ganz leicht zu finden ist und man den Stern aus dem Auge verlieren kann, weil der Himmel über uns so hell ist von anderen Lichtern der Reklame und des Marktes, weil wir so oft die Nacht zum Tag machen, dass die Sterne nur schwer zu entdecken sind.
Doch wir hier in Deutschland werden für euch nicht ,Jerusalem, nicht Herodes und nicht die Schriftgelehrten sein, die zwar wissen, wo Christus zu finden ist, aber selbst nicht aufbrechen, sondern bei sich, ihrer Macht und ihrem Wissen bleiben. Nein, wir hier in Deutschland wollen mit euch gehen, wollen mit euch aufbrechen, wollen mit euch suchen und finden, wollen mit euch uns orientieren an dem Stern, den Gott uns zeigt, und wollen mit euch nach Bethlehem gehen, um Christus zu finden, den menschgewordenen Gott, den Gott, der nicht in der Ferne und in der Fremde bleibt, sondern uns so nahe kommt, dass er sogar selbst ein Kind, ein Mensch wird.
Mit euch wollen wir Ausschau halten nach den heutigen Licht-Zeichen Gottes in unserer Kirche und in unserem Leben. Mit euch wollen wir das Fragen und Suchen nicht aufgeben Wo ist ER? , auch wenn wir Menschen begegnen, die uns nicht gut wollen. Mit euch werden wir in diesen Tagen Christus begegnen in den großen Gottesdiensten und Begegnungen, aber ebenso in den kleinen Gruppen und in der Verborgenheit der einzelnen und intensiven Begegnung mit IHM.
Wir danken euch, dass ihr gekommen seid, dass ihr dem Stern der Einladung durch den Heiligen Vater gefolgt seid, dass ihr euch habt rufen lassen wie Samuel und euch habt herausrufen lassen für einen solchen Weg wie die drei Könige.
So wird in diesen Tagen sichtbar und erlebbar, was Kirche ist: Volk Gottes unterwegs und Leib Christi, wie die 2. Lesung ihn eben so eindrucksvoll beschrieben hat.
Leib Christi: in der Einheit des Leibes und der Verschiedenheit der Glieder;Leib Christi: in der Buntheit der Berufungen und der Suchbewegungen zu Gott hin;Leib Christi: in der Frische und Ursprünglichkeit junger Menschen.
Alle sind wir aufeinander angewiesen, weil niemand allein seinen Weg mit Christus und mit Gott gehen kann, sondern es eine große Gemeinschaft braucht für den Weg des Glaubens und der Berufung. Denn keinem gab Gott alles, und keinem gab er nichts, so heißt es in einem unserer Gebete in Deutschland.
Wo die Netzwerke des Hasses, der Gewalt, des Terrors, des Unheils und auch die Netzwerke einer rein wirtschaftlichen Globalisierung übermächtig werden, da ist um so notwendiger das Netzwerk des Heils und des Friedens, das die weltweite Kirche spannt, verbunden mit allen Christen (auch verschiedener Konfessionen) und allen Menschen guten Willens, die in den Religionen und manchmal auch außerhalb davon auf dem Weg zum größeren Gott sind.
Liebe junge Freunde, wir alle brauchen einander, brauchen die kleine persönliche Welt und die Weltweite der Kirche. Und die weltweite Kirche braucht die Gaben und Fähigkeiten jedes Einzelnen. Stärken wir uns gegenseitig im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe. Denn die Lampe Gottes ist nicht erloschen, SEIN Stern leuchtet auch heute, und ER lässt sich auch heute finden von denen, die aufbrechen und kommen, IHN zu suchen und zu finden, IHN, Christus, den menschgewordenen Gott in unserer Mitte.
Noch einmal: Herzlich willkommen zu diesem Fest des Glaubens!
Amen.
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