17. November 2006 in Weltkirche
Bartholomaios I. erwartet vom Papst klare Worte zu den Minderheiten-Rechten. Von Stephan Baier / Die Tagespost.
Istanbul (www.kath.net / tagespost) Nur eine Handvoll Gläubiger fand sich zum Fest des meistverehrten Heiligen der Orthodoxie, Johannes Chrysostomos, in der Sankt Georgs Kirche ein, um mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel die Messe zu feiern.
Ein aussagekräftiges Zeichen für die bedrängte Situation des Ökumenischen Patriarchates, das 463 Jahre unter dem Sultan offenbar besser überlebte als die zurückliegenden 83 Jahre laizistisch-kemalistischer Republik. Gut dreitausend Gläubige zählen in der Türkei heute zur Griechisch-Orthodoxen Kirche.
Aufgrund ihres hohen Durchschnittsalters ist in zwanzig Jahren die Hälfte weg, sagt der Pressebeauftragte des Patriarchates, Peder Dositheos Anagnostopulos, auf eine Frage dieser Zeitung. Diese Minderheit ist biologisch am Ende. Immer wieder kursierende Gerüchte, das in Konstantinopel beheimatete Ökumenische Patriarchat könne in naher Zukunft gezwungen sein, seinen Sitz ins Ausland zu verlegen, kann er verständlicher Weise nicht bestätigen.
Er dementiert sie aber auch nicht: Wenn Gott eine Kirche an einem Ort eingepflanzt hat, muss er auch ihre Zukunft entscheiden. Patriarch Bartholomaios schilderte in seinem Amtssitz Anfang dieser Woche vor einer kleinen Gruppe von Journalisten die Probleme, denen seine Kirche im EU-Kandidatenland Türkei ausgesetzt ist: Die theologische Hochschule von Chalki, die für die Ausbildung seiner Priester so notwendig wäre, ist seit 35 Jahren geschlossen. Die Briefe des Patriarchen an die Regierung in Ankara blieben bislang unbeantwortet.
Das Ökumenische Patriarchat ist vielleicht die einzige Kirche der Welt, die keine Möglichkeit hat, ihre Priester auszubilden, sagt Bartholomaios. Die Priester, die aus Griechenland und den Vereinigten Staaten von Amerika kommend im Patriarchat ihren Dienst tun, bekommen weder eine Arbeits- noch eine Aufenthaltserlaubnis. Sie arbeiten in Istanbul als Touristen und müssen alle drei Monate das Land verlassen, um dann mit neuem Visum zurück zu kehren.
Immer schwieriger werde auch die Frage seiner eigenen Nachfolge: In der Türkei habe er nur sehr wenige, meist ältere Bischöfe. Weil der Staat aber darauf besteht, dass nur ein türkischer Staatsbürger Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel ein Titel, an dem sich der türkische Staat wegen des Ausdrucks Ökumenisch und des Namens Konstantinopel stößt werden kann, wird die Auswahl höchst schwierig.
Bartholomaios empfiehlt als Vorbild die Wahl des Patriarchen Athenagoras im Jahr 1948, der zuvor in Amerika tätig war und nach seiner Wahl von Ankara die türkische Staatsbürgerschaft zuerkannt bekam. Damals hätten die guten Beziehungen zum amerikanischen Präsident Truman eine maßgebliche Rolle gespielt, weiß Bartholomaios. Allerdings verleihe auch die ägyptische Regierung einem neu gewählten Patriarch von Alexandrien sofort die Staatsbürgerschaft.
Schwierig sind auch die Eigentumsverhältnisse in einem Land, in dem sich die Kirche den Besitz von Kirchen, Klöstern und anderen Gebäuden über jeweilige Gemeindestiftungen sichern muss. Derzeit werde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg der Fall der Enteignung eines Waisenhauses durch den türkischen Staat behandelt. Das vor wenigen Tagen vom Parlament in Ankara beschlossene neue Stiftungsgesetz löst nach Ansicht von Patriarch Bartholomaios die Probleme nicht, auch wenn es einzelne positive Elemente darin gebe.
