in Österreich
Festgottesdienst im Stephansdom zum 100. Jahrestag der Geburt des Opus Dei-Gründers Josemaria Escriva KATH.NET dokumentiert den Festvortrag von Bischof Küng
Wien (kath.net/PEW)
Die biblische Sicht der Arbeit betonte Kardinal Christoph Schönborn am Mittwochabend im Wiener Stephansdom beim Festgottesdienst zum 100. Jahrestag der Geburt des Gründers des Opus Dei, Josemaria Escriva. Der Wiener Erzbischof erinnerte daran, dass Escriva diese Sicht in die Mitte seines Wirkens gestellt hatte: Die Arbeit gehört zur Würde des Menschen, nichts sei so entwürdigend wie der Verlust der Arbeit, so Kardinal Schönborn wörtlich. Der 1992 selig gesprochene Gründer des Opus Dei habe die Alltagsarbeit als "Weg der Heiligung" aufgezeigt. Damit die Arbeit diese Dimension gewinnen könne, sei freilich der "Sprung in den Glauben" notwendig; auch im Evangelium werde geschildert, dass Petrus auf das Wort Jesu hin die Netze an einer Stelle auswarf, wo üblicherweise keine Fische zu fangen waren.
Kardinal Schönborn unterstrich, es sei tiefste Überzeugung des Judentums und des Christentums, dass Gott dem Menschen die Würde des "Mitschöpfers" gegeben habe. Der Mensch könne "schaffen, gestalten". Arbeit sei jedoch nur dann heiligend, "wenn sie nicht nur auf eigenes Wissen, eigene berufliche Kompetenz aufbaut". Die Wirksamkeit des Wortes Gottes müsse sichtbar werden. Der Wiener Erzbischof verwies darauf, dass Jesus Jahrzehnte als Arbeiter gelebt habe: "Er hat vorgelebt, was ein Leben aus der Gottverbundenheit bedeutet".
An der Spitze der Konzelebranten des Kardinals im vollbesetzten Stephansdom waren der Feldkircher Diözesanbischof Klaus Küng - der selbst aus dem Opus Dei kommt - und der Wiener Weihbischof Ludwig Schwarz; der ursprünglich auch als Konzelebrant vorgesehene Preßburger Erzbischof Jan Sokol war durch Krankheit verhindert. Es waren aber zahlreiche slowakische Pilger im Stephansdom anwesend, die Kardinal Schönborn auch in slowakischer Sprache begrüßte (im Opus Dei wird der ostmitteleuropäische Raum seit der "Wende" von Wien aus betreut).
Der Regionalvikar des Opus Dei, Martin Schlag, sagte zum Abschluss der Messfeier, das Opus Dei bestehe, "um der Kirche zu dienen". Als Personalprälatur sei das Opus Dei ein "Instrument der Gesamtkirche im Dienst an den Ortskirchen".
Nach dem Gottesdienst enthüllte Kardinal Schönborn beim Mariapocs-Altar eine Gedenktafel, die daran erinnert, dass Escriva bei einem seiner ersten Wien-Aufenthalte 1955 vor der aus Ungarn stammenden Marienikone das heute im Opus Dei weltweit verbreitete Gebet "Sancta Maria, Stella Orientis, filios tuos adiuva" (Heilige Maria, Stern des Ostens, hilf deinen Kindern) formuliert hatte. Bei der Eröffnung des "Mitteleuropäischen Kongresses" des Opus Dei im Erzbischöflichen Palais betonte Kardinal Schönborn die "Berufung Wiens" im einswerdenden Europa. Die Veranstaltungen des Kongresses, der unter dem Motto "Würde des Alltags und christliche Berufung" steht, finden in Wien, Graz, Innsbruck und Salzburg, Prag, Brünn (Brno), Preßburg (Bratislava), Budapest und Zagreb statt. Die Schlussveranstaltung findet am 22. Juni in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn statt. Den Hauptvortrag zum Thema "Der Auftrag der Laien - eine besondere Herausforderung für Mitteleuropa" hält Kardinal Franz König, der auch den feierlichen Abschlussgottesdienst in der Karlskirche zelebrieren wird.
