'Israel sehnt sich mehr als jedes andere Volk nach Frieden'

27. Juli 2006 in Chronik


Wie Christen in Israel und im Libanon die Lage in Nahost einschätzen - Kommentare von Aviel Schneider (Jerusalem), Herausgeber des Magazins "NAI - Israel heute" und Gottfried Spangenberg (Libanon), Mitarbeiter des Christlichen Hilfsbundes für den O


Israel-Libanon (www.kath.net/idea)

I. Hätte die UNO früher gehandelt ...! - Ein Kommentar von Aviel Schneider

„Bis hier und nicht weiter“, sagte Israels Regierungschef Ehud Olmert in seiner Rede im israelischen Parlament. „Israel wird es nicht erlauben, daß seine Bürger im Schatten der Raketenbedrohungen leben!“ Seit dem Kriegsausbruch im Norden Anfang Juli wurden laut Regierungsangaben über 1.600 Katjuscha-Raketen aus dem Südlibanon auf Israel abgeschossen. Städte wie Haifa, Safed, Naharija, Nazareth und Tiberias sind seit dem israelischen Truppenabzug aus der südlibanesischen Sicherheitszone im Sommer 2000 zum nahen Ziel der Hisbollah-Raketenangriffe geworden. Sirenen und stundenlanges Ausharren in Bunkern sind in Nordisrael zur täglichen Routine geworden. 20 Israelis, Soldaten und Zivilisten kamen bislang auf der israelischen Seite ums Leben, über 200 auf der libanesischen Seite. Viele werden an die Jahre vor dem Libanonkrieg 1982 erinnert, als Israel dem langjährigen Raketenbeschuß der PLO aus dem Libanon ein Ende machte. Wer heute in Israel Richtung Süden flieht, ist auch dort nicht mehr sicher, dort hageln Raketen aus dem Gazastreifen auf Städte wie Sderot und Aschkelon herab.

Ein Zweifrontenkrieg

Israel ist in einen Zweifrontenkrieg gestürzt, seit die Hamas im Gaza­streifen und die Hisbollah im Südlibanon kooperieren. Ausgebrochen ist der Krieg im Süden, als palästinensische Terroristen im Juni einen israelischen Stützpunkt am Gazastreifen attackierten und den israelischen Soldaten Gilad Schalit entführten. Israel reagierte darauf, wie es jeder andere demokratische Staat getan hätte, der mit Terroristen nicht verhandelt. Wenige Tage später überfielen schiitische Hisbollahs an der israelisch-libanesischen Grenze einen israelischen Militärkonvoi, wobei acht israelische Soldaten ums Leben kamen und zwei entführt wurden. Gegen solche Aggressionen muß sich jeder normale Staat verteidigen. Doch jedesmal wenn sich Israels Verteidigungsarmee gegen arabische Aggressionen verteidigt, werden immer nur Israels Sicherheitsaktionen als aggressiv verurteilt. Internationale Medien richten ihre Scheinwerfer auf das Leid auf der palästinensischen und libanesischen Seite und berichten, als wollten die Menschen dort nur leben und als sei Israel kampfsüchtig. Das Gegenteil ist der Fall, Israel sehnt sich mehr als jedes andere Volk nach Frieden, und daher hat es jeden Friedensversuch ernst genommen.

