in Deutschland
Die Pisa-Studie, ihre Ursachen und bisher benannte Konsequenzen Ein Kommentar von Christa Meves
BRD (idea)
"Mehr Fordern durch mehr Leistungsnachweise". Das war eine vorherrschendeReaktion aufgeschreckter Bildungspolitiker auf die Pisa-Studie. Sie hatteergeben, daß deutsche Schüler im internationalen Vergleich beimLeseverständnis und bei mathematisch-naturwissenschaftlichenGrundkenntnissen unter 32 Nationen nur die abgeschlagenen Plätze 19 und 25belegten. Wer Gelegenheit hat, Kinder und Jugendliche in ihrem Alltag zubegleiten, kann über diese Forderung nur in seufzendes Erschrecken fallen.
Noch mehr Klassenarbeiten, noch mehr Tests? Das eigentliche Problem liegtdarin, daß man die Schule der Gleichheitsideologie unterworfen hat: Wannbegreifen wir, daß wir keine Chance in der internationalen Konkurrenz habenkönnen, wenn wir weiter nach Rasenmähermanier alle Kinderhirnegleichzuschalten suchen, wie es seit etwa 30 Jahren in Deutschlandgeschieht? Darüber hinaus: Statt den wesentlichen Lerninhalten Vorrangeinzuräumen, bieten die Lehrpläne eine unausgelesene Fülle. Dabei wirdvernachlässigt, die Kinder im Unterricht zu lehren, wie man lernt. SchulischGefordertes wird in den häuslichen Nachmittag abgeschoben - und überfordertKinder wie Eltern. Die rationale Intelligenz wird überschätzt: Man willganze Schülermassen zum Hochschulstudium "begaben".
Kaputte Familien - zerrüttete Schulen
Die Betonung der Gleichwertigkeit von intellektueller, praktischer, sozialerund musischer Begabung müßte der törichten Einbahnigkeit unseresBildungssystems entgegenwirken. In einigen Bereichen sollten wir zunächsteinmal getrost auf dem Schulsystem aufbauen, das wir vor 1970 besaßen. Sohat sich der Einsatz eines seine Schüler langjährig betreuendenKlassenlehrers bewährt! Er sollte also wieder "eingeführt" werden. Einweiteres: Immer mehr Kinder sind häuslich verwahrlost, unruhig undabgestumpft durch Reizüberflutung. Dem sollte durch mehr Beständigkeit inkleinen Klassen und durch Aktivitäten - wie mehr Gemeinschaftssport -entgegengewirkt werden. Man hat in den vergangenen dreißig Jahren nicht nurdas Schulsystem zerrüttet, sondern auch die Familie zu einem Auslaufmodellzu machen versucht. Die hohe Quote der Scheidungswaisen und die Nötigung derjungen Mütter in die außerhäusliche Berufstätigkeit macht es vielen Elternunmöglich, ihre Kinder schulisch kontinuierlich zu unterstützen. Es istdeshalb unrealistisch, ihnen mehr Mitarbeit abzuverlangen. In den USA hatdas die Regierung auf dem Boden der Hirnforschung bereits erkannt: Es istbesser, den Müttern zu Ansehen und finanzieller Unabhängigkeit zu verhelfen,als die gesamte Gesellschaft wirtschaftlich zu ruinieren. Ähnliches solltein Deutschland versucht werden, statt überall Ganztagsschulen zu schaffen.
Einheimische Kinder nicht benachteiligen
Um ein angemessenes Niveau beim Lesen, Schreiben und Rechnen zu erreichen,wäre es auch nötig, jene Kinder während der ersten Schuljahre getrennt zuunterrichten, in deren Zuhause nicht deutsch als Muttersprache gesprochenwird. Es ist eine verantwortungslose, geradezu masochistischeBenachteiligung der einheimischen Kinder, sie mit (womöglich einer Überzahl)eigentlich fremdsprachiger Kinder in den ersten Schuljahren in eineneinzigen Klassentopf zu stecken. Auch die zur Zeit aufkommende Idee, wiederreine Mädchenschulen anzubieten, ist kein Rückschritt, sondern Neubeginneiner konstruktiven Zukunft. Schulkinder sind eben keine Einheitsware. Wersie dazu mit deutscher Gründlichkeit zu machen sucht, kann es zu nichtsanderem bringen als zu viel Unglück im Einzelschicksal, zu viel sinnloserPlage in den Elternhäusern und schließlich zu Stümpern als Schlußlicht inder Weltkonkurrenz.
(Die Autorin, Christa Meves (Uelzen), ist Kinder- undJugendlichenpsychotherapeutin)
Foto: (c) christa-meves.de
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