Josemaria Escriva sei "ohne Zweifel" ein Pionier des Zweiten Vatikanischen Konzils gewesen, weil er die Bedeutung der Laien erkannt und einen Weg gezeigt habe, wie "Menschen heute und morgen als Christen leben und wirken können", sagte der Feldkircher Bischof Klaus Küng in seiner Eröffnungsansprache. Für Escriva sei der Alltag und darin insbesondere die Arbeit Gelegenheit, die Liebe mit Werken zu zeigen, auch Gelegenheit zu persönlicher Reifung. In diesem Sinn habe er von "Heiligung durch die Arbeit" gesprochen. Wörtlich meinte Bischof Küng: "Die Arbeit wird zum Leuchter, auf dem das Licht Christi brennen soll: das ist der Fall, wenn sie mit Lauterkeit der Absicht, mit Dienstbereitschaft, mit Freude, gut verrichtet wird".
Zugleich sei die Arbeit für Christen eine Möglichkeit, anderen Menschen Christus zu zeigen. Es sei immer die Hoffnung Escrivas gewesen, dass auf diese Weise das Evangelium durch viele Frauen und Männer in die Welt hinausgetragen, in die Häuser und Betriebe gebracht wird. Der Priester aus Barbastro in Nordspanien habe "vielen Menschen ganz neue Horizonte eröffnet und ihnen Mut gegeben, auch in unserer Zeit konsequent als Christen zu leben und Zeugnis abzulegen von der großen Hoffnung, die wir empfangen haben".
Küng erinnerte an seine persönlichen Begegnungen mit Escriva während seiner Studienzeit in Rom. Escriva habe mit eindrücklichen Worten von den "Gefahren einer geistlichen Bewusstseinsspaltung" bei Christen gesprochen: Dies betreffe Menschen, die "zwar einerseits mit einer gewissen Regelmäßigkeit beten und an der Messe teilnehmen, andererseits aber ihr Denken, Reden und Verhalten nicht oder kaum an Christus, an Gottes Wort ausrichten, entsprechend oberflächlich und innerlich leer sind".
Grundlage und Vorbild jeder echten Berufung sei für den Gründer des Opus Dei einzig und allein Jesus Christus gewesen, betonte Küng. Escriva habe sich ganz besonders von den 30 Jahren des verborgenen Lebens Jesu angezogen gefühlt.
Der Fest-Vortrag von Bischof Küng vom 9. 1. 2002 in Wienim Wortlaut:
Eminenz, sehr geehrte Festgäste!
Um zu verstehen, was der sel. Josefmaria Escrivá de Balaguer meinte, wenn er von der Würde des Alltags und – damit im Zusammenhang – von christlicher Berufung sprach, werden wir am besten vom 2. Oktober 1928 ausgehen.
Escrivá war damals ein sehr junger Priester, 26 Jahre alt, mit einem großen Verlangen, Gott zu dienen und die Menschen für Christus zu gewinnen. Seit seinem Entschluss, Priester zu werden, mit etwa 15 Jahren, hatte er immer eine gewisse Unruhe gespürt: er wollte für Gott ganz verfügbar sein, wusste aber nicht genau, was Gott konkret von ihm erwartete. Schon während der Seminarzeit und in den drei Jahren priesterlicher Tätigkeit waren ihm gewisse Einsichten wie mit Feuer ins Herz gebrannt worden: z.B. die Bedeutung der hl. Messe als Wurzel und Zentrum jedes christlichen Lebens oder das Verlangen, aus allen Bereichen der Gesellschaft Menschen zu Christus zu führen. An jenem 2. Oktober 1928 befand er sich zusammen mit einigen wenigen Priestern auf Exerzitien und ging in der Pause zwischen den Vorträgen seine persönlichen geistlichen Aufzeichnungen aus der letzten Zeit durch. Da erkannte er plötzlich mit aller Klarheit, was Gott von ihm erwartete: er sah Menschen aus allen Schichten der Gesellschaft, aus allen Nationen und Rassen, die mitten in der Welt Christus nachfolgen sollten.
Ab dieser Zeit begann er junge Menschen um sich zu sammeln, die bereit waren, ihr Leben ganz in den Dienst Gottes zu stellen. Er lehrte sie einen Weg des Gebetes, der mit ihren beruflichen und anderen Aufgaben im Einklang stand und führte sie zu einer radikalen Hingabe an Gott und zu mutigem apostolischem Einsatz.
