'Es geht um die Feststellung der Ungültigkeit einer Ehe'

3. Februar 2007 in Interview


Interview mit Offizial Dr. von Castell (Bistum Augsburg) über die Gültigkeit von Ehen und Ehe-Annullierungen


Augsburg (kath.net/IBA)
Die Kirche hält an der Unauflöslichkeit der Ehe fest, betonte vergangenen Samstag Papst Benedikt XVI bei der Eröffnung des Gerichtsjahrs der „Rota Romana“, des zweithöchsten römischen Gerichts. Aber nicht nur in Rom, auch in den einzelnen Diözesen wird weltweit über die Gültigkeit von Ehen entschieden, wenn diese von einem der beiden Ehepartner angezweifelt wird. 19 Ehen sind vom Bischöflichen Konsistorium Augsburg, dem Ehegericht der Diözese, im Jahr 2006 annulliert worden.

Christoph Goldt von der Bischöflichen Pressestelle (IBA) sprach mit dem Offizial des Bistums Augsburg, Msgr. Dr. iur. can. Ernst Freiherr von Castell, über die kirchenrechtliche und pastorale Situation der betreffenden Ehepaare.

IBA: Herr Offizial, Sie sind der Vorsitzende Richter des Bischöflichen Diözesangerichtes. Ist eine weltliche Ehescheidung nicht letztlich das Gleiche wie eine kirchliche Annullierung einer Ehe?

v. Castell: Nein. Eine einmal gültig geschlossene und vollzogene Ehe zwischen Christen ist ein Sakrament und bis zum Tod unauflöslich. Die katholische Kirche kann also keine Scheidung aussprechen. Unter besonderen Umständen kann eine Ehe aber annulliert, d.h. für ungültig erklärt werden. Das bedeutet, das Bischöfliche Ehegericht stellt nach einem genau geregelten Verfahren fest, dass eine Ehe – trotz äußerlich korrekter Eheschließung – nie wirklich zustande gekommen ist. Es geht beim kirchlichen Verfahren also um die Feststellung der Ungültigkeit von Anfang an – und nicht um die spätere Aufhebung einer gültigen Ehe.

IBA: Wie viele Verfahren haben Sie denn im Jahr zu bearbeiten?

v. Castell: Es sind rund 100 Verfahren. 2006 kamen 66 neue hinzu, 19 wurden mit einer Annullierung in 1. Instanz beendet.

IBA: Wenn es eine 1. Instanz gibt, gibt es auch noch eine 2. Instanz?

v. Castell: Ja, die Urteile werden von einer 2. Instanz überprüft. Im Falle der Diözese Augsburg ist dies das Ehegericht des Erzbistums München-Freising. Umgekehrt ist das Ehegericht in Augsburg die 2. Instanz für die Verfahren aus dem Erzbistum München-Freising.

IBA: Woher kennen die Gläubigen eigentlich das Bischöfliche Ehegericht und wie kommen sie zu Ihnen?

v. Castell: Die meisten Anfragen kommen über die Seelsorger in den Pfarreien oder über Eheberatungsstellen. Manche suchen aber auch im Internet. Dass es die Möglichkeit einer Eheannullierung vor einem kirchlichen Ehegericht gibt, ist in den letzten Jahren immer bekannter geworden – und wir erhalten auch immer mehr Fälle.

IBA: Gibt es ein richtiges Gerichtsverfahren?

v. Castell: Ja. Jeder Fall wird von einem Richterkollegium mit drei Richtern bearbeitet, die alle ein Spezialstudium im Kirchenrecht haben müssen. Hat einer der Ehepartner eine Klage eingereicht und ist sie vom Gericht angenommen worden, werden die betreffenden Ehepartner befragt und auch Zeugen vernommen, und zwar einzeln, nacheinander. Dann erhalten die Parteien Einsicht in die Akten und können noch mal Stellung nehmen. Schließlich müssen die Richter entscheiden, ob die Ungültigkeit der Ehe bewiesen ist. Am Beginn des Verfahrens steht für uns aber immer ein intensives Beratungsgespräch mit der Partei, die die Klage beabsichtigt. Manchmal kommen auch beide Partner. Ein Ehenichtigkeitsverfahren wird übrigens erst dann eröffnet, wenn eindeutig klar ist, dass die Partnerschaft endgültig zerbrochen ist.

