Als die Jungfrau von Guadalupe dem Indio San Juan Diego erschien

13. Mai 2007 in Aktuelles


Die letzte große Rede von Papst Benedikt in Brasilien fand am Sonntag am Abend vor der Generalversammlung des lateinamerikanischen und karibischen Episkopats statt.


Aparecida (www.kath.net/Zenit.org)
Papst Benedikt XVI. hat Sonntag um 21.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit (16.00 Ortszeit Aparecida, Brasilien) im größten Marienwallfahrtsort des Landes im Rahmen einer Vesper die Sitzung der V. Generalversammlung des lateinamerikanischen und karibischen Episkopats eröffnet.

Nach dem Einzug des Heiligen Vaters in die Basilika fand die Inthronisierung des Buches der Heiligen Schrift statt, das den Vorsitz aller Sitzungen der Generalversammlungen der Bischöfe führen wird.

Francisco Javier Kardinal Errázuriz Ossa, Erzbischof von Santiago de Chile und Vorsitzender des Rates der lateinamerikanischen Bischofskonferenzen (CELAM), hat im Namen aller versammelten Bischöfe die Begrüßungsworte an den Papst gerichtet.

Das historische Treffen von 176 Kardinälen, Erzbischöfen und Bischöfen aus Lateinamerika, den Karibischen Inseln, den Vereinigten Staaten, Spanien und Portugal, die rund die Hälfte der katholischen Weltbevölkerung vertreten, steht unter dem Leitwort: „Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unsere Völker in ihm das Leben haben. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6).“

Am Ende der Liturgie hat sich Benedikt XVI. in einer Predigt an die Mitglieder der Generalversammlung gewendet. Kath.net dokumentiert die von „Radio Vatikan“ veröffentliche Übersetzung der Rede:

"Liebe Brüder der Bischofskonferenz, geliebte Priester, Gläubige und Laien. Liebe Beobachter anderer Konfessionen,

ich freue mich sehr, hier zu sein, um mit Euch die fünfte Generalkonferenz der Bischöfe Lateinamerikas und der Karibik einzuweihen, hier neben der Wallfahrtskirche für Unsere Liebe Frau von Aparedida, die Patronin Brasiliens. Ich will, dass meine Worte Gott loben und danken für die große Gabe des christlichen Glaubens, die er den Menschen dieses Kontinentes geschenkt hat.

Der christliche Glaube in Lateinamerika

Der Glaube an Gott hat das Leben und die Kultur dieser Länder mehr als fünf Jahrhunderte hindurch beseelt und lebendig gemacht. Durch die Begegnung dieses Glaubens mit den Urvölkern ist die reiche christliche Kultur dieses Kontinents entstanden, die in der Kunst, in der Musik, in der Literatur und vor allen Dingen in den religiösen Traditionen und der Mentalität der Menschen zum Ausdruck kommt; vereint durch die eine gleiche Geschichte und dasselbe Glaubensbekenntnis, um den Ursprung in Einklang zu bringen, frei von kulturellen und sprachlichen Unterschieden. In diesem Moment muss sich dieser Glaube einer Serie von Herausforderungen stellen: Die harmonische Entwicklung der Gesellschaft und die katholische Identität seiner Bevölkerung steht auf dem Spiel.

Die Fünfte Generalkonferenz hat sich vorgenommen, über diese Situation nachzudenken, um den gläubigen Christen zu helfen, ihren Glauben mit Freude und im Bewusstsein zu leben, Nachfolger und Missionare Christi auf Erden zu sein, um das Zeugnis unseres Glaubens, unserer Liebe zu verkünden.

Was hat es für Lateinamerika und die Karibik bedeutet, den christlichen Glauben anzunehmen?

Für sie hieß es, Christus kennen zu lernen, ihn aufzunehmen, diesen unbekannten Gott, den ihre Vorfahren, ohne ihn zu kennen, in ihren vielfältigen religiösen Traditionen gesucht haben. Christus war der Retter, an den sie sich sehnsüchtig wendeten. Das bedeutete auch, mit dem Taufwasser das göttliche Leben, dass sie zu Kindern Gottes gemacht hatte, anzunehmen, den Heiligen Geist zu empfangen, der ihre Kultur befruchtete, reinigte und die zahlreichen Keime und Samen, die das Wort zu „Fleisch geworden“ in ihnen hinterlassen hatte, weiter zu entwickeln und sie auf den Weg des Evangeliums zu bringen.

In der Tat: Die Verkündung Jesu und des Evangeliums brachte in keinster Weise eine Entfremdung der vorkolumbianischen Kultur mit sich, auch nicht die Besetzung oder Auferlegung durch eine fremde Kultur.

Die ursprünglichen Kulturen sind nicht in sich verschlossen, nicht eingemauert an einem bestimmten Punkt der Geschichte, im Gegenteil - sie sind offen, sie suchen die Begegnung mit anderen Kulturen, hoffen in der Begegnung, im Dialog mit anderen Lebensformen die Universalität, die Allgemeingültigkeit zu erkennen; die Elemente, die sie zu einer neuen Synthese führen könnten, einer Einheit, die stets die Ausdrucksvielfalt und die Verwirklichung des konkreten kulturellen Raumes respektiert.

