24. Jänner 2006 in Deutschland
Eigentlich ein Skandal - Das ZDF wärmte die These auf, Jesus sei in Indien gewesen und nicht gestorben - Ein Kommentar von Werner Thiede
Hatte das ZDF am 15. Januar in der Sendereihe "Terra X" noch zu recht Jesus-Geschichten, wie sie in Bestsellern wie "Sakrileg" von Dan Brown vorkommen, als Mythen entlarvt, so hat der Sender schon eine Woche später wieder sein Image bestätigt, für christentumskritische Jesus-Filme zu stehen.In der "Terra X"-Folge am 22. Januar "Der Fall Jesus" von Renate Beyer wurde die rund ein Jahrhundert alte Legende, Jesus sei in Indien gewesen und dort schließlich auch gestorben, neu und mit spürbarer Sympathie aufgewärmt. Das Ganze geschah unter dem hochtrabenden Untertitel "Der Galiläer im Visier der Forschung". Dabei wurde der irreführende Eindruck vermittelt, als drehe sich "die" Forschung um genau diese Fragen - und als sei die Indien-Legende am Ende genauso wahrscheinlich oder unwahrscheinlich wie die "legendären" Darstellungen der Evangelien. Ernsthafte Forschung aber diskutiert diese Thematik heutzutage so gut wie gar nicht. Es handelt sich um sektiererische Hypothesen und höchst fragwürdige Quellen, mit deren Hilfe eine Nähe zwischen Jesus und Buddhismus, zwischen Auferstehungs- und Seelenwanderungsglaube konstruiert werden soll, die ihrerseits wissenschaftlich gerade nicht seriös behauptet werden kann.
Längst als unhaltbar widerlegt
Tatsache ist vielmehr: Die Behauptungen, Jesus sei in jüngeren Jahren in Indien gewesen, in Jerusalem nicht wirklich gestorben und später wiederum in Kaschmir begraben worden, sind religionswissenschaftlich längst als unhaltbar widerlegt. Autoren wie Siegfried Obermeier ("Starb Jesus in Kaschmir?", 1993) und Holger Kersten ("Jesus starb in Indien", 1983), die derlei Thesen populär machten, sind zu keiner Zeit Universitätswissenschaftler gewesen. Dagegen hat der seriöse Religionswissenschaftler Norbert Klatt bereits 1988 in seinem Buch "Lebte Jesus in Indien? Eine religionsgeschichtliche Klärung" mit dieser Art von Volksverdummung aufgeräumt. Auch Günter Grönbold ("Jesus in Indien - das Ende einer Legende", 1985) und Salcia Landmann ("Jesus starb nicht in Kaschmir. Ohne Kreuzestod kein Christentum", 1996) haben dazu beigetragen, der vorsätzlichen Verwirrung entgegenzutreten. Das ZDF ist sich nun wieder einmal nicht zu schade gewesen, pseudo-wissenschaftliche Thesen um Jesus neu aufzuwärmen. Es begann in der "Terra X"-Sendung schon damit, daß gesagt wurde, "manche Forscher" gingen davon aus, daß Jesus vor Beginn seiner Verkündigungstätigkeit verheiratet gewesen sei. Dabei hatte ein anderer ZDF-Film in derselben Reihe erst eine Woche zuvor entsprechende esoterisch geförderte Thesen dieser Art als "Legenden" kritisch entlarvt. Doch jener Beitrag scheint eine Ausnahme gewesen zu sein.
Tummelplatz für Dilettanten
Schon vor über hundert Jahren hatte der Religionswissenschaftler Richard Garbe zu bedenken gegeben: "Die Ähnlichkeiten zwischen buddhistischen und neutestamentlichen Erzählungen haben einen Tummelplatz des Dilettantismus geschaffen, auf dem seit langer Zeit ein fröhliches Leben herrscht" (Indien und das Christentum. Eine Untersuchung der religionsgeschichtlichen Zusammenhänge", 1914). Die neue ZDF-Sendung bleibt hier dilettantisch und fragt suggestiv: "Ließ sich der Begründer des christlichen Glaubens von Buddha inspirieren?" Und: "Übte sich der Mann aus Nazareth in indischer Askese?" Die Zuschauer bekamen zu hören, etwa das Wunder von der Brotvermehrung Jesu sei von der Art, wie sie nur Magiern zugesprochen wird. Daß diese Wundererzählung im Neuen Testament aber nichts mit Esoterik zu tun hat, jedoch sehr viel mit einer ähnlichen Geschichte im Alten Testament, wird verschwiegen.
Erst im Laufe der Neuzeit war überhaupt die Behauptung aufgekommen, Jesus sei nicht am Kreuz gestorben und nur scheintot gewesen. Aus mancherlei durchsichtigen Interessen heraus, zu denen sektierische ebenso zählen wie rationalistische, wurde jene Scheintod-These mit einer Verneinung der Auferstehungsbotschaft verknüpft. Man begegnet derartigen Versuchen innerhalb der modernen theologischen Diskussion seit Heinrich Eberhard Gottlob Paulus (1761-1851), dessen Buch "Das Leben Jesu als Grundlage einer reinen Geschichte des Urchristentums" (Heidelberg 1828) etliche Nachahmer gefunden hat - bis hinein in unsere Zeit. Daß derlei Konstrukte jedoch nicht haltbar sind, hat nicht nur der namhafte Neutestamentler Martin Hengel, sondern selbst ein Journalist wie Günther Nenning ("Buddha, Jesus und der Rest der Welt", 1999) vermerkt.
Dem von den ältesten Quellen überlieferten Befund des Todes Jesu am Kreuz entspricht das Apostolische Glaubensbekenntnis, wenn es ausdrücklich formuliert: "gestorben und begraben". Der ZDF-Beitrag über den "Fall Jesus"richtet sich wie schon manch früherer Jesus-Film des ZDF - etwa 2003 in der Reihe "Discovery" - gegen das christliche Grundbekenntnis, ohne wirklich substantielle Argumente in der Hand zu haben. Eigentlich ein Skandal!
Der Autor, Dr. Werner Thiede, ist Privatdozent für Systematische Theologie an der Universität Erlangen-Nürnberg und Chefredakteuer des "Evangelischen Sonntagsblattes aus Bayern") (idea)
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