Israel war zu nachgiebig

Israels Abschreckungskraft ist seit dem Oslo-Vertrag 1993 in den Augen der Araber schwächer geworden, weil Israel gegenüber seinen arabischen Feinden zu nachgiebig war. Israel ist aus 43% des biblischen Kernlandes Judäa und Samaria sowie aus dem Gazastreifen abgezogen. Darüber hinaus wurde Israels Truppenabzug aus dem Südlibanon von der UNO voll bestätigt, und Israel wurde versprochen, daß die libanesische Armee an der israelisch-libanesischen Grenze die Kontrolle übernimmt anstelle der fanatischen Hisbollah-Terror­organisation. Dies wurde nicht eingehalten, und Israel warnte bereits seit der ersten Soldatenentführung kurz nach dem Truppenabzug aus dem Südlibanon vor neuen Raketenangriffen. Doch die Welt ignorierte Israels Warnungen und forderte von Israel Zurückhaltungstaktik, die das Land in den Augen der Araber schwächte. So rüsteten sich die Hisbollahs, die nicht mehr als 4.000 Mann zählen, in den letzten sechs Jahren mit tausenden Raketen auf. Israelischen Armeeangaben zufolge wurden über 50% der Hisbollah-Stützpunkte und Waffenlager im Libanon von der israelischen Armee zerstört. Das Problem ist, daß sich die Hisbollahs innerhalb der libanesischen Bevölkerung verschanzen und so Israels Kriegsmoral herausfordern. Daß bei solchen Luftangriffen auch unschuldige Menschen auf der anderen Seite umkommen, stimmt, aber dafür kann nicht nur Israel verurteilt werden. Wieso verurteilt UN-Generalsekretär Annan nur Israel für seine „zu große Kraftanwendung im Libanon und im Gazastreifen“? Die gesamte Kriegssituation wäre Israel und dem Libanon erspart geblieben, hätte die UNO sich vor sechs Jahren für die volle Entwaffnung oder Entfernung der Hisbollah von der israelischen Nordgrenze eingesetzt.

II. Raketen wurden auch auf Friedhöfen stationiert - Ein Kommentar von Gottfried Spangenberg

Derzeit sieht die Lage so aus: Der Libanon ist auf dem Luft- und Seeweg durch israelisches Militär abgeriegelt. Der Landweg Richtung Norden und Osten nach Syrien ist für alle noch offen, ist aber gefährlich und wird durch das zerschlagene Straßennetz stark beeinträchtigt. Die Lage im Land ist sehr unterschiedlich. Da der Libanon aber sehr klein ist (10.000 qkm), hört und sieht man vieles, auch wenn man nicht selbst betroffen ist. Überall ist jedoch die Angst groß. Nach heftigen Bombardierungen der Grenzorte im Süden haben israelische Bodentruppen begonnen, nach versteckten Waffen zu suchen, und stoßen auf erbitterten Widerstand der Hisbollah. Vorher war die Bevölkerung über Flugblätter aufgefordert worden, diese Orte zu verlassen. Aber manche blieben aus Angst, unterwegs umzukommen. Andere wurden von der Hisbollah gezwungen, zu bleiben, um als menschliche Schilde (Zivilbevölkerung) zu dienen. Die hohen Verluste an Menschenleben kommen auch daher, daß schwere Waffen in Wohngebieten versteckt wurden. Raketen werden auch auf Friedhöfen stationiert. Demgegenüber hat Israel seit einigen Tagen – so sagen es libanesische Medien – Napalmbomben im Süden des Libanon eingesetzt. In der vergangenen Nacht wurde wieder der Süden heftig bombardiert. Auf einen Bunker im sog. Sicherheitsquadrat der Hisbollah in Beirut wurden über 20 Tonnen Bomben abgeladen. Man vermutet, daß sich dort die Leiter der Hisbollah aufhalten. Insgesamt gibt es bisher eine halbe Million libanesische Flüchtlinge.

Wie kann Frieden einkehren?

1. muß die Hisbollah die beiden entführten Soldaten herausgeben.
2. müssen alle Kampfhandlungen eingestellt werden.
3. muß die libanesische Armee die einzige Kraft im Land werden, die Waffen trägt.
4. muß Syrien Libanon als souveränen Staat anerkennen, d.h. diplomatische Beziehungen aufnehmen, die Grenzfrage der Schebaa Farmen international klären und libanesische politische Gefangene herausgeben.
5. muß Israel mit dem libanesischen Staat – nicht mit der Hisbollah – die Frage aller anderen Gefangenen klären.
6. muß die Völkergemeinschaft die Bemühungen des Libanon um volle Souveränität – sich nicht einmischend – unterstützen.
7. muß die arabische und islamische Welt das Existenzrecht Israels in abgeklärten Grenzen anerkennen. Vorher kann kein Frieden wachsen.

Die bei KATH.NET veröffentlichten Kommentare spiegeln die Meinungen der jeweiligen Autoren wider. Sie geben nicht unbedingt die Meinung der Herausgeber wieder.

Foto: (c) kath.net


© 2006 www.kath.net