In der letzten Instanz ist es die Wahrheit, die verbindet - und ihre Bewährung ist die Liebe. Aus diesem Grund ist Christus, tatsächlich der fleischgewordene „Logus“, die unendliche Liebe, die keiner Kultur und keinem Menschen fremd ist, im Gegenteil: Die im Herzen der Kulturen ersehnte Antwort, die ihnen ihre letztendliche Identität verleiht, die Menschheit vereint; aber gleichzeitig den Reichtum der Vielfältigkeit respektierend an dem Wachstum der wahren Menschlichkeit, diesem wahrhaftigen Prozess teilhaben lässt.

Das Wort Gottes, das uns zu Fleisch in Jesus Christus werden lässt, erschuf auch die Geschichte und die Kultur.

Die Utopie, sich zurückzuwenden, um den vorkolumbianischen Religionen neues Leben einzuhauchen, sie von Christus und der universellen Kirche zu entfernen, wäre kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. In Wirklichkeit wäre dies eine Rückentwicklung, hin zu einem historischen Moment, verankert in der Vergangenheit. Die Weisheit der Urvölker bewirkte glücklicherweise ein Synthese zwischen ihrer Kultur und dem christlichen Glauben, der ihnen von den Missionaren angeboten wurde. An diesem Punkt wurde die reiche und tiefe Volksfrömmigkeit geboren, die sich in der Seele des lateinamerikanischen Volkes widerspiegelt.

Als die Jungfrau von Guadalupe dem Indio San Juan Diego erschien, sagte sie diese bedeutenden Worte: „Bin nicht ich deine Mutter? Bist Du nicht unter meinem Schatten, meinem Blick? Bin nicht ich die Quelle deiner Freude? Genießt Du nicht den Schutz meines Mantels meiner Umarmung?" Diese Religiosität zeigt sich auch in der Verehrung der Heiligen und ihren Patronatsfesten, in der Liebe zum Papst und den Seelsorgern, in der Liebe zur universellen Kirche, der großen Familie Gottes, die ihre Kinder niemals alleine lässt in ihrem Elend.

Das alles formt das große Mosaik der Volksfrömmigkeit, die ein großer Schatz in der katholischen Kirche Lateinamerikas ist. Sie muss beschützt, gefördert und, wenn es nötig ist, auch geläutert werden.

Kontinuität mit anderen Konferenzen

Diese Fünfte Generalkonferenz wird in Kontinuität mit den anderen vier Konferenzen abgehalten, die in Rio de Janeiro, Medellin, Puebla, und Santo Domingo begangen wurden. Mit dem gleichen Geist, der diese Konferenzen beseelte, wollen die Seelsorger jetzt neue Impulse für die Evangelisierung geben, damit die Völker in ihrem Glauben weiterwachsen, um mit ihrem eigenen Leben Licht und Zeugnis Jesu Christi zu sein.

Nach der vierten Generalkonferenz in Santo Domingo haben sich viele Dinge in der Gesellschaft verändert. Die Kirche, die an Hoffnungen, Kummer und Freude ihrer Kinder teilhaben möchte, will an ihrer Seite gehen in dieser Zeit der Herausforderungen, um ihnen Trost und Hoffnung zu spenden.

In der heutigen Welt sehen wir das Phänomen der Globalisierung wie ein Geflecht von Beziehungen weltweit. Unter verschiedenen Gesichtspunkten ist dies auch ein Verdienst der großen Familie der Menschheit und ein Signal ihrer tiefen Einheit; es bringt gleichzeitig jedoch Zweifel mit sich, Risiken großer Monopolisierungen und die Gefahr, Verdienst an erste Stelle zu setzen. Wie auf jedem Gebiet menschlichen Handelns, so muss auch die Globalisierung von ethischen Maßstäben geleitet werden, die im Dienst des Menschen stehen, der das Antlitz Gottes trägt.

In Lateinamerika und in der Karibik wie auch in vielen anderen Regionen sieht man ein Fortkommen in Richtung Demokratie; dennoch bleiben Motive, sich Sorgen zu machen angesichts autoritärer Regierungen oder Ideologien, die sich überlegen dünken und die mit der christlichen Vorstellung vom Menschen und der Gesellschaft, wie es die Soziallehre der katholischen Kirche lehrt, nichts zu tun haben.

Auf dem Weg zu einer freien Wirtschaft in manchen Ländern Lateinamerikas muss die Gerechtigkeit im Blick behalten werden, denn weiterhin sieht man, dass der soziale Sektor vernachlässigt wird, die enorme Armut wächst und die natürlichen Ressourcen und Schätze geplündert werden.

In der kirchlichen Gemeinschaft Lateinamerikas ist die Reife des Glaubens bemerkenswert, die viele Laien im Dienst des Herrn unter Beweis stellen, zusammen mit den großzügigen Katechisten, vielen jungen Leuten, neuen kirchlichen Bewegungen und kürzlich erst gegründeten Einrichtungen des geweihten Lebens. Als fundamental erweisen sich viele katholische Bildungseinrichtungen oder solche die Hilfe und Aufnahme geben. Es stimmt schon, dass im Ganzen der Gesellschaft eine Schwächung des christlichen Lebens und der Teilnahme am Leben der katholischen Kirche festzustellen ist; das liegt am Säkularismus, am Hedonismus an der Beliebigkeit und auch am Proselytismus durch zahlreiche Sekten, durch Naturreligionen, oder durch neue Pseudo-religiöse Bewegungen.

