5. Oktober 2006 in Aktuelles
Einige Klarstellungen zu den gegenwärtigen Pressemeldungen über die angebliche Abschaffung des Limbus - Ein Kommentar von Dr. theol. Johannes M. Schwarz
Linz (www.kath.net) Von theologisch ungebildeten Journalisten kann man nicht erwarten, dass sie sich in kirchlichen Fachbereichen auskennen. Von theologisch ungebildeten Journalisten kann man dann allerdings erwarten, dass sie nicht fantasievoll falsch berichten.
Konkreter Anlass für eine gepflegte Stille wäre: Die Tagung der Internationalen Theologenkommission zu Themenkreisen rund um das Schicksal ungetauft sterbender Kinder.
Trotzdem wird heftig publiziert, übersetzt und abgeschrieben. Und weil der Umfang mancher Artikel [Hinweis: Der ORF hat Teile seines Artikels nach diesem Kommentar abgeändert] in keinem Verhältnis zur Sachkenntnis ihrer Verfasser steht und vielmehr mit glühender Ignoranz Begriffe über die Seiten gestreut werden, folgt hier ein kurzes, vereinfachtes 1x1 dieses Sonderabschnitts der Eschatologie - nein, das ist keine Kaffeemarke, sondern die "Lehre von den letzten Dingen."
1. Limbus bedeutet "Rand" oder "Saum." In der Theologie bezieht sich dieser Begriff auf einen Bereich der Hölle. Allerdings nicht auf eine Hölle mit hohen Temperaturen und roten, gehörnten Gestalten in engen Leggins, sondern ganz allgemein auf einen "Ort", an dem Gott nicht geschaut wird. In diesem Sinn kann der Begriff "Vorhölle" für die Idee eines "Limbus" korrekt verwendet werden.
Es ist ein Zustand des Ausschlusses von der Gottesschau, aber kein Ort der Qual und nach Ansicht der meisten Theologen, die den Limbus vertraten, ein Ort wahrer, wenn auch nur natürlicher Glückseligkeit.
2. Der Limbus ist zu unterteilen in einem Limbus der Väter (limbuspatrum) und einen Limbus der ungetauften Kinder (limbus infantium vel puerorum). Sie teilen eine Bezeichnung, weil sich die Zustände - trotz auszuführender Unterschiede - grundsätzlich ähnlich sind.
3. Der limbus patrum: Die Gerechten vor Christus gelangten in den Limbus und nicht in die Hölle der Verdammten schlechthin, weil sie gut gelebt hatten, aber der Himmel bis zur Auferstehung Christi niemandem offen stand. Dieser Limbus als Zustandsbeschreibung lässt sich nicht abschaffen, weil sich Zustandsbeschreibungen nun mal einfach nicht abschaffen lassen.
Allerdings - und hier irren die journalistischen Damen und Herren des ORF* - muss heute niemand mehr im limbus patrum warten, denn er ist seit Christi Abstieg in das "Reich der Toten" (Vgl. Glaubensbekenntnis) leer. Moses, Judith, Anna, Vater Abraham (aber nicht der von den Schlümpfen) und alle anderen Gerechten des Alten Bundes sind nun im Himmel. Als dort seiend werden sie von der Katholischen Kirche auch als Heilige verehrt und angerufen.
* Dieser "Nonsense" wurde von den britischen Kollegen Ruth Gledhill und Richard Owen der "Times" geborgt. Ironischerweise haben diese beiden eindrucksvoll auch ihre kunstgeschichtliche Unkenntnis untermauert, indem sie ihre Behauptung über das ungewisse Schicksal der Gerechten vor Christus just mit einem Fresco Andrea Bonaiutos illustrierten, das die Auflösung des Limbus der Väter zeigt. Link
4. Der limbus puerorum: Kinder, die vor der Taufe sterben, haben keine persönlichen Sünden. Sie leiden lediglich an der Zustandssünde, die Erbsünde genannt wird - also den Zustand des Mangels heiligmachender Gnade. Diese Gnade wird normalerweise in der Taufe erlangt.
