21. März 2006 in Weltkirche
Die Partei sei "nervös wegen nichts", sagt Bischof Joseph Zen Ze-kiun. Er wird am Freitag zum Kardinal ernannt. Ein Interview von Paul Badde / WELT.
Rom / Augsburg (www.kath.net / welt)
WELT: Welche Auswirkung hat Ihre Ernennung zum Kardinal für die Kirche und China?
Joseph Kardinal Zen Ze-kiun: Ein Kardinal ist ein enger Mitarbeiter des Heiligen Vaters. Jetzt haben wir einen einfacheren Zugang zum Papst. Das wird Auswirkungen auf den Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und Chinas Regierung haben. Ich kann dem Heiligen Stuhl helfen, China besser zu verstehen und hoffe, in China die katholische Kirche besser erklären zu können. Da gibt es viele Missverständnisse.
WELT: Was antworten Sie den Stimmen aus China, die besorgt sind, dass Sie die polnische Karte spielen könnten - in Anlehnung an die Auswirkungen der Wahl eines polnischen Papstes für Polen?
Joseph Kardinal Zen: Der Vergleich ist Unsinn. Wir sind nur eine kleine Minderheit in China. In Polen war die ganze Nation katholisch. Wir unterschätzen nie die Stärke der Kommunistischen Partei. Es wäre ein törichter Traum. Wir haben das Regime nie herausgefordert. Wir stellen nur bestimmte politische Maßnahmen des Regimes in Frage.
WELT: Was macht die mächtige Partei denn so nervös über die wenigen Christen?
Joseph Kardinal Zen: Sie sind nervös wegen nichts. Sie waren nervös von Anfang an und werden es immer bleiben. Denn es ist zu ihrer Natur geworden, dass sie einfach alles kontrollieren wollen. Sie sollten keine Angst vor dem haben, was nicht zu kontrollieren ist. Doch sie fürchten alles, was ihrer Kontrolle entgleitet. So wurde dauernde Angst ihr Schicksal.
WELT: Hält China noch eine gemeinsame Kultur zusammen?
Joseph Kardinal Zen: Die Kultur ist eine Sache, das Regime eine andere. Die Kommunistische Partei hat schon sehr lange Kontrolle über die ganze Nation. Die alte Kultur hat sie dabei gewiss nicht gefördert. Der Marxismus selbst ist ein Import aus dem Ausland. Auch unter diesem Regime ist natürlich einiges von der chinesischen Kultur übrig geblieben, weil sie so tiefe Wurzeln hatte. Ein Merkmal dieser Kultur ist etwa die hohe Bedeutung der Familien, obwohl das Regime auch das zu zerstören versuchte, indem es Kinder lange ermutigte, gegen ihre Eltern aufzutreten. Es gibt aber immer noch viel Liebe zur Familie, was für viele schon eine Art Rettung sein mag. In letzter Zeit höre ich oft, dass viele Studenten sich für das Christentum interessieren, weil sie nach spirituellen Werten suchen.
WELT: Das Tao des Taoismus heißt Weg. Mit dem gleichen Begriff wurde am Anfang die christliche Lehre bezeichnet. Gibt es vielleicht so etwas wie eine natürliche kulturelle Disposition der Chinesen für das Christentum?
Joseph Kardinal Zen: Viele unserer Missionare haben die Chinesen ermuntert, dem Konfuzianismus treu zu bleiben, weil er offen auf die christliche Lehre hin sei. Manche unter ihnen waren sogar Bischöfe. Ein Bischof in Taiwan schrieb drei Bücher über die Kompatibilität der christlichen mit der konfuzianischen Lehre. Es wäre gut, wenn wir an diese Erkenntnisse anknüpfen könnten.
WELT: Aber ist die Ein-Kind-Politik Pekings nicht der Kultur des Lebens der katholischen Kirche diametral entgegengesetzt?
Joseph Kardinal Zen: Sicher. Diese Politik richtet sich aber nicht nur gegen das Leben, sondern hat auch schlimme Folgen, die längst für alle sichtbar sind. Einzelkinder regieren ihre Familien wie Kaiser. Der Respekt vor den Älteren schwindet dramatisch. Eine sehr problematische Entwicklung.
WELT: Leidet China noch an Spätfolgen der Kulturrevolution?
Joseph Kardinal Zen: Die Zerstörung der traditionellen Kultur geschah nicht nur durch die Kulturrevolution. Sie war sehr gewalttätig, aber richtete sich mehr gegen Menschen als gegen die Kultur. Das Verschwinden der Kultur unter den Kommunisten hat hingegen von Anfang an stattgefunden und dauert bis heute an. Jetzt ist jedoch die radikale Säkularisierung viel schrecklicher, in der nur noch Geld und materieller Erfolg zählen und alles unumschränkt beherrschen.
WELT: Wie kam es dazu?
Joseph Kardinal Zen: Durch die paradoxe Allianz der Kommunisten mit den Superreichsten im Land.
WELT: Würden Sie sich als Antikommunist bezeichnen?
Joseph Kardinal Zen: Katholiken können keine Kommunisten sein, weil Kommunisten nach ihrem Selbstverständnis Atheisten sind. Doch die chinesische Verfassung garantiert Religionsfreiheit. Es ist erlaubt, ein gläubiger Katholik zu sein. Keiner muss ein Kommunist sein. Warum kann ich dann kein Antikommunist sein?
WELT: Fürchtet ein totalitäres System aber nicht zu Recht in jedem unabhängigen katholischen Bischof einen natürlichen Gegner?
Joseph Kardinal Zen: Sie haben Furcht, aber ohne Grund. Es ist dumme Angst. Wir haben weder vor, unser Land zu zerstören, noch das Regime zu stürzen. Wir hoffen nur, daß es auch in China einmal eine Demokratie geben wird. Über demokratische Prozesse mag es dann vielleicht auch einmal einen Regimewechsel geben.
WELT: Fürchten Sie sich?
Joseph Kardinal Zen: Warum sollte ich? Ich habe zahllose Priester erlebt, die nach Jahrzehnten Gefängnis wieder ungebrochen in die Freiheit zurückkehrten. Unter einer Willkürherrschaft darf jeder dauernd mit seiner Verhaftung rechnen. Das kann also nicht unsere Sorge sein. Chinas Katholiken haben keine Angst.
WELT: Haben Sie Hoffnung, dass die Verfolgungen zu Ihren Lebzeiten noch ein Ende nehmen?
Joseph Kardinal Zen: (lacht) Warum nicht?
WELT: Was könnte die chinesische Kirche den Rest der Kirche und der Welt lehren und was könnte sie ihnen geben?
Joseph Kardinal Zen: Chinas katholische Kirche kann in vielen ihrer Bischöfe, Priester und Gläubigen wahre Beispiele der Geduld geben, zusammen mit ihrer Bereitschaft, für ihren Glauben zu leiden. Vielleicht lässt sich das aber auch nicht weitergeben, weil diese Geduld wohl irgendwie dem chinesischen Charakter eigen ist. Vom Westen her ist inzwischen zwar auch bei uns schon eine Mentalität entstanden, nach der wir aufstehen und protestieren sollten. Wir werden jedoch mit Geduld und Entschlossenheit siegen.
WELT: Wie würde nach Ihrer Ansicht die Wahl eines Chinesen zum Papst denn den Gang der Geschichte in China verändern?
Joseph Kardinal Zen: (lacht laut) Wir sollten mehr Respekt vor der göttlichen Vorsehung haben.
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