All das stellt uns vor eine neue Situation, um die es hier in Aparecida gehen wird. Angesichts der neuen und schwierigen Herausforderungen hoffen die Gläubigen, dass diese fünfte Konferenz ihren Glauben an Christus erneuern und wiederbeleben wird. Denn Christus ist unser einziger Lehrer und Retter, der uns die einzigartige Erfahrung der unbegrenzten Liebe von Gott Vater zu den Menschen gezeigt hat.

Aus dieser Quelle können neue Wege und kreative pastorale Projekte hervorkommen, die in der Lage sind, eine sichere Hoffnung zu entwickeln, um den Glauben auf verantwortungsvolle und freudige Weise zu leben und ihn auf diese Art und Weise in der eigenen Umgebung einzuwurzeln.

Jünger und Missionare

Diese Generalkonferenz hat zum Thema: „Jünger und Missionare Jesu Christi, damit unsere Völker in ihm das Leben haben – ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.“ Die Kirche hat die große Aufgabe, den Glauben des Volkes Gottes zu schützen und zu nähren und außerdem die Gläubigen dieses Kontinents daran zu erinnern, dass sie durch Ihre Taufe berufen sind, Schüler und Missionare Jesu Christi zu sein. Das bedeutet ihm nachzufolgen, in seiner Nähe zu leben, sein Beispiel nachzuahmen und Zeugnis von ihm zu geben. Jeder Getaufte erhält von Christus, genauso wie die Apostel, den Auftrag zur Mission: „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium allen Geschöpfen. Wer glaubt und getauft wird, der wird gerettet."

Jünger und Missionare Jesu Christi zu sein und das Leben in ihm zu suchen, bedeutet, sich zutiefst in ihm zu verwurzeln.

Was gibt uns Christus eigentlich? Warum sollen wir seine Jünger sein? Die Antwort heißt: Weil wir hoffen, in der Gemeinschaft mit ihm das Leben zu finden. Das wahre Leben, das dieser Bezeichnung würdig ist. Und darum wollen wir ihn auch den anderen vorstellen und ihnen die Gabe weitergeben, die wir in ihm gefunden haben. Aber ist das wirklich so?

Sind wir denn wirklich überzeugt, dass Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben ist? Angesichts der Priorität des Glaubens an Christus und des Lebens in ihm, wie der Titel dieser fünften Konferenz formuliert, könnte noch eine andere Frage aufkommen: Ist diese Priorität vielleicht eine Flucht in die Nische, in einen religiösen Individualismus, ein „die Augen verschließen“ vor der dringenden Realität der großen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme Lateinamerikas und der ganzen Welt? Also eine Flucht vor der Realität, in eine spirituelle Welt hinein?

Als einen Schritt können wir auf diese Frage mit einer anderen antworten: Was ist denn diese Realität? Was ist das Wirkliche? Sind nur die materiellen Güter, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Probleme Realitäten? Genau hier liegt der große Irrtum der vorherrschenden Tendenzen des letzten Jahrhunderts. Ein destruktiver Irrtum, wie die Ergebnisse sowohl des marxistischen als auch des kapitalistischen Systems zeigen. Sie falsifizieren das Konzept von Wirklichkeit, indem sie die grundlegende und darum entscheidende Realität amputieren: nämlich Gott.

Wer Gott aus seinem Horizont ausschließt, der bekommt ein schiefes Bild von der Wirklichkeit und kann nur auf dem falschen Weg landen, mit den falschen Rezepten in der Hand. Unsere erste grundlegende Aussage ist darum die folgende: Nur wer Gott anerkennt, kennt die Realität und kann auf sie adäquat und wirklich menschlich antworten. Die Wahrheit dieser These scheint evident, wenn wir auf das Versagen aller Systeme blicken, die Gott in Klammern setzen.

Aber sofort kommt eine andere Frage auf: Wer kennt denn Gott? Wie können wir ihn erkennen? Wir können hier nicht in eine erschöpfende Debatte über diese fundamentale Debatte eintreten. Für den Christen ist der Kern der Antwort klar: Nur Gott kennt Gott. Nur sein Sohn kennt ihn, weil er Gott von Gott und wahrer Gott ist.

"Er, der im Schoße des Vaters ruht, hat ihn uns kundgetan." Hier liegt die einzigartige und ersetzliche Bedeutung Christi für uns, für die Menschheit. Wenn wir Gott nicht in Christus und mit Christus kennen lernen, verwandelt sich die ganze Wirklichkeit in ein unergründliches Rätsel; dann gibt es keinen Weg. Und wenn es keinen Weg gibt, dann gibt es auch keine Leben und keine Wahrheit.

Gott ist die grundlegende Realität - nicht ein nur ausgedachter, hypothetischer Gott, sondern der Gott mit dem menschlichen Antlitz. Er ist der Gott mit uns, der Gott der Liebe bis zum Kreuz. Wenn der Jünger schließlich diese Liebe Christi bis ans Ende begreift, dann kann er gar nicht anders, als auf diese Liebe mit einer ähnlichen Liebe zu antworten: „Wo Du hingehst, da will auch ich hingehen.“

Wir können uns noch eine andere Frage stellen: Was gibt uns der Glaube an diesen Gott?Die erste Antwort ist: Er gibt uns eine Familie. Die universelle Familie Gottes in der katholischen Kirche. Der Glaube befreit uns aus der Isolation des ICH, denn er drängt uns zur Gemeinschaft. Die Begegnung mit Gott ist in sich selbst und als solche eine Begegnung mit den Brüdern. Ein Akt der Sammlung, der Vereinigung, der Verantwortung für den anderen und für die anderen. In diesem Sinn ist die „Option für die Armen“ impliziert schon drin im christologischen Glauben an diesen Gott, der für uns arm geworden ist, um uns mit seiner Armut zu bereichern. Aber bevor wir darüber nachdenken, was der Realismus des Glaubens an einen menschgewordenen Gott mit sich bringt, müssen wir eine andere Frage vertiefen.