Bei ungetauften Erwachsenen kann die Wassertaufe durch die Begierdetaufe (ob explizit oder implizit) oder das Martyrium ersetzt werden. Also steht auch dem Nichtchristen, der gerecht lebt und Gott ehrlich sucht, eine Heilsmöglichkeit offen. Dem ungetauft sterbenden Kind kann nun die Gnade nicht durch die Wassertaufe oder die gewöhnliche Begierdetaufe (es fehlt dem Kind dazu der Gebrauch der Vernunft) zuteil werden.
Ein Martyrium liegt vermutlich nur in seltensten Fällen vor. Also was geschieht mit dem Kind? In keinem Fall kann es der Hölle der Verdammten zugewiesen werden, da es keine persönliche Schuld trägt. Doch die Gnade, die notwendig ist, um Gott zu schauen, fehlt, also wird ein Ort, frei von Qual, mit natürlicher Glückseligkeit als möglicher Aufenthaltsort angegeben - der Limbus der Kinder eben.
Es gibt Versuche, eine Form der Begierdetaufe (etwa eine Erleuchtung im letzten Moment) oder der Bluttaufe (der Tod als Quasi-Sakrament) theologisch für die Kinder zu begründen. Ob diese alternativen Lösungsvorschläge zutreffen, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen, da sich sowohl Argumente dafür als auch dagegen finden lassen.
Ähnliches gilt für den limbus infantium. Es ist eine Erklärung des Schicksals ungetaufter Kinder, welche sich in ihren Grundaussagen jedoch leichter auf kirchliche Dokumente stützen lässt, als seine Alternativen.
Doch wenn der limbus infantium auch keine formale kirchliche Lehre ist, so gilt dennoch: Der Limbus als Zustandsbeschriebung lässt sich nicht abschaffen, weil sich Zustandsbeschreibungen nun mal einfach nicht abschaffen lassen.
Nur durch fundierte Gegenargumente und Gegenthesen lässt sich die Hoffnung stärken, dass die Beschreibung niemanden trifft, da Gott wenigstens grundsätzlich einen anderen Weg zur Erlangung der Gnade für diese Kinder bereitstellen kann. Hoffen lässt sich dies vielleicht, doch ein Nachweis ist mangels Offenbarung schwer. Nicht nur Journalisten, auch Theologen werden manchmal schweigen müssen.
5. Es folgt aus 4.: Der Limbus der Kinder ist damit kein "Warteraum," (ORF) denn niemand wartet. Er ist ein Endzustand.
6. Es folgt weiters aus 4.: Erwachsene können also nach allgemeiner Ansicht nicht in den Limbus der Kinder (darum heißt er ja auch so) gelangen. Ihr Leben entscheidet über ihr Los.
In der Vergangenheit gab es allerdings Theologen und Dichter (Dante), welche die Wassertaufe als absolute Bedingung für einen Eingang in den Himmel machten und darum auch für gerechte Seelen ungetaufter Erwachsener den permanenten Limbus "der Kinder" annahmen.
7. Wird der Papst am Freitag den Limbus "abschaffen" (ORF, Times)? Nein! Am Freitag geht die jährliche Vollversammlung eines Theologengremiums zu Ende, das sich in dieser Besetzung bis 2008 noch öfter treffen wird. Im höchsten Fall wird in dieser Frage bei erzielter Einigung bereits jetzt ein Dokument veröffentlicht, das allerdings keinerlei Autorität besitzt, sondern nur als Empfehlung und Meinung an die zuständige Glaubenskongregation gelangt. Diese wird entscheiden, ob es beim Bericht der Kommission bleibt, oder ob man ein kirchliches Dokument mit Aussagekraft verabschieden will.
Limbus, Gottesschau oder Rahners Reinkarnation? - Einige Theologiegeschichtliche Überlegungen
© 2006 www.kath.net