IBA: Kann der andere Partner das Verfahren blockieren?

v. Castell: Nein, das kann er nicht. Er wird natürlich aufgefordert seine Sicht der Dinge darzulegen. Verweigert er aber die Mitwirkung, führen wir das Verfahren ohne ihn durch, sofern genügend andere Beweise vorgelegt werden können.

IBA: Gibt es auch Anwälte oder – in Parallele zum weltlichen Gericht – einen „Staatsanwalt“?

v. Castell: Ja, es gibt auch spezielle kirchliche Anwälte, an die sich die Betroffenen wenden können – Anwaltszwang gibt es bei uns aber nicht. Und dem weltlichen Staatsanwalt entspricht bei uns der „Ehebandverteidiger“. Seine Aufgabe ist, im Verfahren alle Argumente für die Gültigkeit der in Frage stehenden Ehe vorzubringen. Denn beklagt wird die Existenz der Ehe, nicht der andere Partner. Und oft haben ja beide Ehepartner großes Interesse, dass die Ehe annulliert wird.

IBA: Was kostet denn ein solches Verfahren? Oft wird behauptet, nur Reiche können sich ein solches Verfahren leisten – oder hätten bessere Chancen auf eine Annullierung?

v. Castell: Das sind reine Gerüchte. Ein kirchliches Ehenichtigkeitsverfahren kostet pro Fall in der 1. Instanz 200 Euro, in der 2. Instanz 100 Euro. Weitere Kosten entstehen nur dann, wenn für die Klärung eines Ehenichtigkeitsgrundes ein psychologisches oder medizinisches Gutachten eingeholt werden muss. Der soziale Status des Klägers ist bei einem Verfahren völlig unerheblich, die Richter sind bei ihrer Entscheidung nur an das Gesetz und ihr Gewissen gebunden.

IBA: Welche Gründe müssen denn vorliegen, damit eine Ehe annulliert werden kann?

v. Castell: Das Kirchenrecht kennt eine Reihe unterschiedlicher Ursachen. Jeder Fall liegt anders. Häufig ist der Klagegrund „Ausschluss der Unauflöslichkeit“, wenn ein Partner etwa wegen eines Streits kurz vor der Trauung gar nicht mehr heiraten wollte, sich aber nicht getraut hat, die Hochzeit abzusagen, sondern sich fest vorgenommen hat, sich wieder scheiden zu lassen, wenn es noch einmal zu einem solchen Streit kommen sollte. Ein weiterer Grund kann sein, wenn einer der beiden Partner – oder beide – mit dem Vorsatz in die Ehe gegangen sind, nie Kinder zu wollen. Ungültig ist eine Ehe auch, wenn ein Partner vor der Eheschließung absichtlich getäuscht wurde, etwa indem ihm bewusst verheimlicht wurde, dass der Mann zeugungsunfähig ist – die Frau aber unbedingt Kinder wollte. Gründe können aber auch in der psychischen Verfasstheit eines Partners liegen, wenn er sich aufgrund seelischer Störungen nicht frei und bewusst für die Ehe entscheiden konnte oder nicht in der Lage war, ein Leben in der ehelichen Gemeinschaft zu führen. Selbstverständlich ist eine Ehe auch dann ungültig, wenn ein Partner gegen seinen Willen zur Ehe gezwungen worden ist, etwa durch Gewalt oder eine Selbstmorddrohung.

IBA: Wie lange dauert denn ein Ehenichtigkeitsverfahren?

v. Castell: Auch das ist unterschiedlich. Aber es ist durchaus realistisch einen Zeitrahmen von einem Jahr anzusetzen

Foto: (c) Bistum Augsburg


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