Wie können wir wirklich Christus kennen lernen, um ihm zu folgen und mit ihm zu leben? Um das Leben in ihm zu finden und um dieses Leben an die anderen weiter zu geben? An die Gesellschaft und an die Welt?

Christus gibt sich uns vor allem durch das Wort Gottes zu erkennen in seiner Person, in seinem Leben und in seiner Lehre. Zu Beginn dieser neuen Etappe, zu der sich die missionarische Kirche Lateinamerikas und der Karibik jetzt anschickt, ausgehend von dieser fünften Generalkonferenz von Aparecida, ist es eine unabdingbare Voraussetzung, das Wort Gottes in seiner Tiefe kennenzulernen.

Ein großartiges Mittel, um das Volk Gottes in das Geheimnis Christi einzuführen, ist die Katechese. In ihr wird auf einfache und substantielle Weise die Botschaft Jesu Christi weitergetragen. Man sollte also die Katechese und die Glaubensbildung sowohl der Kinder und der jungen Leute als auch der Erwachsenen intensivieren. Eine reife Reflexion über den Glauben ist Licht für den Lebensweg und Kraft, um Zeugen Christi zu sein. Es gibt dafür sehr wertvolle Werkzeuge, zum Beispiel den "Katechismus der katholischen Kirche" und seine Kurzfassung, das "Kompendium des Katechismus der katholischen Kirche".

Auf diesem Gebiet darf man sich nicht nur auf Predigten, Konferenzen, Bibel oder Theologiekurse beschränken, sondern auch auf die Medien zurückgreifen: Presse, Radio und Fernsehen, Internetseiten, Foren und so viele andere Systeme, um auf wirksame Weise eine große Zahl von Menschen die Botschaft Christi zu verkünden.

In diesem Bemühen, die Botschaft Christi kennenzulernen und sie zur Richtschnur des eigenen Lebens zu machen, sollte man sich daran erinnern, dass sich die Evangelisierung immer im Gleichschritt mit der Forderung des Menschen und der authentischen christlichen Befreiung entwickelt hat. Liebe zu Gott und Liebe zum Nächsten gehen ineinander über. Im geringsten unserer Brüder finden wir Jesus selbst und in Jesus finden wir Gott. Aus dem gleichen Grund wird auch eine soziale Katechese und eine adäquate Ausbildung in der Soziallehre der Kirche nötig sein. Und dafür ist das "Kompendium der Soziallehre der Kirche" sehr nützlich. Das christliche Leben drückt sich nicht nur in den persönlichen Tugenden aus, sondern auch in den sozialen und politischen.

Der Jünger, der so auf den Felsen des Worte Gottes baut, fühlt sich gedrängt, das Evangelium des Heils zu seinen Brüdern zu bringen. Jüngerschaft und Mission sind wie die beiden Seiten der selben Medaille. Wenn der Jünger in Christus verliebt ist, kann er nicht inne halten, der Welt zu verkünden, dass nur er uns rettet. Ja, der Jünger weiß, dass es ohne Christus kein Licht gibt, keine Hoffnung, keine Liebe und keine Zukunft.

Damit sie das Leben haben

Die Völker Lateinamerikas und der Karibik haben ein Recht auf Leben in Fülle, wie es den Kindern Gottes eigen ist - unter menschlicheren Bedingungen: Frei von Drohungen wie Hunger oder jeder Form von Gewalt. Für diese Völker müssen ihre Hirten eine Kultur des Lebens voranbringen. Wie mein Vorgänger Paul VI. gesagt hat: Um vom Elend zum Besitz des Notwendigen zu kommen, zur Erlangung der Kultur, zur Kooperation im Gemeinwohl bis zur Anerkennung der höheren Werte und dessen, der ihre Quelle und ihr Ziel ist, durch den Menschen.

In diesem Zusammenhang möchte ich an die Enzyklika „Populorum progressio“ erinnern, deren vierzigsten Geburtstag wir in diesem Jahr feiern. Dieses päpstliche Dokument unterstreicht, dass echter Fortschritt umfassend sein muss, das heißt, ausgerichtet auf die Förderung des Wohles des ganzen Menschen und aller Menschen. Und es lädt dazu ein, die schwerwiegenden sozialen Ungleichheiten und die enormen Unterschiede im Zugang zu den Gütern zu bekämpfen. Diese Völker dürsten vor allem nach der Fülle des Lebens, das Christus uns gebracht hat. "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben." Mit diesem göttlichen Leben entwickelt sich auch in ihrer Fülle die menschliche Existenz. In ihrer persönlichen, familiären, sozialen und kulturellen Dimension.

Um den Jünger auszubilden und den Missionar in seiner großen Aufgabe zu unterstützen, bietet die Kirche ihnen nicht nur das Brot des Wortes an, sondern auch das Brot der Eucharistie. In dieser Hinsicht inspiriert und erleuchtet uns das Evangelium über die Emmaus-Jünger. Als diese sich zu Tisch setzen und von Jesus Christus das gesegnete und gebrochenen Brot empfangen, da gehen ihnen die Augen auf, und sie erkennen das Antlitz des Auferstandenen. Sie spüren in ihrem Herzen, dass das, was er ihnen gesagt und getan hat, wahr ist, und das die Erlösung der Welt schon begonnen hat.

