21. Dezember 2005 in Interview
Interview mit "Narnia"-Macher Micheal Flaherty von "Walden Media" - "Die Narnia-Bücher kommen ja für viele Leute gleich nach der Bibel"
Usa (kath.net/gerth.de)
Am 8. Dezember kam die lang erwartete Verfilmung von C. S. Lewis' Meisterwerk "Der König von Narnia" in die Kinos. Im Interview berichtet Micheal Flaherty, der Gründer der Filmgesellschaft Walden Media, warum es ihm so wichtig war, "Die Chroniken von Narnia" zu verfilmen.
Frage: Ich habe gehört, dass der Amoklauf an der Columbine-Highschool einen großen Einfluss auf Ihr Leben und Ihren Glauben hatte und sogar bei der Gründung von "Walden Media" eine Rolle spielte.
Flaherty: Ja, nach Columbine war ich zutiefst deprimiert, doch es hat mich dann sehr ermutigt zu hören, wie stark der Glaube mancher Opfer gewesen ist, allen voran Cassie Bernall und Rachel Scott. Was ich besonders interessant fand, war die Tatsache, dass diese Mädchen Filme geliebt hatten. Cassies Lieblingsfilm war "Braveheart", und ich glaube, Rachels auch. Im Gegensatz dazu weiß man von den Amokläufern, dass sie Streifen wie "Natural Born Killers" mochten.
Ich fasste den Entschluss, einen Weg zu finden, mehr großartige, inspirierende Filme zu produzieren, die Menschen ermutigen und aufbauen, besonders junge Menschen. Also rief ich meinen früheren College-Mitbewohner Cary Granat an, der zu dieser Zeit die Firma "Dimension Films" leitete. Cary verspürte ebenfalls den Wunsch, inspirierendere Sachen für Familien zu machen. Das war also der Ursprung von "Walden Media" - die Erkenntnis, dass die Medien wirklich eine Rolle darin spielen, Herzen und Gedanken zu beeinflussen, zum Guten oder zum Schlechten. Wir wollten einen Weg finden, um ein paar Kerzen anzuzünden, statt nur über die Dunkelheit zu fluchen - in Form von guten Filmen.
Frage: Wie würden Sie beschreiben, was Walden Media heute tut?
Flaherty: Wir möchten eine Stimme für Eltern, Lehrer, Pastoren, Jugendleiter und andere Menschen sein, die aktiv mit Kindern und Jugendlichen arbeiten. Wir finden heraus, welche Geschichten diese Kids wirklich lieben und auch lesen. Und da haben wir schon eine lange Liste von potenziellen Kandidaten. Unser erster Film war "Das Geheimnis von Green Lake" und vor ein paar Monaten haben wir "Winn-Dixie, mein zotteliger Freund" fertig gestellt.
Frage: Die Verhandlungen um den Narnia-Film begannen ja bereits 2000. Was ist in dieser Zeit passiert? Stand der Film einfach auf der Warteliste?
Flaherty: Nein, Narnia stand definitiv immer ganz oben auf unserer Prioritätenliste. Es war nur ziemlich schwierig, die Rechtslage zu klären - das hat uns das ganze Jahr 2001 beschäftigt. Wir haben mit Douglas Gresham (Lewis' Stiefsohn) und der C. S. Lewis-Nachlassverwaltung verhandelt. Wir haben mit Douglas lange Gespräche geführt, und ich glaube, wir haben Douglas' Vertrauen gewonnen und ihm deutlich machen können, dass wir eine absolut werkgetreue Adaption des Buches machen würden.
Frage: Was ja nicht einfach gewesen sein kann, da der Nachlass von Lewis wie ein Augapfel gehütet wird.
Flaherty: Oh ja. Und ich bin sehr dankbar, dass Douglas uns diese Chance gegeben hat, denn als wir mit ihnen ins Gespräch kamen, hatten wir ja noch keinen einzigen Film produziert!
