Maria lieben mit dem Herzen Jesu

5. Mai 2007 in Spirituelles


Passauer Bischof Wilhelm Schraml predigte am 1. Mai in Altötting.


Altötting (www.kath.net)
KATH.NET dokumentiert die Predigt von Bischof Wilhelm Schraml vom 1. Mai in Altötting im Wortlaut:

Wenn wir in dieser Stunde des 1. Mai, am Fest der Schutzfrau Bayerns, den dreifaltigen Gott feiern, dann treten wir hinein in das Beten der ungezählten Menschen, die hier in Altötting die Jahrhunderte hindurch ihre Leiden und Freuden zur Mutter aller Gnaden getragen haben.

Wir bitten in dieser Stunde um den Heiligen Geist, dass er uns Licht sei auf unserem Weg durch die Zeit. Und wir tun es im Hinschauen auf Maria und in liebender Gemeinschaft mit ihr. Wir rufen sie an in der Lauretanischen Litanei als „Kelch und Gefäß des Heiligen Geistes“. Darin verdichtet sich, was die Heilige Schrift von ihr sagt: Dass Maria nicht ein Mensch war, der sich selbst zu verwirklichen und zu vollenden suchte, sondern ganz offen war für den Anruf von oben; ein Mensch, der nicht bloß aus dem Eigenen lebte, sondern im Geheimnis des allheiligen Gottes sich bewegte.

Wenn wir auf Maria schauen, dann dürfen wir erkennen, dass der Geist Gottes sich uns sichtbar, hörbar und verständlich macht durch Menschen hindurch, die sich ihm öffnen und in denen er wirkt. So tritt Maria gleichsam aus der Vergangenheit mitten in unsere Gegenwart herein und lässt uns staunen über das Große und Schöne, das Gott durch die Gnade seines Heiligen Geistes an ihr gewirkt hat.

Wenn wir uns von Maria führen lassen wollen, dann drängt sich uns ganz von selbst die Frage auf: Was ist das, wenn ein Mensch Gefäß des Geistes ist, wenn er aus und mit der Gnade lebt, die immer Geschenk Gottes ist?

Betrachten wir zunächst einmal das Evangelium, das wir gehört haben.Der Engel tritt zu Maria ein und grüßt sie. Maria ist ein Mensch, der wach genug nach innen und nach oben ist, um den Engel wahrzunehmen und seinen Gruß zu hören. Sie ist ein Mensch, dessen Welt nicht im Greifbaren und Machbaren endet, dessen Ohren nicht vollgeschrieen sind vom Lärm dieser Welt, dessen Augen nicht geblendet sind von ihren Bildern und Irrlichtern. Der Engel grüßt sie: Freu dich, Maria, denn du bist voll der Gnade. Und Maria kann sich freuen aus dem tiefsten Grund heraus, weil sie voll der Gnade ist.

Denn die Gnade ist ja nicht irgendetwas, das Gott uns schenkt. Sie ist Gottes Gabe, sie ist Gott selbst. Gott rührt uns an und tritt mit uns in eine lebendige Gemeinschaft.

Maria ist ein Mensch, dessen Lebensraum der lebendige und allheilige Gott ist. In seiner Liebe bewegt sie sich, lebt sie und ist sie.

Wie sieht das nun in ihrem Leben ganz praktisch aus?

Hören wir ihr selber zu, im Magnifikat, also in dem Gebet, mit dem Maria den Gruß ihrer Verwandten Elisabeth beantwortet: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter. Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut... Der Mächtige hat Großes an mir getan, und sein Name ist heilig“ (Lk 1,46 ff).

Maria ist ein Mensch, der ganz in der Nähe Gottes lebt; ein Mensch, für den Gott nicht irgendetwas Äußerliches und Fremdes ist, den man in bestimmten Stunden herbeiruft und sonst beiseite lässt. Gott ist vielmehr der beständige Raum ihres inneren Lebens. Oder mit anderen Worten gesagt: Maria ist ein betender Mensch, der vom Grund seiner ganzen Existenz her im Gespräch mit Gott, im liebenden Miteinander mit ihm lebt. Darum geht ihr Reden ganz von selbst ins Beten über. Da werden Gottes Worte aus der Bibel zu ihren eigenen Worten.

Dazu will uns Maria zu allererst führen, dass Gottes Wort für uns nicht eine fremde Sache ist, die wir vielleicht an einem Festtag irgendwann in der Bibel aufschlagen und lesen und wieder beiseite legen. Raum des Lebens soll uns Gottes Wort werden, in dem wir daheim sind, in dem unser Zuhause ist.

Wenn man das Magnifikat betrachtet, dann spürt man, dass hier nicht ein gelehrter Verstand Worte zurecht gemacht hat. Die Person, die so betet, ist eins mit sich selbst und sie ist ganz durchlebt von der Freude in Gott. Darum lebt sie auch in Gottes Willen. Dieser Wille ist ihr nicht ein fremdes Gesetz. Der Lebensweg Mariens ist dadurch gekennzeichnet, dass sie Gott gewähren lässt, dass sie sich ihm frei hinschenkt. Und so löst sie die bleibende Grundhaltung ihres Lebens ein: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (Lk 1,38).

Das Leben Mariens ist ein fortwährendes und immer neues Ja-Sagen zu Gottes Willen, das herauswächst aus ihrem Daheimsein in Gottes Wort.

Unser Heiliger Vater Papst Benedikt XVI. sagte am 11. September 2006 in seiner Predigt droben auf dem Kapellplatz: „Maria lehrt uns beten: (d.h.) Nicht unseren Willen und unsere Wünsche – so wichtig, so einsichtig sie uns auch sein mögen – Gott gegenüber durchsetzen wollen, sondern sie zu ihm hintragen und ihm überlassen, was er tun wird. Von Maria lernen wir die helfende Güte, aber auch die Demut und die Großzügigkeit, Gottes Willen anzunehmen und ihm zu vertrauen, ihm zu glauben, dass seine Antwort, wie sie auch sein wird, das wahrhaft Gute für uns, für mich ist.“

Wenn wir Maria ehren, dann gilt unsere Verehrung einer lebendigen Person, die der dreifaltige Gott mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen hat, damit sie dort unsere mächtige Fürsprecherin und Mutter sei.

Haben wir eine große Liebe zur Mutter unseres Herrn. Aber wie sollen wir sie lieben? Ein schönes Wort von Kardinal Suenens kann uns das sagen: „Maria lieben mit dem Herzen Jesu.“ Seine Liebe zu seiner Mutter soll uns Beispiel und Maßstab sein. Maria lieben mit dem Herzen Jesu: Welches Vertrauen, welche Treue, Wärme und Innigkeit liegt doch in diesem Wort!

Maria lieben mit dem Herzen Jesu: Sie nimmt unsere Liebe an und erwidert sie. Gleichzeitig richtet sie unseren Blick auf Jesus, ihren Sohn. Sie lehrt uns, ihn zu lieben, wie sie ihn geliebt hat, sich ganz auf Gott einzulassen im Wort und Gebet und in der Erfüllung seines Willens.

„Maria lieben mit dem Herzen Jesu. – Jesus lieben mit dem Herzen Mariens.“ Das sollen die vielen Pilgerinnen und Pilger, die dieses Jahr wieder zum Heiligtum Unserer Lieben Frau nach Altötting kommen, wieder neu in ihr Herz aufnehmen und so innerlich gestärkt und froh wieder heimkehren und das die Menschen zu Hause spüren lassen.


© 2007 www.kath.net