24. Oktober 2005 in Chronik
Ein Kommentar von Gabriele Kuby zu dem Pro-Harry-Potter-Buch von P. Walthard Zimmer
KATH.NET dokumentiert einen Leserbrief der Schriftstellerin an die "Tagespost" und bringt dies als eigenen Kommentar.
In der Tagespost vom 11. Oktober 2005 findet sich eine halbseitige, sehr lobende Besprechung des Buches Harry Potter: gut oder böse?. Es handelt sich nicht um die Besprechung meines Buches mit dem Titel Harry Potter gut oder böse (fe-medienverlag, 2003) - dies wurde in der Tagespost nie vorgestellt -, sondern um eine Kampfschrift für Harry Potter von Pater Walthard Zimmer, Priester der Petrusbruderschaft, die im Wesentlichen eine Kampfschrift gegen mein Buch ist. Auch der Untertitel ist ein Plagiat. Er lautete bei meiner ersten Veröffentlichung zu Harry Potter Unterscheidung tut not, bei Zimmer: Unterscheidung tut dringend not. Buchtitel sind rechtlich geschützt, so bald sie in Gebrauch sind. Die Rechtsverletzung stört weder den Autor noch den Rezensenten.Im Vorwort schreibt P. Zimmer, ich hätte den Satanismus-Vorwurf in den Jahren 2002/2003 im deutschen Sprachraum .am heftigsten erhoben. Tatsächlich kommt das Wort in meinem Buch nicht vor. Als Katholikin glaube ich allerdings, dass hinter allen Manifestationen des Bösen die personale Macht des Bösen steht und dass es einen geistlichen Kampf um die Seele des Menschen gibt, den wir Menschen nur bestehen können, wenn wir lernen, zwischen Gut und Böse zu unterscheiden. Ich warne davor, dass die Hemmschwelle zu okkulten Praktiken einge-rissen wird, welche in der Schule für Zauberei und Hexerei tagtäglich praktiziert und gelernt werden.
Der amerikanische Okkultismusexperte Steve Russo sieht einen Zusammenhang zwischen den Verkaufserfolgen von Harry Potter (Gesamtverkauf 300 Millionen Stück in 63 Sprachen) und dem Aufschwung des Wicca-Hexenkultes: Allein im Internet habe sich die Zahl der Seiten, die sich mit Wicca befassen, von einer Million auf 2,8 Millionen fast verdreifacht. (ideaSpektrum 40/2005). Vielleicht verstehen die Millionen jugendlichen Potterleser nicht den Unterschied zwischen der Hexerei und Zauberei in Hogwarts und dem theologischen Sinn von Magie und Fluch, den P. Zimmer auszumachen glaubt. Warum investiert ein Priester der Petrusbruderschaft so viel Zeit und Geld, um auch noch den win-zigsten Widerstand beiseite zu räumen, der den Weg Harry Potters in die Herzen der Jugendlichen behindern könnte? Warum bläst die von mir sehr geschätzte Tagespost dazu die Fanfare?
Nur zu einem Argument möchte ich etwas sagen: Das Liebesopfer der Mutter sei es, welches das Böse besiege. Wissen wir nicht, dass das Böse sich immer in ein Mäntelchen jener Werte kleidet, die gerade hoch im Kurs stehen, in diesem Fall Liebe und Freundschaft? Wenn es auch nur eine Seite unter den siebentausend Seiten gibt, in der Liebe für den Leser nicht ein theoretisches Konstrukt bleibt, son-dern erfahrbar wird, eine Seite, die nicht gleichzeitig mit sinistren Abscheulichkeiten durchsetzt ist, so bitte ich, sie mir zu zeigen.
Für katholische Potter-Apologeten, insbesondere papsttreue Priester, stellt es ein gewisses Ärgernis dar, dass es diesen Brief von Kardinal Ratzinger an mich aus dem Jahr 2003 gibt, in dem der Kardinal eine ernste Warnung vor Harry Potter ausspricht. Nachdem Kardinal Ratzinger Papst geworden war, ging dieses Zitat, aufgespürt von einer kanadischen Zeitung, um die ganze Welt. Wenn man sich mit der Meinung des Papstes nicht auseinandersetzen will, muss man die Worte des Kardinals entwerten und unglaubwürdig machen. Das tut Pater Zimmer auf unlautere Weise.
Der Vorgang war folgender:
Am 20. Februar 2003 schickte ich Kardinal Ratzinger mein Buch, weil ich von Schlagzeilen alarmiert war, in denen es hieß: Vatikan gibt grünes Licht für Harry Potter. Es stellte sich heraus, dass diese Schlagzeilen auf einer privaten Meinungsäußerung von Peter Fleetwood, Berater des Päpstlichen Rates für die Kultur, beruhten und von diesem selbst als reiner Trick journalistischer Willkür bezeichnet wurden. Er hat sich positiv zu Potter geäußert, aber nicht der Vatikan.