Frage: Warum die Zusammenarbeit mit Disney für "Der König von Narnia"?
Flaherty: Weil das Marketing und der Vertrieb von Filmen ein solches Mammutunterfangen ist. Wir haben die volle kreative und inhaltliche Kontrolle über den Film, während "Disney" das Marketing und den Vertrieb übernimmt. Sie beweisen uns im Moment ständig, dass es keinen besseren Partner für uns geben konnte, und auch das Franchise-Programm, das sie entwickelt haben, ist großartig. Wir sind absolut glücklich über die Arbeit, die sie geleistet haben.
Frage: Aber die Wahl des Regisseurs und die inhaltlichen Entscheidungen lagen ganz bei Ihnen?
Flaherty: Ja, ganz und gar. Im Übrigen war das schon alles unter Dach und Fach, bevor wir die Kooperation mit "Disney" eingegangen sind.
Frage: In evangelikalen Kreisen wurde Disney ja eine Zeitlang massiv boykottiert worden. Narnia liegt diesem Publikum sehr am Herzen, und so ist es eine gewisse Ironie des Schicksals, dass Disney nun hier in dieser Weise involviert ist. Wurde das bei Ihnen im Haus diskutiert, bevor Sie den Entschluss fassten, mit Disney zusammenzuarbeiten?
Flaherty: Was wir diskutiert haben, war die Tatsache, dass wir eine absolut authentische und werkgetreue Verfilmung des Buches machen wollten. Das war unsere einzige und wichtigste Voraussetzung. Wir wollten ganz sichergehen, dass wir die Kontrolle über diese Frage in der Hand behielten, und Disney hatte damit gar keine Probleme. Wir waren in diesem Punkt von Anfang an völlig einer Meinung.
Frage: Haben Sie das Gefühl, dass Douglas Gresham als Gewissen und Stellvertreter von C. S. Lewis unter großem Druck steht?
Flaherty: Das Erstaunliche ist, dass alle, die an dieser Produktion mitwirken, diesen Druck verspüren. Alle wissen, dass wir eine monumentale Verantwortung für C. S. Lewis' Erbe tragen. Die Narnia-Bücher kommen ja für viele Leute gleich nach der Bibel, und wir müssen die Verfilmung so perfekt hinkriegen, wie es nur menschenmöglich ist. Und so hoch haben wir die Messlatte auch angelegt.
Frage: Nächstes Jahr kommt ein weiterer Walden-Film in die Kinos, "Charlotte´s Web". Der Regisseur sagte, die meisten Menschen, die hören, dass das Buch verfilmt wird, reagieren zuerst mit: "Oh, wie toll!" und dann mit: "Aber vermasselt das bloß nicht!" Wenn es schon bei "Charlottes' Web" so ist, wie viel lauter waren dann die "Vermasselt das bloß nicht!"-Stimmen erst bei Narnia?!
Flaherty: Ja, die kamen sozusagen aus Mega-Lautsprechern, vor allem von Lehrern, Buchhändlern und Eltern. Sie haben alle das Gefühl, gewisse Besitzansprüche auf die Bücher zu haben. Man möchte diese Leute nicht enttäuschen, in jeder Hinsicht - künstlerisch, inhaltlich, geschäftsmäßig. Das wäre schlimm. Der Erwartungsdruck ist unglaublich hoch.
Frage: Als ich damals hörte, dass "Der Herr der Ringe" verfilmt wird, dachte ich auch sofort: "Vermasselt das nicht!" Doch dann entschloss ich mich, mich nicht an Kleinigkeiten aufzuhängen, die ich mir vielleicht anders vorgestellt hatte, weil ich mir damit jede Freude an dem Film geraubt hätte. Ja, und dann habe ich mich total in die Filme verliebt; Peter Jackson hat ja auch wirklich beinahe alles richtig gemacht. Sollte man an die Narnia-Verfilmung ähnlich herangehen? Sollten wir darauf bestehen, dass jedes Detail genau so ist, wie Lewis es beschrieben hat, oder ist es wichtiger, dass Sie die großen Dinge exakt erfasst haben?