Jeden Sonntag und bei jeder Eucharistiefeier begegnen wir Christus persönlich. Wenn wir das göttliche Wort hören, brennt uns das Herz, denn er ist es, der es uns erklärt und proklamiert. Wenn bei der Eucharistie das Brot gebrochen wird, dann ist er es, den wir empfangen. Die Eucharistie ist die unerlässliche Nahrung für das Leben des Jüngers und des Missionars Christi. Von hier kommt die Notwendigkeit in unserem Pastoralprogramm, dem Wert der Sonntagsmesse Priorität zu geben. Wir müssen die Christen motivieren, damit sie aktiv an ihr teilnehmen – am besten, wenn möglich, gemeinsam mit der Familie. Die Präsenz der Eltern mit ihren Kindern bei der sonntäglichen Eucharistiefeier ist eine wirksame Pädagogik, um den Glauben weiterzugeben und ein enges Band zu knüpfen, dass sie untereinander verbunden hält. Durch das ganze Leben der Kirche hindurch bedeutet der Sonntag immer den priveligierten Moment, in dem sich die Gemeinde mit dem auferstandenen Herrn trifft.

Die Christen sollten erfahren, dass sie nicht einer Person der Vergangenheit folgen, sondern dem lebendigen Christus, der im Heute und Jetzt ihres Lebens präsent ist. Er ist der Lebendige, der an unserer Seite geht und uns den Sinn der Ereignisse offenbart, des Schmerzes und des Todes, der Freude und des Festes; er tritt in unsere Häuser und bleibt darin, um uns mit dem Brot, das das Leben gibt, zu nähren. Darum muss die sonntägliche Eucharistiefeier das Zentrum des christlichen Lebens sein.

Die Begegnung mit Christus in der Eucharistie drängt zum Einsatz für die Evangelisierung und für die Solidarität; sie weckt in Christen den brennenden Wunsch, das Evangelium zu verkünden und es in der Gesellschaft zu bezeugen, um sie gerechter und menschlicher zu machen. Aus der Eucharistie spross im Laufe der Jahrhunderte ein immenser Reichtum an Nächstenliebe, an Anteilnahme an den Schwierigkeiten der anderen, an Liebe und Gerechtigkeit hervor. Nur aus der Eucharistie wird die Zivilisation der Liebe kommen, um Lateinamerika und die Karibik zu verwandeln, damit sie nicht nur Kontinent der Hoffnung, sondern auch der Liebe seien!

An diesem Punkt können wir uns fragen: Wie kann die Kirche zur Lösung der dringenden sozialen und politischen Probleme beitragen und wie auf die große Herausforderung der Armut und des Elends antworten?

Die Probleme Lateinamerikas und der Karibik sind, wie überhaupt in der Welt von heute, vielfältig und komplex, und man kann sie nicht mit Patentrezepten angehen. Kein Zweifel: Die fundamentale Frage, wie die Kirche im Licht des Glaubens an Christus auf diese Herausforderungen antworten soll, geht uns alle an.

In diesem Zusammenhang ist es unerlässlich, vom Problem der Strukturen zu sprechen, vor allen Dingen den Strukturen, die Ungerechtigkeiten hervorrufen. Gerechte Strukturen sind eine Bedingung, ohne die eine gerechte Ordnung der Gesellschaft nicht möglich ist. Aber wie entstehen sie, und wie funktionieren sie? Kapitalismus wie Marxismus gaben vor, die Straße für die Schaffung gerechter Strukturen zu kennen, und beteuerten, dass diese, wenn sie denn erst mal geschaffen wären, von selbst funktionieren würden. Sie beteuerten, dass man dazu eine dem allem vorausgehende individuelle Moral nicht brauche, sondern dass sie die gemeinsame Moral voranbringen würde. Und dieses ideologische Versprechen hat sich als falsch erwiesen, die Fakten haben das gezeigt. Das marxistische System hat, wo immer es an der Regierung war, nur ein trauriges Erbe an wirtschaftlicher und ökologischer Zerstörung hinterlassen und darüber hinaus eine schmerzhafte Zerstörung des Geistes. Das gleiche sehen wir auch im Westen, wo die Distanz zwischen Armen und Reichen ständig wächst und die Menschenwürde auf beunruhigende Weise Schaden leidet: durch Drogen, Alkohol und täuschende Glücksversprechen.

Wie gesagt: Gerechte Strukturen sind eine unerlässliche Bedingung für eine gerechte Gesellschaft. Aber sie entstehen und funktionieren nicht ohne einen moralischen Konsens der Gesellschaft, über die grundlegenden Werte und über die Notwendigkeit, diese Werte auch mit dem nötigen Verzicht, sogar gegen das persönliche Interesse zu leben.

