EU-Kommissar rückt Gegner der Embryonenforschung in Taliban-Nähe

20. Dezember 2001 in Aktuelles


Eine "unglaubliche Entgleisung", meint Peter Liese, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bioethik der größten Fraktion im Europäischen Parlament


Brüssel (www.kath.net)
Der für Forschungsfragen zuständige EU-Kommissar Philippe Busquin hatdie Gegner der Embryonenforschung in die Nähe der Taliban gerückt. Beieiner Pressekonferenz am Dienstag, in der der EU-Kommissar die Konferenzder Europäischen Kommission zum Thema Stammzellen vorstellte, wurdeBusquin gefragt, warum bei dieser Konferenz keine ausgewiesenen Gegnerder Embryonenforschung als Redner oder Podiumsteilnehmer eingeladenworden seien (aus Deutschland waren unter anderem der Präsident derDeutschen Forschungsgemeinschaft, Ernst Ludwig Winnacker, dieNobelpreisträgerin Nüsslein-Vollhardt aus Tübingen und die Vorsitzendeder Enquête-Kommission im Deutschen Bundestag, Margot von Renesse,eingeladen). Die Position dieser deutschen Vertreter erschien innerhalbder Konferenz als gemäßigt, da viele Vertreter, z. B. ausGroßbritannien, offen das "therapeutische" Klonen befürworten.

"In Deutschland ist die Position von Winnacker, Nüsslein- Vollhardt undvon Renesse aber keineswegs die dominierende oder gar allgemeinakzeptierte Position. Die Mehrheit der Mitglieder der Enquête-Kommissionim Deutschen Bundestag lehnt den Import von embryonalen Stammzellen ab",so Peter Liese, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Bioethik der größtenFraktion im Europäischen Parlament (EVP/ED).Kommissar Busquin antwortete auf die Frage, warum keine Gegner derEmbryonenforschung eingeladen worden seien, mit der Begründung, dass eshauptsächlich um wissenschaftliche Aspekte gehe und bei denDiskussionen über die ethischen Fragen ein ausgewogenes Panelzusammengestellt worden sei (in diesem Panel saß eben keingrundsächlicher Gegner der Embryonenforschung). Busquin fügte dannhinzu, dass die EU-Kommission "keine Taliban" eingeladen habe.

"Dies ist eine unglaubliche Entgleisung. Der Kommissar scheint damit dieGegner der Embryonenforschung mit dem verbrecherischen Regime derTaliban auf eine Stufe zu stellen. Die Gegnerschaft zurEmbryonenforschung ist aber keine fundamentalistische Extremposition,sondern eine relevante Position in der europäischen Debatte.Fast die Hälfte der Abgeordneten im Europäischen Parlament hat sich füreinen Antrag ausgesprochen, die Embryonenforschung grundsätzlich von derEU-Förderung auszuschließen. Im Ministerrat haben vier Staaten (Italien,Deutschland, Irland und Österreich) eine solche Position vertreten. InDeutschland lehnt die Mehrheit der Bevölkerung sogar den Importembryonaler Stammzellen ab. All diese Vertreter werden durch dieÄußerung von Busquin beleidigt", so Peter Liese. Er hat sich in einem Briefan Kommissionspräsident Prodi gewandt und ihn gebeten umgehend klarzustellen,dass die Kommission nicht die Position von Herrn Busquin teilt. Busquin sollsich in aller Formentschuldigen.


© 2001 www.kath.net