Flaherty: Eher Letzteres. Ich will mich damit nicht herausreden, aber Buch und Film sind nun mal zwei unterschiedliche Medien. "Das Geheimnis von Green Lake" und "Winn-Dixie" sind sehr authentische Verfilmungen der Bücher, aber es gibt trotzdem Dinge, die man tun muss, um die Story zum Leben zu erwecken. So ist es auch bei Narnia. Wir haben zum Beispiel die Dialoge nicht Wort für Wort übernommen. Doch ich kann trotzdem sagen, dass die Leute ruhig mit hohen Erwartungen an die Verfilmung herangehen können und nicht enttäuscht werden.
Frage: Vermutlich befürchten die Christen in erster Linie, dass Aslan auf einen großen Löwen reduziert werden könnte und man nicht mehr erkennt, dass dieser Jesus Christus verkörpert.
Flaherty: Hm, dieser Bezug ist für manche Leute im Buch offensichtlich, für andere nicht so. Wenn es Ihnen im Buch deutlich geworden ist, dann wird es Ihnen auch im Film deutlich werden. Das ist wohl die offiziell genehmigte diplomatische Antwort auf diese Frage! (lacht)
Frage: Was haben Sie von Peter Jacksons Erfahrungen mit "Der Herr der Ringe" im Hinblick auf die Narnia-Verfilmung gelernt?
Flaherty: Das Wichtigste, was wir von Peter gelernt haben, war die unersetzliche Bedeutung eines visionären Regisseurs, der den Filmstoff auf eine fast schon krankhafte Weise liebt. Und genau so einen haben wir ja mit Andrew Adamson auch bekommen. Er hat alle sieben Bücher der "Chroniken" ungefähr zwei Millionen Mal gelesen und kennt sie praktisch auswendig. Und seit Jahrzehnten träumt er schon davon, wie man sie auf die Leinwand bringen könnte.
Frage: Auf was freuen Sie sich im Hinblick auf die Premiere das Films am meisten und wovor haben Sie die größte Angst?
Flaherty: Was mich am meisten freut, ist schon passiert: Letzte Woche stand das Buch "Der König von Narnia" auf Platz 1 der "New York Times"-Bestsellerliste. Wie übrigens auch "Das Geheimnis von Green Lake" und "Winn-Dixie". Und genau das will, "Walden Media" erreichen- die Leute zurück zum Buch zu bringen, das dem Film zugrunde liegt, und dabei nicht nur eine Liebe zu diesem Buch, sondern zur Literatur im Allgemeinen zu wecken. Und wovor ich am meisten Angst haben - nun, da versuche ich dem Rat von Paulus in Philipper 4 zu folgen, wo es heißt, dass wir vor nichts Angst haben und wegen allem beten sollen.
Frage: Denken Sie etwa, mit der Antwort lasse ich Sie davonkommen? Jetzt mal ehrlich, sind Sie wegen der Besucherzahlen nervös? Oder wegen etwas anderem?
Flaherty: Also, jetzt, wo wir mit dieser fantastischen Produktion von unserer Seite fertig sind, haben wir alle die Tatsache akzeptiert, dass wir den weiteren Lauf der Dinge nicht mehr unter Kontrolle haben. "Disney" macht eine perfekte Marketing-Kampagne, Andrew hat einen aus unserer Sicht perfekten Film abgeliefert - jetzt können wir eigentlich nichts mehr machen, als abzuwarten.
Das Interview führte Mark Moring für ChristianityTodayMovies.com.
Deutsche Übersetzung durch gerth.de
(c) 2005 Christianity Today. Gekürzt und übersetzt mit freundlicher Genehmigung.
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