Wo Gott abwesend ist, der Gott mit dem menschlichen Antlitz Jesu Christi, da zeigen sich diese Werte nicht mit ihrer ganzen Kraft, und es entsteht auch kein Konsens über sie. Ich will damit nicht sagen, dass die Nicht-Gläubigen nicht mit einer besonderen und exemplarischen Moralität leben könnten, ich sage nur, dass eine Gesellschaft, in der Gott abwesend ist, nicht den nötigen Konsens über moralische Werte findet und auch nicht die Kraft, entsprechend dem Modell dieser Werte zu leben - und das auch gegen die eigenen Interessen. Andererseits müssen die gerechten Strukturen gesucht und herausgearbeitet werden, im Licht der Grundwerte und mit dem ganzen Einsatz der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Vernunft. Sie sind eine Frage der richtigen Ratio und kommen nicht aus Ideologien noch aus deren Versprechungen. Natürlich gibt es einen Schatz politischer Erfahrungen und des Wissens über soziale und wirtschaftliche Probleme, die grundlegende Elemente für einen gerechten Staat und auch die Straßen, die man vermeiden sollte, anzeigen. Aber in verschiedenen kulturellen und politischen Situationen und angesichts eines ständigen Wandels der Technologien und der historischen Realitäten auf der Welt müssen die angemessenen Antworten in rationeller Art und Weise gesucht werden und muss mit bindender Verpflichtung der Konsens über die zu bildenden Strukturen geschaffen werden.

Diese politische Arbeit ist nicht unmittelbare Kompetenz der Kirche. Der Respekt einer gesunden Laizität, was auch die Pluralität der politischen Positionen einschließt, ist in einer echten christlichen Tradition grundlegend. Wenn die Kirche anfangen würde, sich direkt in ein politisches Subjekt zu verwandeln, dann würde sie damit nicht mehr tun für die Armen und für die Gerechtigkeit, sondern weniger. Denn sie verlöre ihre Unabhängigkeit und ihre moralische Autorität, wenn sie sich mit einem einzigen politischen Weg und mit Meinungen, über die man sich streiten kann, identifiziert. Die Kirche ist Anwältin der Gerechtigkeit und der Armen, eben weil sie sich nicht mit den Politikern identifiziert, noch mit den Interessen der Parteien. Nur als unabhängige Kraft kann sie überhaupt die großen Kriterien und die grundlegenden Werte anzeigen, die Gewissen orientieren und die Option eines Lebens anbieten, dass über den politischen Bereich hinausreicht. Die Gewissen zu bilden, Anwältin der Gerechtigkeit und der Wahrheit zu sein, zu den persönlichen und politischen Tugenden zu erziehen – das ist die fundamentale Berufung der Kirche auf diesem Gebiet. Und die katholischen Laien sollten sich der Verantwortung im öffentlichen Leben bewusst sein. Sie müssen präsent sein, wenn es um die Herstellung eines notwendigen Konsenses geht und den Kampf gegen die Ungerechtigkeiten.

Die gerechten Strukturen werden niemals ganz vollständig sein. Für die konstante Evolution der Geschichte müssen sie ständig erneuert und auf den neusten Stand gebracht werden. Sie müssen immer von einem politischen und menschlichen Ethos beseelt sein, an dessen Präsenz und Wirksamkeit ständig gearbeitet werden muss. Mit anderen Worten: Die Anwesenheit Gottes, die Freundschaft mit dem fleischgewordenen Sohn Gottes und das Licht seines Wortes sind immer fundamentale Bedingungen für die Anwesenheit und die Wirksamkeit der Gerechtigkeit und der Liebe in unseren Gesellschaften.

Da es sich hier um einen Kontinent der Getauften handelt, wird es nötig sein, im politischen Bereich, aber auch in Medien und Universitäten, etwas gegen die bemerkenswerte Abwesenheit von Stimme und Initiative katholischer Führer mit starker Persönlichkeit und großherzigem Einsatz zu tun, die konsequent sind, was ihre ethischen und religiösen Überzeugungen betrifft. Die kirchlichen Bewegungen haben hier ein weites Feld, um die Laien an ihre Verantwortung zu erinnern und an ihre Mission, das Licht das Evangeliums in das öffentliche, kulturelle wirtschaftliche und politische Leben hineinzutragen.

Andere pastorale Felder

Um die Erneuerung der Kirche, die Euch in dieses Ländern anvertraut ist, zu vollenden, möchte ich eure Aufmerksamkeit auf einige Felder lenken, die mir in dieser neuen Etappe prioritär erscheinen.

Die Familie

Die Familie, ein Weltkulturerbe, bildet eines der wichtigsten Schätze der lateinamerikanischen Länder. Sie ist und war Schule des Glaubens, Übungsort menschlicher und bürgerlicher Werte; Keimzelle in der das menschliche Leben entsteht und großherzig und verantwortungsvoll aufgenommen wird. Ohne Zweifel, ist sie im Moment mit widrigen Situationen konfrontiert, die sich aus Säkularismus und ethischem Relativismus ergeben. Aus den verschiedenen inneren und äußeren Migrationsströmungen, aus Armut, sozialer Instabilität und zivilen Gesetzen, die der Ehe widersprechen, Verhütung und Abtreibung bevorzugen und dadurch die Zukunft der Völker bedrohen.

In einigen Familien Lateinamerikas gibt es leider noch eine Macho-Mentalität, die die Neuheit des Christentums ignoriert, bei der die gleiche Würde und Verantwortung der Frau im Vergleich zum Mann anerkannt und proklamiert wird.

