Die Kirchennörgler und der 'Geist des Konzils'

5. Dezember 2005 in Aktuelles


"Wir sind Kirche" besteht aus einem Briefkasten und einem E-mail-Server, die KirchenVolksBegehrer, die in Publik-Forum ihr Organ fanden, sind heute ergraut und (geistig) kinderlos geblieben - Ein Kommentar von Guido Horst / Die Tagepost


Wenn in zehn Jahren das Zweite Vatikanische Konzil "silbernes Jubiläum" feiert, wird sich mehr und Besseres über diese große Kirchenversammlung sagen lassen, als das derzeit bei den etwas pflichtschuldigen Würdigungen der Fall ist. Vierzig Jahre nach Abschluss der Arbeiten: Das ist zu früh, um eine solide Bilanz zu ziehen. Zu viele Zeitzeugen leben noch und bringen jetzt in ihre Einschätzungen persönliche Wertungen und Enttäuschungen mit ein. Die nachfolgende Generation wird sich dagegen weniger mit dem "Geist des Konzils", sondern vielmehr mit dessen Texten befassen. Denn das steht ja noch aus. Unter Berufung auf das Zweite Vatikanum werden heutzutage noch die unmöglichsten Dinge gefordert, die den Dokumenten des Konzils völlig widersprechen. Da muss noch ein wenig Wasser den Tiber und Rhein hinunter laufen, bis der Blick auf die wirklichen Inhalte der Bischofsversammlung freie Bahn erhält. Diese kommende Generation, die sich in naher Zukunft den Konzilstexten wissenschaftlich-theologisch oder aus privatem gläubigen Interesse annimmt, wird die "Generation Wojtyla" beziehungsweise die "Generation Benedikt" sein. Eine andere gibt es dann nicht mehr.

Die Kirchennörgler, die in den vergangenen Jahren den "Geist des Konzils" beschworen haben, waren unfruchtbar. "Wir sind Kirche" besteht aus einem Briefkasten und einem E-mail-Server, die KirchenVolksBegehrer, die in Publik-Forum ihr Organ fanden, sind heute ergraut und (geistig) kinderlos geblieben. Wo die Zukunft liegt, hat dagegen die Million Teilnehmer auf dem Weltjugendtag gezeigt. Das wirkliche Zweite Vatikanum holt erst jetzt die Kirche wieder ein. Das hohe Frustrationspotenzial, das das Konzil geschaffen hatte, ist dabei gar nicht diesem selbst anzulasten. Die nachkonziliare Kirche geriet in den Sog der Achtundsechziger-Bewegung, deren Hoffnung Bischof Reinhard Marx einmal so geschildert hat: Sie sah "die Möglichkeit, sich von Konventionen, Normen, vorgebenen Institutionen zu lösen und das Subjekt in der persönlichen Freiheit voll ausleben". Marx fügte hinzu, dass "dieses unbändige Freiheitspathos" bis heute "unser Miteinander in Kirche und Gesellschaft" geprägt habe. Also auch in der Kirche. Bis heute. Nun aber sollte Schluss damit sein. Die Achtundsechziger-Bewegung ist jetzt ebenfalls frustriert an ihr historisches Ende gelangt. Friede ihrer Asche. Aber die Kirche lebt weiter. Nur dass sie nicht die Hoffnung auf das von Bischof Marx so genannte Freiheitspathos setzt, sondern auf Jesus Christus. So lehrt es das Konzil. Man lese ruhig einmal nach.

Guido Horst


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