Sein Vorhaben war schwierig, denn es gab kein Vorbild dafür. Er dachte zunächst nicht an eine Neugründung. „Es gibt so viele gute Einrichtungen in der Kirche“, sagte er sich und suchte nach etwas, das bereits existierte und dem entsprach, was er am 2. Oktober als Wille Gottes für sich und sein priesterliches Wirkungsfeld erkannt hatte; sehr bald musste er jedoch einsehen, dass es keine Institution mit einer solchen Zielsetzung gab. Und als sich die Ersten ihm anschlossen, bekam er sehr bald von manchen kirchlichen Kreisen her Gegenwind zu spüren: die einen hielten ihn für übertrieben, andere betrachteten als illusorisch oder sogar als falsch und abwegig, was er sagte: dass man nämlich in der Welt heilig werden könne. Wer das möchte, muss in ein Kloster eintreten oder Priester werden, war die allgemein verbreitete Meinung. Es war eine revolutionäre Botschaft, die er zu verbreiten suchte.
Das Opus Dei hat sich nach den Geburtswehen der ersten 30 Jahre, die nötig waren, um ihm einen Platz in der Kirche zu schaffen, rasch in der ganzen Welt entfaltet. Ich erinnere mich an eine Gelegenheit in Rom – es war 1968 oder 1969 in der Karwoche: damals kamen viele mit dem Opus Dei verbundene junge Menschen aus der ganzen Welt, um den Papst zu sehen und an der Osterliturgie in Rom teilzunehmen. Sie kamen aber auch zum Gründer des Opus Dei. Damals sagte er: „Wenn ich euch sehe, habe ich den Eindruck zu träumen: Weiße, Schwarze, Rote, Braune, Gelbe aus allen Rassen und Nationen mit unterschiedlichsten Berufen und sozialem Umfeld“. Es war Wirklichkeit geworden, was er am 2. Oktober 1928 „gesehen“ hatte.
Seine wichtige Erkenntnis war: alle Getauften und Gefirmten sind zur Nachfolge Christi berufen. Auch an Personen, die nicht in einen Orden eintreten oder Priester werden, kann der Ruf Gottes zu Heiligkeit und zu Apostolat mit aller Konsequenz ergehen. Er verehrte die Ordensleute und förderte sie, aber die spezifische Berufung, die er am 2. Oktober für viele Menschen in der ganzen Welt „sah“, ist anderer Art. Er sprach manchmal von der „Verrücktheit“, sofort den Standort wechseln zu wollen, sobald ein persönlicher Ruf Gottes erkannt wird. Für viele Christen – die meisten – bedeutet dieser Ruf gerade dort, wo Gottes Vorsehung und die eigene Entscheidung sie hingestellt hat, „Salz und Licht“ zu sein. Dadurch entsteht eine besondere Art der Wirksamkeit als Sauerteig in der Gesellschaft.
Mir ist unvergesslich, wie einmal der sel. Josefmaria zu mir und einigen anderen ganz unvermittelt sagte: „Bedenke, dass jene, die dir begegnen, Christus begegnen sollten“.
Escrivá half den Menschen, den Ruf Gottes im Alltag zu erkennen
Wenn der Ruf Gottes zu Heiligkeit und zu Apostolat an jemanden ergeht, der mitten in der Welt steht, bestimmte Aufgaben im Beruf, eventuell in einer Familie oder in anderen Zusammenhängen zu erfüllen hat, so vermittelt dies seinem ganzen Leben mit allen seinen Bereichen eine neue Perspektive und eine neue Fruchtbarkeit. Es ist so, als würde Gott ein Licht anzünden: der Bezug zu Gott wird erkannt und ständig ins Auge gefasst. “Dient dem Herrn in Freude“ wiederholte gerne der Gründer des Opus Dei (übrigens ist das der Wahlspruch von Weihbischof Ludwig Schwarz). Er machte bewusst, dass Gebet bei einem Menschen, der in der Welt steht, zum Einsatz führt, zu Bemühung, zu Liebe. Die Arbeit und die Hinwendung zu den anderen wird zum Ausdruck der Gottesverehrung, sie erhält auch bestimmte Merkmale.
Er machte darauf aufmerksam, dass man Gott nichts Unvollkommenes darbringen darf. Daher müsse alles, was man mit dem Blick auf Gott, für Gott, wegen Gott tut, möglichst gut, auch in menschlicher Hinsicht möglichst vollkommen getan werden. Wenn ein Student Got lieben möchte, dann wird die erste Folge sein, dass er sich bemüht, ein guter Student zu sein, der fleißig ist und alle seine Fähigkeiten zum Einsatz bringt. Diese Haltung führt zur Entdeckung des großen Wertes der kleinen Dinge, die zu Trägern der Liebe werden können. Auch im Gewöhnlichsten des Alltags beginnt ein „quid divinum“, etwas Göttliches aufzuleuchten. Der Alltag wird so zur Begegnung mit Gott, der Beruf zum Bestandteil der Berufung.