Die Familie ist unersetzlich für die persönliche Ausgeglichenheit und für die Erziehung von Kindern. Die Mütter, die sich ganz der Erziehung ihrer Kinder widmen wollen, und dem Dienst an der Familie, sollten die nötigen Bedingungen bekommen, um das tun zu können. Sie haben daher ein Recht auf Unterstützung durch den Staat. Ja, die Rolle der Mutter ist fundamental für die Zukunft der Gesellschaft. Der Vater hat seinerseits die Pflicht, wirklich Vater zu sein, der in der Erziehung der Kinder seine unverzichtbare Verantwortung ausübt und mitarbeitet. Die Kinder haben für ihr ganzheitliches Wachsen das Reicht, auf Vater und Mutter zählen zu können, die sie beschützen und die sie zur Fülle des Lebens begleiten. Es braucht also eine intensive und kraftvolle Familienpastoral. Unverzichtbar ist die Unterstützung einer Familienpolitik, die auf die Rechte der Familie als unverzichtbare soziale Größe antwortet. Die Familie ist Teil des Wohls der Völker und der ganzen Menschheit.

Die Priester

Die ersten Förderer der Jüngerschaft und der Mission sind die, die gerufen wurden, „bei Jesus zu sein und ausgesandt zu werden um zu predigen“ (vgl. Mk 3,14), also die Priester. Sie müssen auf bevorzugte Weise die Aufmerksamkeit und väterlicher Sorge ihrer Bischöfe erhalten, denn sie sind die Vorarbeiter einer authentischen Erneuerung christlichen Lebens im Volk Gottes. An sie will ich ein Wort der väterlichen Zuneigung richten, und wünschen, dass „der Herr teil ihres Erbes und ihres Bechers sei“ (vgl. Ps 16,5). Wenn der Priester Gott zum Fundament und Zentrum seines Lebens hat, wird er die Freude und Fruchtbarkeit seiner Berufung erfahren. Der Priester muss vor allem ein „Mann Gottes“ sein (1 Tim 6,11), der Gott direkt kennt, der eine tiefe persönliche Freundschaft mit Jesus pflegt, die er mit den anderen Gleichgesinnten in Christus teilt (vgl. Phil 2,5). Nur so wird der Priester fähig sein, die Menschen zu Gott zu führen, der in Jesus Christus Mensch geworden ist; nur so kann er Repräsentant seiner Liebe sein. Um seinen hohen Auftrag zu erfüllen muss der Priester eine solide spirituelle Struktur haben und sein ganzes Leben aus dem Glauben heraus leben, der Hoffnung und der Liebe. Er muss wie Jesus ein Mann sein, der durch das Gebet das Antlitz und den Willen Gottes sucht, und der auch seine kulturelle und intellektuelle Qualifikation fördert.

Liebe Priester diese Kontinents und liebe Missionare, die ihr gekommen seid, um hier zu arbeiten, der Papst begleitet euch in eurem Hirtendienst und wünscht, dass ihr voll Freude und Hoffnung seid; vor allem betet er für euch.

Ordensmänner, Ordensfrauen und Gottgeweihte

Ich möchte mich auch an die Ordensmänner und -frauen wenden und an die Männer und Frauen, die ihr Leben Gott geweiht haben. Die Gesellschaft Lateinamerikas und der Karibik braucht euer Zeugnis: in einer Welt, in der man oft vor allem Wohlergehen, Reichtum und Lust als Ziel des Lebens sucht, und in einer Welt, die die Freiheit an die Stelle der Wahrheit des von Gott geschaffenen Menschen stellt, seid ihr Zeugen dafür, dass es eine andere Form gibt, sinnhaft zu leben; ihr erinnert eure Brüder und Schwestern daran, dass das Reich Gottes schon gekommen ist; dass Gerechtigkeit und Wahrheit möglich sind, wenn wir uns der liebenden Gegenwart Gottes unseres Vaters öffnen, der Liebe Christi, unserem Bruder und Herrn, der Liebe des Heiligen Geistes, unserem Tröster. Großzügig und auch mit Heldenmut müsst ihr weiterarbeiten, damit in der Gesellschaft Liebe, Gerechtigkeit und Güte herrschen, Dienst und Solidarität im Einklang mit dem Geist eurer Gründer. Ergreift mit tiefer Freude eure Weihe, die für euch ein Instrument der Heiligung ist und für eure Brüder ein Instrument der Erlösung.

Die Kirche Lateinamerikas dankt euch für die Arbeit, die ihr in den vergangenen Jahrhunderten durch das Evangelium Christi zum Wohl euer Brüder geleistet habt, vor allem der Ärmsten und Bedürftigsten. Ich lade euch ein, stets mit den Bischöfen zusammenzuarbeiten und vereint mit ihnen zu arbeiten, sie sind die Verantwortlichen der pastoralen Aktivitäten. Ich ermahne euch auch zum aufrichtigen Gehorsam gegenüber der Autorität der Kirche. Habt kein anderes Ziel als die Heiligkeit, wie ihr es von euren Gründern gelernt habt.

Die Laien

In dieser Stunde, in der die Kirche dieses Kontinents sich ganz ihrer missionarischen Berufung widmet, erinnere ich die Laien daran, dass sie auch Kirche sind, von Christus gerufene Gemeinschaft, um der Welt ihr Zeugnis zu bringen. Alle getauften Männer und Frauen müssen sich bewusst werden, dass sie Christus, dem Priester, Propheten und Hirten, ähnlich gemacht wurden durch das allgemeine Priestertum des Volkes Gottes. Sie müssen sich mitverantwortlich fühlen für den Aufbau einer Gesellschaft gemäß den Maßstäben des Evangeliums, voll Enthusiasmus und Wagemut, in Gemeinschaft mit ihren Hirten.