Dass sich die türkische Regierung in der Behandlung der griechisch-orthodoxen Kirche auf die Diskriminierung der in Teilen Griechenlands lebenden Muslime beruft, will der Ökumenische Patriarch nicht gelten lassen: Das ist ungerecht, denn wir sind Bürger dieses Landes. Er und seine Priester kommen ihren Pflichten als Staatsbürger der Türkei nach, betont Bartholomaios: Wir machen Militärdienst, zahlen Steuern, gehen zur Wahl aber gleiche Rechte haben wir nicht. Bartholomaios wörtlich: Wir sind Bürger zweiter Klasse.
Deshalb setzt das Ehrenoberhaupt der weltweiten Orthodoxie, der in der Türkei allerdings nur als Seelsorger der griechisch-orthodoxen Christen des Landes gesehen wird, auf den Beitritt der Türkei zur Europäischen Union: Diesen Weg habe er von Anfang an mit ganzem Herzen unterstützt. Er erhoffe sich davon die Lösung der Probleme aller Minderheiten dieses Landes, sagt Bartholomaios.
Gleichwohl ist dem Patriarch bewusst, dass es zu einer Mitgliedschaft nur kommen kann, wenn die Türkei alle Voraussetzungen erfüllt, welche für alle Länder gelten. Die Vorstellung einer privilegierten Partnerschaft werde von der türkischen Seite abgelehnt: Wenn die Europäer nicht die Vollmitgliedschaft in Aussicht stellen, wozu dann alle diese Reformen?, so fragen die Politiker.
Es gebe unter den Politikern aber auch eine Minderheit, der bewusst sei, dass man die Reformen nicht für Europa mache, sondern weil wir sie unseren Bürgern schulden. Bartholomaios selbst vertrat die Ansicht, dass die Religionsunterschiede zwischen Europa und der Türkei kein Grund sind, die Türkei nicht aufzunehmen.
Der Besuch von Papst Benedikt XVI. zum Andreasfest in Konstantinopel sei für ihn Anlass zur Freude, unterstreicht der Ökumenische Patriarch. Diese Reise werde aber auch als Signal im Dialog mit dem Islam gesehen, denn die Türkei sei das erste mehrheitlich muslimische Land, das Benedikt XVI. besucht. Überzeugt zeigte sich Bartholomaios davon, dass der Papst in der Türkei das Thema der Minderheitenrechte und insbesondere der Religionsfreiheit ansprechen wird, zumal der Vatikan immer ein Unterstützer der Religionsfreiheit und der Menschenrechte war.
Wegen Joseph Ratzingers profunder Kenntnis der orthodoxen Theologie und seinem Bemühen um die Ökumene, habe sich die ganze orthodoxe Welt über seine Wahl zum Papst gefreut. Beunruhigt habe ihn aber die Tatsache, dass der Papst auf den Titel Patriarch des Abendlands verzichtete. Das hat uns nicht glücklich gemacht, weil dieser Titel der einzige war, den wir akzeptieren konnten, erläutert Patriarch Bartholomaios.
Mit Erleichterung hat das Ökumenische Patriarchat aufgenommen, dass der Vatikan das Besuchsprogramm des Papstes in der Türkei nach den teilweise unhöflichen und extremen Reaktionen der türkischen Presse auf die Regensburger Vorlesung nicht geändert hat. Extremistische türkische Zeitungen schrieben Dieses Land wird das Grab des Papstes oder Das Land wird verunreinigt durch diesen Besuch. Es gebe eine kleine extremistische Minderheit, die aber sehr laut agiere und auch immer wieder vor dem Patriarchat demonstriere. Die Polizei in Istanbul schützt uns effizient, meint Bartholomaios. Dass die Sicherheitskräfte auch den Papst effizient schützen wollen, ist in Istanbul bereits spürbar.
Foto: (c) Ökumenisches Patriarchat
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