17. Jänner 2006 in Chronik
Zum 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart: Wie sollen Christen mit Mozart umgehen? - Von Beat Rink
Linz (www.kath.net) Seine Musik soll nach neuesten Studien sogar Goldfischen guttun und Kühen bei der Milchproduktion helfen: Wolfgang Amadeus Mozart (1756-1791). Die einen schwärmen von ihm: "Kann man das Unbegreifliche mit Worten berühren? Muß nicht alles Reden verstummen vor diesem höchsten und erhabenen Klang?" (so der Komponist Hans Werner Henze). Die anderen können bei allem Respekt nicht viel mit seinen "verspielten, süßen Klängen" anfangen oder nehmen aus anderen Gründen Abstand von ihm, etwa weil er einer Freimaurerloge angehörte. Wie sollen Christen mit Mozart umgehen?
Im Jubiläumsjahr haben wir es mittlerweile mit einem Mozart-Kult zu tun, der geradezu religiöse Züge trägt - begleitet von einer recht einträglichen Mozart-Vermarktung. So gilt es, hinter Kult und Kommerz zu Mozart selbst durchzudringen. Und da begegnet uns - wie könnte es anders sein? - der Komponist zuallererst durch seine Musik. Mozart schrieb in seinen 35 Lebensjahren unter 41 Symphonien, 27 Klavierkonzerte, 19 Messen, 7 große Opern, 26 Streichquartette, dazu zahlreiche Tänze, Märsche und Lieder. Über 600 Stücke umfaßt das Köchelverzeichnis. Sein Kompositionsstil ist unverkennbar, und einige Melodien (Die kleine Nachtmusik, das Trällern Papagenos...) sind wahre Ohrwürmer. Gäbe es im Klassik-Bereich internationale Hitparaden, so würden Mozarts Werke seit langem die obersten Ränge belegen. Dabei war er zu Lebzeiten - von vereinzelten Erfolgen und von der Begeisterung über das klavierspielende Wunderkind abgesehen - völlig verkannt worden.
"Himmlische Musik"?
Was macht seine Musik so schön? Vielleicht ist es das, was Mozart selber in einem Brief an seinen Vater schreibt: "Diese Concerten [die ersten drei Wiener Klavierkonzerte] sind eben ein Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht ... sind sehr brillant ... angenehm in die Ohren ... Natürlich, ohne in das Leere zu fallen." Der reformierte Theologe Karl Barth faßt es so: Mozarts Musik ist "frei von allen Übersteigerungen. Die Sonne scheint, aber sie blendet, verzehrt, verbrennt nicht ... Es machen sich auch die Finsternis, das Chaos, der Tod und die Hölle bemerkbar, aber sie dürfen keinen Augenblick überhandnehmen ..." Selbst Angst und Klage würden von Frieden umschlossen. Bei Mozart könne das Schwere schweben und das Leichte unendlich schwer wiegen.
Man könnte Mozarts Musik deshalb "menschlich" nennen: Sie zeigt uns die ganze Palette menschlicher Empfindungen, ist dabei aber nie verletzend, sondern immer irgendwie liebevoll. Besonders in den Opern kommt diese Fähigkeit zur musikalischen Gestaltung der Gefühle voll zum Zug. Die Opern: Bei aller großartigen Musik kann man bemängeln, daß ihre Aussagen manchmal allzu oberflächlich bis frivol sind ("Cosí fan tutte") oder dann rätselhaft-mystisch ("Zauberflöte"). Mozarts Genialität ist - wie jedes künstlerische Schaffen - eine göttliche Gabe, die auf den himmlischen Schöpfer zurückweist. In seiner Musik finden wir zwar bei weitem nicht jene kraftvolle Verkündigung wie bei Johann Sebastian Bach. Ja, Mozart möchte überhaupt nicht groß verkündigen - auch nicht sein eigenes Lebensbekenntnis wie bald darauf Ludwig van Beethoven (1770-1827). Wir finden bei ihm vielmehr eine kindliche Freude am kunstvollen Gestalten. Dieses unbekümmert Kindliche kann uns nun sympathisch anrühren. Und so kann auch, wie die Erfahrung zeigt, ein Kammermusiksatz von Mozart sehr gut in einen Gottesdienst hineinpassen. Warum? Weil daraus eben jenes Kindliche spricht, das gerade Christen nicht fremd sein sollte!
Christ oder Freimaurer?
Mozart war ein hochbegabter Organist und ein begnadeter Schöpfer musikalischer Messen. In der katholischen Kirche fand er einen besseren Auftraggeber - als er ihn bei den Protestanten gehabt hätte, die nach seiner Meinung die Religion zu sehr "im Kopfe" hatten. Jedoch war auch sein Verhältnis zur katholischen Kirche recht gespannt, nicht nur aufgrund seines heftigen Zerwürfnisses mit dem Salzburger Erzbischof, sondern auch, weil er in den Gottesdiensten künstlerische Sorgfalt ebenso vermißte wie Feierlichkeit. Mozart war also kein Freund der Institution Kirche, doch äußerte er sich in seinen Briefen mehrmals sehr fromm: "Ich habe Gott immer vor Augen. Ich erkenne seine Allmacht und fürchte seinen Zorn; aber ich sehe auch seine Liebe, sein Erbarmen und seine Güte, die er seinen Geschöpfen erweist. Er wird sein Eigentum nicht aufgeben."