Kardinal Ratzinger antwortete mir mit Brief vom 7. März 2003:
Vielen Dank für Ihren freundlichen Brief vom 20. Februar und für das lehrreiche Buch, das Sie beigelegt haben. Es ist gut, dass Sie in Sachen Harry Potter aufklären, denn dies sind subtile Verführungen, die unmerklich und gerade dadurch tief wirken und das Christentum in der Seele zersetzen, ehe es überhaupt recht wachsen konnte.
Ich möchte Ihnen vorschlagen, Herrn Peter Fleetwood [Adresse] direkt zu schreiben und ihm Ihr Buch zuzusenden.
Daraufhin fragte ich Kardinal Ratzinger mit Brief vom 23. März 2003:
Darf ich mich auf Ihr Urteil öffentlich berufen, also Ihren Satz zitieren:
Es ist gut, dass
.recht wachsen konnte.? (s.o.)
Kardinal Ratzinger antwortete mit Brief vom 27. Mai 2003:
Endlich ist dieser Stapel [Briefe] abgetragen, so daß ich Ihnen gern gestatten kann, sich auf mein Urteil über Harry Potter zu berufen.
Da Peter Fleetwood in Radio Vatikan gesagt hatte, es handle sich um einen Standardbrief eines Assistenten, habe ich diese Zitate in einem offenen Brief an Peter Fleetwood auf meiner Homepage vor Monaten veröffentlicht. Bei der intensiven Beschäftigung Pater Zimmers mit meiner Kritik und der weit verbreiteten Wiedergabe der Ratzinger-Zitate in den Medien dürfte P. Zimmers dies nicht entgangen sein.
Pater Zimmer sagt dazu in seinem Buch:
Die zitierte Stelle ist nur eine Passage aus diesem Antwortschreiben von Kard. Ratzinger. Aus dem ersten Teil des Briefes lässt sich erschließen, dass Frau Kuby sich über Peter Fleetwood beklagt hatte. Ratzinger antwortet, er könne da nichts machen [?], Kuby solle sich persönlich an Fleetwood wenden, und schließt dann mit dem oben zitierten Abschnitt [umgekehrt! s.o.].
Ratzinger nach dem er Kuby in ihrem ersten Anliegen eine Abfuhr erteilt hat [??] schreibt ihr noch einige nette Worte zu ihrer Arbeit. Es ist schwer anzunehmen, dass der Präfekt der Glaubenskongregation Zeit hat, Harry Potter zu lesen. Kardinal Ratzinger setzt in seiner Antwort voraus, dass die Bücher tatsächlich so sind, wie Frau Kuby sie beschreibt. Unter dieser Voraussetzung macht er obige Aussage. Diese Aussage jetzt zu ver-wenden als Bestätigung dafür, dass Kubys Analyse richtig sei, bedeutet, dass sich die Katze in den eigenen Schwanz beißt.
Der Brief von Kardinal Ratzinger ist jedenfalls keine Stellungnahme von Ratzinger [??], geschweige denn eine Stellungnahme der Glaubenskongregation zu Harry Potter, sondern lediglich eine Ermunterung an Frau Kuby unter der Voraussetzung, dass Ihre [ihre!] Sicht der Dinge zutrifft.
So geht das: Man erfindet ein Anliegen und eine Abfuhr desselben, modelt den Brief nach Belieben um, unterschlägt die ausdrückliche Genehmigung des Kar-dinals, mich öffentlich auf sein Urteil zu berufen, und unterstellt Kardinal Ratzinger, sein Urteil beruhe darauf, dass er sich von meinem Büchlein habe verblenden lassen.
Warum nur stimmt es die Potter-Fans unter den Katholiken nicht nachdenklich, dass Papst Benedikt XVI. so über Potter denkt und dass auch der Chefexorzist des Vatikans, Gabriel Amorth, warnt, dass Harry Potter eine Jugend, die Gott überwiegend nicht mehr kennt, in die Arme Satans treibt?
Ich erhalte immer wieder hasserfüllte Mails von Potter-Fans, Hass gegen mich und Hass gegen die Kirche. Die Grundbotschaft dieser Briefe ist: Es gibt kein Gut und Böse! Wer behauptet, es gebe einen objektiven Maßstab für Gut und Böse, der verbrenne auch Hexen. Papst Benedikt XVI warnt die Welt vor der Gefahr des Relativismus. Ich fürchte, Harry Potter schafft dafür die Grundlage in den Herzen der Jugend dieser Welt.
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