Viele von euch gehören zu den kirchlichen Bewegungen, in denen wir die vielgestaltige Gegenwart und heiligmachende Wirkmächtigkeit des Heiligen Geistes in der Kirche und der gegenwärtigen Gesellschaft sehen können. Ihr seid gerufen, der Welt von Jesus Christus Zeugnis zu bringen und Sauerteig der Liebe Gottes unter den anderen zu sein.

Die Jugendlichen und die Berufungspastoral

In Lateinamerika stellen die Jugendlichen den Großteil der Bevölkerung. Angesichts dessen müssen wir sie daran erinnern, dass es ihre Berufung ist, Freunde Christi zu sein, seine Jünger. Die jungen Menschen haben keine Angst Opfer zu bringen, fürchten aber ein sinnloses Leben. Sie sind empfänglich für den Ruf Christi, der sie einlädt, ihm zu folgen. Sie können diesem Ruf antworten: als Priester, als gottgeweihte Männer und Frauen, oder auch als Familienväter und -mütter, indem sie sich dem Dienst an ihren voll und ganz widmen, mit all ihrer Zeit und ihrer Fähigkeit zur Hingabe, mit ihrem ganzen Leben. Die Jugendlichen müssen das Leben als fortlaufende Entdeckung begreifen, ohne sich von Modeerscheinungen und vom Zeitgeist irritieren zu lassen; sondern sie müssen innerhalb der Menschheitsfamilie vorangehen voll tiefer Neugier nach dem Sinn des Lebens und dem Geheimnis Gottes, dem Schöpfervater, und seines Sohnes, unserem Erlöser. Sei müssen sich auch für eine fortlaufende Erneuerung der Welt im Licht des Evangeliums einsetzen. Noch mehr, sie müssen sich gegen die leichtfertigen Illusionen spontanen Glücks stellen und gegen die trügerischen Paradiese der Droge, der Lust, des Alkohols. Das gleiche gilt für jede Form der Gewalt.

6. „Bleib bei uns“

Die Arbeiten dieser V. Generalkonferenz bringen uns dazu, uns die Bitte der Jünger von Emmaus zu eigen zu machen: „Bleib bei uns, denn es will Abend werden und der Tag hat sich schon geneigt“ (Lk 24,29).

Bleib bei uns Herr, begleite uns, auch wenn wir dich nicht immer erkannt haben. Bleibe bei uns, denn um uns machen sich Schatten breit, und du bist unser Licht; in unseren Herzen macht sich Entmutigung breit, du lässt sie brennen in der Gewissheit des Osterfestes. Wir sind des Weges müde, aber du tröstest uns mit dem Brechen des Brotes, um unsern Brüdern zu verkünden, dass du wahrhaft auferstanden bist und uns den Auftrag anvertraut hast, Zeugen deiner Auferstehung zu sein.

Bleib bei uns Herr, wenn rund um unseren katholischen Glauben die Nebel des Zweifels aufsteigen, der Müdigkeit oder der Schwierigkeiten: Du, der du als Offenbarung des Vaters die Wahrheit selbst bist, erhelle unsere Sinne mit deinem Wort; hilf uns zu fühlen, wie schön es ist, an dich zu glauben.

Bleib bei unseren Familien, erleuchte sie in ihren Zweifeln, unterstütze sie in ihren Schwierigkeiten, tröste sie in ihrem Leid und der Mühsal des Alltags, wenn um sie herum die Schatten wachsen, die ihre Einheit und ihre natürliche Identität bedrohen. Du, der du das Leben bist, bleibe in unseren häuslichen Gemeinschaften, damit sie weiterhin Keimzellen des menschlichen Lebens sind, wo man einander annimmt, sich liebt und wo man das Leben achtet von der Empfängnis bis zu seinem natürliche Ende.

Bleib, Herr, bei denen, die in unseren Gesellschaften am verwundbarsten sind; bleib bei den Armen und Bedürftigen, bei den Indios und den Afroamerikanern, die nicht immer den Raum und die Möglichkeit gefunden haben, den Reichtum ihrer Kultur und die Weisheit ihrer Identität zum Ausdruck zu bringen. Bleib Herr, bei unseren Kindern und unseren Jugendlichen, die die Hoffnung und der Reichtum unseres Kontinents sind; beschütze sie vor den vielen Verlockungen, die ein Angriff sind auf ihre Unschuld und ihre berechtigten Hoffnungen. Oh guter Hirt, bleib bei unseren Alten und bei unseren Kranken. Stärke alle im Glauben, damit sie alle Jünger und Missionare sind!

Schluss

Zum Abschluss meines Besuchs hier bei euch, möchte auf euch und ganz Lateinamerika und die Karibik den Schutz der Gottesmuter und der Mutter der Kirche herab rufen. Ich flehe besonders zu Unserer lieben Frau, genannt von Guadalupe, Patronin Amerikas, oder genannt von Aparecida, Patronin Brasiliens; sie soll euch in eurem faszinierendem und notwendigen Hirtendienst begleiten.. Ihr vertraue ich das Volk Gottes in diesem dritten christlichen Jahrtausend an. Von ihr erbitte ich auch, die Arbeiten und Überlegungen dieser Generalkonferenz zu führen und die lieben Völker dieses Kontinents mit reichen Gaben zu segnen."


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