Trat er 1784 wohl deshalb einer Freimaurerloge bei, weil er in ihr jene Brüderlichkeit und "heilige Feierlichkeit" suchte, die ihm in der Kirche fehlte? Ohne diesen problematischen Schritt verharmlosen zu wollen, muß man bedenken, daß die Freimaurerei damals allgemein salonfähig war. Es war überhaupt nichts Besonderes, einer Loge anzugehören. Mozart gehörte auch nicht einer jener Logen an, die spiritistisch-okkulte Praktiken pflegten. Aber es ist sicher nicht von der Hand zu weisen, daß die Zugehörigkeit zu einem Bund, der die Allgegenwart des Todes betonte und letztlich vom Atheismus bestimmt war, seinem geistlichen Leben abträglich sein mußte. Die "Zauberflöte" - Mozarts letztes großes Werk vor dem Requiem - mutet recht "freimaurerisch" an. Neuere Interpreten sehen in ihm aber eher eine Illustration aufklärerischer Ideen denn ein glühendes Bekenntnis zur Freimaurerei.
Der Mensch Mozart
Werfen wir noch einen Blick auf den Menschen Mozart. Er war ein künstlerisches Genie "par excellence", das Eigenschaften besaß, wie sie für manchen Künstler typisch sind. Zum einen kannte Mozart eine unbändige Verspieltheit, eine Freude am Experimentieren, die man ihm leicht als Oberflächlichkeit auslegen konnte. Dazu kam die schon erwähnte Kindlichkeit. Sie äußerte sich auch in einem unbekümmerten Umgang mit Finanzen, was seiner Familie nicht geringen Kummer bereitete. Die positive Seite davon war seine Großzügigkeit: Einem Straßenbettler konnte er zwar kein Geld, dafür ein eilig hingekritzeltes Menuett anbieten, welches dieser eilig einem verdutzten Musikverleger verkaufte. Auch die Standesunterschiede waren für ihn, der von Papst Klemens XIV. geadelt worden war, weitaus weniger maßgebend als für seine Umgebung. Mozart ließ sich nicht von Titeln und Namen blenden. Schon als Kind war er der Kaiserin Maria Theresia auf den Schoß geklettert und hatte sie abgeküßt. Später blieb er skeptisch den Mächtigen und aufgeschlossen den Niedriggestellten gegenüber. Im zwischenmenschlichen Umgang war er, was man heute "authentisch" nennen würde: höflich, aber direkt und meist sehr undiplomatisch - und sehr von launischer Zuneigung und Abneigung bestimmt. Andererseits war er wohl kaum der zügellose "Freak", wie wir ihn aus dem Film "Amadeus" (von Regisseur Milos Forman) kennen.
Für Schmeicheleien empfänglich
Daß er für Lob und Schmeicheleien empfänglich war, wurde ihm dort zum Verhängnis, wo man ihn ausnutzte. Seine Liebe zu Geselligkeit, Tanz und Kegelspiel können dem unermüdlichen Schaffer kaum als Undiszipliniertheit ausgelegt werden. Und in seiner Beziehung zu Frauen? Da war er nicht unbedingt so zügellos, wie man ihm zuweilen nachsagt, sondern eher haltlos, stark hin und hergeworfen von seinen Emotionen. Immerhin mündete sein Liebesbedürfnis nach einigen problematischen amourösen Abenteuern (vor allem zu seiner Kusine in Augsburg) in eine stabile Ehe mit Constanze Weber.
Um eine letzte Eigenschaft des Menschen Mozart zu nennen: Er hatte einen unbeugsamen, sich über gängige Konventionen hinwegsetzenden Willen - vor allem, wenn es darum ging, ein neues Werk zu schaffen. Dies kostete ihm seinen Ruf und ging ihm wortwörtlich ans Lebendige: Wenn er auf den Geschmack der Wiener Gesellschaft und ihrem Bedürfnis nach leichter Unterhaltungsmusik eingegangen wäre, hätte man ihn bis zuletzt auf Händen getragen. So mochte man aber sein allzu ernsthaftes Komponieren nicht honorieren und ließ ihn 1791 vereinsamt sterben.
Diskussion im Forum: Wer war Mozart?
Der Autor, Beat Rink (Basel), ist evangelischer Künstlerpfarrer und Leiter der Vereinigung christlicher klassischer Musiker: "Crescendo", einem internationalen Arbeitszweig von Campus für Christus (idea)
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