Der gleiche geheimnisvolle Zusammenhang – Himmel und Erde berühren sich – findet sich im Umgang mit den Menschen. Der sel. Josefmaria betrachtete Ehe und Familie in einer Zeit, als dies im allgemeinen kaum bewusst war, ebenfalls als Weg zur Heiligkeit, als Grundlage einer vollkommenen Hingabe an Gott, die in der Ehe untrennbar mit der gegenseitigen Hingabe der Eheleute und mit ihrer Liebe zu den Kindern verknüpft ist.
Für Escrivá war das Streben nach einer möglichst konsequenten und alles umfassenden Einheit des Lebens das Ziel jedes Gläubigen, der dem Ruf Gottes zu entsprechen sucht. Er sprach manchmal mit sehr eindrücklichen Worten von den Gefahren einer geistlichen Bewusstseinsspaltung bei nicht wenigen Christen, die zwar einerseits mit einer gewissen Regelmäßigkeit beten und an der Messe teilnehmen, andererseits aber ihr Denken, Reden und Verhalten nicht oder kaum an Christus, an Gottes Wort ausrichten, entsprechend oberflächlich und innerlich leer sind.
Grundlage und Vorbild jeder echten „Berufung“ war für den Gründer des Opus Dei einzig und allein Christus: er fühlte sich ganz besonders von den dreißig Jahren verborgenen Lebens Jesu angezogen. Gerne machte er darauf aufmerksam, dass Jesus den größten Teil seines Lebens einer gewöhnlichen Arbeit gewidmet hat, dass aber auch über diesen dreißig Jahren, von denen das Evangelium kaum etwas berichtet, weil es offenbar nichts besonderes zu berichten gab, das Leitwort stand: „Siehe, ich komme, deinen Willen zu erfüllen“. Der sel. Josefmaria nannte diese Jahre gerne „Jahre im Schatten, für uns aber klar wie Sonnenlicht“.
So ist für Escrivá der Alltag und in ihm insbesondere die Arbeit Gelegenheit, die Liebe mit Werken zu zeigen, auch Gelegenheit zu persönlicher Verbesserung und Reifung. In diesem Sinne sprach er von „Heiligung durch die Arbeit“. Er zeigte auf, dass die Arbeit – so betrachtet – zugleich zu etwas sehr Wertvollem werden kann. Es kommt zur „Heiligung der Arbeit“ und damit zur „Heiligung der Welt“, die dem Christen aufgetragen ist. Die Arbeit wird zugleich zum Leuchter, auf dem das Licht Christi brennen sollte: das ist der Fall, wenn sie mit Lauterkeit der Absicht, mit Dienstbereitschaft, mit Freude, gut verrichtet wird. Sie wird zum natürlichen Ort der Begegnung mit anderen Menschen, die so auf Christus stoßen können. Sie bietet Gelegenheit zum Apostolat. Er brachte dies auf die Kurzformel: „Durch die Arbeit andere heiligen“. Es war immer seine Hoffnung, dass auf diese Weise die Frohe Botschaft mit einer sehr aktiven Teilnahme an der Sendung der Kirche durch viele Männer und Frauen in die weite Welt hineingetragen und auf alle Straßen und Plätzen verkündet wird, in viele Häuser und Betriebe und so Christus zu vielen gelangt.
Gerade heute erkennen wir vielleicht mehr als zu anderen Zeiten die Priorität eines Gedankens, den Josefmaria Anfang der Dreißigerjahre formuliert hat und der sozusagen das Hauptanliegen des Opus Dei komprimiert wiedergibt: „Ein Geheimnis. Ein offenes Geheimnis: Es gibt Weltkrisen, weil es an Heiligen fehlt. Gott wünscht eine Handvoll „seiner“ Leute in jeder menschlichen Tätigkeit. Dann ... „pax Christi in regno Christi“ – der Friede Christi im Reich Christi“.
Josefmaria Escrivá war ohne Zweifel ein Pionier des II. Vatikanums. Durch das besondere Charisma, das ihm zuteil wurde, hat er einen sehr wesentlichen Beitrag geleistet, was Laienapostolat ist, und einen Weg gezeigt, wie Menschen heute und morgen unter den jetzigen Verhältnissen als Christen leben und wirken können. Er hat vielen Menschen ganz neue Horizonte eröffnet und ihnen Mut gegeben, auch in unserer Zeit konsequent als Christen zu leben und Zeugnis abzulegen von der großen Hoffnung, die wir empfangen haben. Wir haben allen Grund, am 100. Geburtstag dieses Seligen Gott zu danken.
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