21. August 2006 in Buchtipp
Papstbiograf George Weigel hat ein neues Buch über den neuen Papst geschrieben.
Linz (www.kath.net) Johannes Paul II. ist mit einem dramatischen Gestus des Glaubens von uns gegangen. Sein Freund, bis dahin der geniale Chefdenker der Kirche, hat als Benedikt XVI. das Steuerrad in Rom übernommen. Die Ereignisse überschlagen sich: Das ehemals christliche Abendland sucht verzweifelt nach Wertorientierung. Die Jugendlichen entdecken den Glauben wieder. Der neue Papst diskutiert auf Augenhöhe mit den größten Geistern der Erde. Benedikt wird zum internationalen Wortführer einer Zivilisation der Liebe. Was geschieht da eigentlich? George Weigel, die führende katholische Stimme Amerikas, legt mit »Das Projekt Benedikt« die Weltbilanz einer Wendezeit vor. Weigel, der berühmt wurde durch sein bedeutendes Standardwerk über Johannes Paul II., war und ist einer der wichtigsten Laienberater von beiden Päpsten. Wie kein anderer ist er berufen, schon jetzt die großen Linien eines Pontifikates darzustellen, das von Tag zu Tag mehr an Fahrt gewinnt.
Auszug aus dem Buch:
Dienstag 19.April:
Die Kardinäle begannen ihren zweiten Wahlgang um halb neun am Morgen, und jede Abstimmung dauert ihre Zeit. Nachdem jeder Kardinal den Namen seines Kandidaten auf einen kleinen Zettel geschrieben und diesen zusammengefaltet hat, stellen die Kardinäle sich in ihrer Rangfolge (die auch ihre Sitzordnung ist) zu einer Prozession auf. Jeder Kardinal schreitet dann zu dem Altar unter dem Jüngsten Gericht und sagt, bevor er seinen Stimmzettel in die dort platzierte Urne steckt: Ich rufe Christus, den Herrn, der mein Richter sein wird, zu meinem Zeugen, dass ich meine Stimme demjenigen gebe, von dem ich vor Gott glaube, dass er gewählt werden soll. Es braucht seine Zeit, bis 115 Männer, darunter einige sehr alte, diesen Wahlgang hinter sich bringen. Danach folgt ein kompliziertes Auszählungsverfahren.
Zuerst muss festgestellt werden, dass die Zahl der abgegebenen Stimmen mit der Zahl der anwesenden Kardinäle übereinstimmt.Erst danach beginnt die Auszählung durch drei Kardinäle als Wahlprüfer, wobei jeder jeden Zettel prüft und der Dritte den darauf stehenden Namen laut dem ganzen Kollegium vorliest.
Diese Prozedur einschließlich des Zählens der Namen der vorgeschlagenen Kandidaten wird von einer anderen Gruppe von drei Kardinälen, den Revisoren, auf Richtigkeit geprüft. Man kann sich gut vorstellen, dass dieses Verfahren jeweils mindestens eineinviertel, wenn nicht anderthalb Stunden dauert.Als um die Mittagszeit schwarzer Rauch aus dem Schornstein kam, diesmal eindeutig schwarz, hatten die Kardinäle für zwei Abstimmungen über 3 Stunden gebraucht. Damit waren bisher drei Wahlgänge ohne Erfolg. Doch Beobachter hatten vorausgesagt, dass der Dienstagnachmittag entscheidend sein werde. Und er wurde es.
Ungefähr um 17:40 Uhr stieg wieder Rauch aus dem Schornstein auf, und wieder war seine Farbe nicht eindeutig zu bestimmen. Doch für diejenigen, die mit dem Konklave-Verfahren vertraut waren, konnte es nur weißer Rauch sein, denn die erste Abstimmung am Dienstagnachmittag wieder ergebnislos gewesen wäre, hätten die Kardinäle sofort mit der zweiten Nachmittagsabstimmung begonnen. Es war undenkbar, dass die Kardinäle zwei Abstimmungen in dieser kurzen Nachmittagssitzung hinter sich gebracht hätten. Deshalb konnte der Rauch zu diesem Zeitpunkt nur weiß sein, und das bedeutete, dass jemand in der ersten Abstimmung am Dienstagnachmittag zum Papst gewählt worden war, also am dritten Tag im vierten Wahltag. Doch es blieb eine Unsicherheit, weil die Glocken des Petersdoms nicht anfingen zu läuten, wie es vorgesehen war.
(Später stellte sich heraus, dass der Techniker für die Rauchentwicklung vergessen hatte, per Handy den Techniker für das Domgeläute sofort zu benachrichtigen.) So dauerte fast zwölf Minuten lang eine rätselhafte Zwischenpause an, in der angenommen werden konnte, dass ein Papst gewählt worden sein muss, was aber noch ohne Bestätigung durch das Glockengeläut war. Endlich, um 18:04 Uhr, entströmte eindeutig weißer Rauch dem Schornstein, und die Glocken des Petersdomes begannen zu läuten.
Was nun noch übrig blieb, war die öffentliche Bekanntmachung der erfolgten Wahl eines Papstes. Rasch strömten Zehntausende aus allen Teilen der Stadt auf den Petersplatz. Wer sich in der Liturgie auskannte und an Joseph Ratzinger dachte, hatte bemerkt, dass der 19. April der Gedenktag an den hl. Papst Leo IX. war, den letzten großen deutschen Papst. Das schien wie eine Vorausahnung. Doch keiner konnte darüber Gewissheit haben, bis der älteste Kardinaldiakon, Arturo Medina Estévez, auf den Mittelbalkon des Petersdomes trat.
Kardinal Medina war bislang in der Öffentlichkeit nicht durch eine publikumswirksame Ausstrahlung aufgefallen, doch obwohl er nicht vor Freude überschäumte, schien es ihm selbst Freude zu bereiten, die Spannung der Menschen auf dem Petersplatz noch zu steigern. Er begrüßte zuerst alle lieben Brüder und Schwestern in den verschiedenen Sprachen, ehe er die vorgeschriebene Formel in Latein begann:
Annuntio vobis gaudium magnum (ich verkünde euch eine große Freude),
Habemus papam (wir haben einen Papst),
Eminentissimum et Reverendissimum Dominum (den erhabenen und ehrwürdigen Herrn)
Dominum - (den Herrn und in seiner sowieso langsam und würdig vorgetragenen Ankündigung machte er noch mal eine kurze Pause, ehe er den Vornamen nannte): Josephum (Joseph)
Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinalem (Kardinal der Heiligen Römischen Kirche) - Ratzinger,
Qui sibi Nomen imposuit Bendedicti Decimi Sexti (der den Namen Benedikt XVI. gewählt hat).
Als Kardinal Medina den Namen Joseph aussprach, brach die Menge in großen Jubel aus, denn jeder wusste, wer Joseph war. Und der riesige Jubelausbruch für diesen zweiten streniero in direkter Reihenfolge unterstrich, was ein amerikanischer Kurienbeamter nach einer persönlichen Umfrage im Bezirk des Borgo vor einer Woche herausgefunden hatte: die Nachbarschaft hatte sich Kardinal Ratzinger als Papst gewünscht.
George Weigel
Das Projekt Benedikt
Seitenzahl: 336
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