Papst: Das Naturrecht achten

13. Februar 2007 in Aktuelles


Benedikt XVI. warnt vor den gesellschaftlichen Folgen des ethischen Relativismus - Ansprache an die Teilnehmer des Internationalen Kongresses über das Naturrecht


Rom (www.kath.net / zenit) Die Achtung des Naturrechts ist nach Papst Benedikt XVI. die Grundvoraussetzung dafür, dass das Leben, die Familie und die Gesellschaft nicht zu Opfern des ethischen Relativismus werden.

Vor 200 Teilnehmern des Internationalen Kongresses über das Naturrecht, der von der Päpstlichen Lateranuniversität organisiert wurde, erneuerte Benedikt XVI. am Montagvormittag seinen Appell, die moderne Gefahr der Relativismus zu erkennen, der die Gesellschaft auf dramatische Weise in Mitleidenschaft ziehe.

Diejenigen, die aufgrund der fehlenden Achtung des „natürlichen Sittengesetzes“ am meisten zu leiden hätten, sind nach Aussagen des Papstes in vielen Fällen das menschliche Leben selbst, das Gegenstand der Willkür werde, sowie die von Gott auf der ehelichen Liebe gegründete Familie.

Gleichzeitig wies Benedikt XVI. erneut auf die Möglichkeit des Dialogs zwischen Glauben und Wissenschaft hin. Dabei dürfe jedoch nicht vergessen werden, dass „nicht alles, was wissenschaftlich machbar ist, auch ethisch erlaubt ist“.

Der Papst wies in seinen Erörterungen auf die Versuchung hin, die hinter dem Handeln des Menschen festzustellen sei: die Versuchung, die Existenz Gottes zu vergessen und jenes „in den Herzen der Menschen geschriebene Gesetz“ zu verraten, das vor jedem menschlichen Gesetz und vor jeder wissenschaftlichen Entdeckung komme. Dieses Gesetz entspreche „dem ersten und allgemeinsten Prinzip des ‚Tu das Gute, und vermeide das Böse!‘“.

Die Achtung vor dem Leben, das Recht auf Freiheit, das Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Solidarität, die aus diesem Prinzip hervorgingen, „werden oft von der Willkür der Macht oder den ideologischen Manipulationen verletzt, die Frucht einer Sicht des Menschen und der Welt sind, die an ihrer Basis nicht den geringsten ethischen Kodex hat, sondern dazu tendiert, den Fortschritt zu vergöttlichen“.

Trotz des aktuellen Moments einer außerordentlichen Entwicklung bei der Annahme von Lebensweisen kämen klare Widersprüchlichkeiten zum Vorschein: „Wir sehen alle die großen Vorteile dieses Fortschritts; wir erkennen aber auch immer mehr die Gefahren einer Zerstörung des Geschenks der Natur durch unser Tun.

Und wir stehen vor einer weiteren, weniger sichtbaren, aber deshalb nicht weniger beunruhigenden Gefahr: Die Methode, die es uns erlaubt, die vernünftigen Strukturen der Materie immer besser zu erkennen, macht uns immer unfähiger, die Quelle dieser Vernünftigkeit, die schöpferische Vernunft zu sehen.“

In dieser Hinsicht rief Benedikt XVI. dazu auf, sich darum zu bemühen, dass nicht das, was „private Interessen oder Pflichten sind, die dem Naturrecht zuwiderlaufen“, in Rechte umgewandelt würden. Dabei prangerte der Papst die vorherrschende Strömung des „Rechtspositivismus“ an.

Demgegenüber müsse klar festgehalten werden, dass „an der Grundlage einer jeden rechtlichen Ordnung, sei sie national oder international, die lex naturalis steht und bestehen bleibt“.

Eine sehr konkrete Anwendung dieses Prinzips „bezieht sich auf die Familie, das heißt auf die innige Lebensgemeinschaft, die vom Schöpfer gegründet und mit eigenen Gesetzen geordnet worden ist“.

Die Familie besitze ihre Stabilität durch die göttliche Ordnung. „Das Wohl der Eheleute hängt genauso wie das Wohl der Gesellschaft nicht von der Willkür ab.“ Gleiches gelte für die Pflicht der Suche nach der Wahrheit, die die Voraussetzung einer jeden echten Reifung der Person sei.

Eine weitere grundlegende Instanz des Subjekts ist für Benedikt XVI. die Freiheit. Dabei müsse der Tatsache Rechnung getragen werden, dass die Freiheit des Menschen immer eine mit anderen geteilte Freiheit sei.

Der Papst bekräftigte, dass kein vom Menschen geschaffenes Gesetz die vom Schöpfer geschriebene Norm umstürzen dürfe, ohne dass die Gesellschaft auf dramatische Weise verletzt werde in dem, was ihre Grundlage darstelle. Dadurch werde die Zukunft dieser Gesellschaft unsicher gemacht.

Daraus ergebe sich die Wichtigkeit, über das Naturrecht nachzudenken, „das Quelle der Normen ist, die jeglichem menschlichen Gesetz vorangehen“. Niemand habe das Recht, diese Normen anzutasten, geschweige denn sie teilweise aufzuheben.

Der Papst bekräftigte, dass vom Naturrecht wieder „andere Prinzipien abgeleitet werden, die das ethische Urteil über die Achtung des Lebens regulieren, das vom Augenblick der Empfängnis an bis zu seinem natürlichen Ende zu respektieren ist, da das Leben ein unentgeltliches Geschenk Gottes ist, über das der Mensch nicht verfügen darf“.

In der Welt von heute wird nach Benedikt XVI. mit aller Dringlichkeit sichtbar, wie notwendig es ist, „über das Naturrecht nachzudenken, das allen Menschen gemeinsam ist“, insofern es in das Herz des Menschen eingeschrieben ist. Auch heute sei dieses Naturrecht nicht unzugänglich.

Der moderne Mensch scheine allzu oft vergessen zu haben, dass „nicht alles, was wissenschaftlich machbar ist, auch ethisch erlaubt ist“, bekräftigte Benedikt XVI. abschließend. Solange die Technik den Menschen auf ein reines Experimentierobjekt reduziere, besteht in den Augen des Papstes die Gefahr, dass das schwache Subjekt der Willkür des starken Subjekts ausgeliefert sei.

„Sich der Technik als einzigem Garanten des Fortschrittes anzuvertrauen, ohne gleichzeitig einen ethischen Kodex zu bieten, der seine Wurzeln in derselben Wirklichkeit hat, die erforscht und entwickelt wird, käme der Tatsache gleich, der menschlichen Natur Gewalt anzutun – mit verheerenden Folgen für alle.“

Es sind für den Papst gerade die Menschen, die sich den Wissenschaften widmen, die bei der Vertiefung des Naturrechts eine entscheidende Rolle spielen: „Die Wissenschaftler müssen auch einen Beitrag leisten und helfen, unsere Verantwortung für den Menschen und die ihm anvertraute Natur in aller Tiefe zu verstehen.

Auf dieser Grundlage ist es möglich und notwendig, einen fruchtbaren Dialog unter Gläubigen und Nicht-Gläubigen zu entwickeln, unter Theologen, Philosophen, Juristen, und Wissenschaftlern, die auch dem Gesetzgeber wertvolles Material für das persönliche und soziale Leben liefern können.“


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