Pfarrer-Selbstverbrennung vor 23 Jahren: War 'Mobbing' der Grund?

in Deutschland


Sächsische Landeskirche kritisiert tendenziöse Berichterstattung in den Medien


Falkenstein (kath.net/idea)
Ein sächsischer Pfarrer verbrannte sich vorden Augen der Gottesdienstbesucher vor dem Altar - dieses Ereignis vor mehrals 23 Jahren ist wieder neu in die öffentliche Diskussion geraten.Tageszeitungen wie "Die Welt" und "Berliner Morgenpost" berichteten inganzseitigen Artikeln über die Hintergründe der Selbstverbrennung desTheologen. Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) widmete dem Fall am 24. Januareinen Fernsehbeitrag unter dem Titel "Das Feuer von Falkenstein". Der damals41jährige Pfarrer Rolf Günther hatte am 17. September 1978 während desGottesdienstes im Altarraum Benzin vergossen und seinen benzingetränktenTalar an den Altarkerzen entzündet. Es entstand ein Flammenmeer, dasRettungsversuche unmöglich machte. Während Günther verbrannte, entrolltesich ein Transparent mit der Aufschrift "Wacht endlich auf!". Die rund 300Gottesdienstbesucher konnten die Kirche unverletzt verlassen. Wenige Tagezuvor hatte die Mehrheit des Kirchenvorstandes den Pfarrer wegen"Nichtgedeihlichkeit" abgewählt.

Vorausgegangen waren Streitigkeiten überdie Frömmigkeitspraxis. Günther, der sich als "Soldat Christi" von Gott andiesen Ort gestellt sah, lehnte eine Versetzung ab. Er verfügte in seinemTestament, daß bei seiner Beerdigung kein Pfarrer dabei sein sollte. DieMedienberichte machen damalige Vertreter des "Volksmissionskreises"innerhalb der Falkensteiner Gemeinde maßgeblich für den Konfliktverantwortlich, insbesondere den früheren Gemeindepfarrer Helfried Gneuß.

Bis heute sei in Falkenstein nichts spürbar "von Mitleiden, Trauer,Einfühlung", so "Die Welt". Im früheren Umfeld Günthers herrsche eine "Mauerdes Schweigens", so die "Berliner Morgenpost".Kirchenhistoriker: Frömmigkeit und Amtsverständnis Günthers wurden nichttoleriertIn den Beiträgen kam unter anderen der ehemalige Zwickauer Dompfarrer EdmundKäbisch vom "Freundeskreis zur Erinnerung an Pfarrer Günther" zu Wort. DerKirchenhistoriker recherchiert seit 1992 den Freitod Günthers. Sein Fazitgegenüber idea: "Die Selbstverbrennung kann nicht als peinlicherinnerkirchlicher Betriebsunfall abgehandelt werden, denn es war Mobbing."Günther habe sein Christsein "fröhlich und begeistert gelebt". Seine Art derFrömmigkeit und sein Amtsverständnis seien jedoch nicht toleriert worden."Fromme und Eifernde" hätten ihm den Glauben abgesprochen. Seine Kritikerseien hinter seinem Rücken gegen ihn vorgegangen, um sich Mehrheiten zuverschaffen. Günthers Fehler sei es gewesen, daß er keine Anhängerschaft umsich geschart habe, um die Gemeinde nicht zu spalten. Er habe im Verhaltendes Volksmissionskreises Merkmale einer Sekte gesehen. Diese Strömung betonedie biblischen Gnadengaben wie Zungenreden, Prophetie, Krankenheilung durchGebet und die Befreiung von satanischen Mächten durch Exorzismus. Käbischzur Falkensteiner Gemeinde: "Der Teufelsglaube war verbreitet und auch dieNamen der Teufelsaustreiber waren bekannt." Der damaligen Leitung dersächsischen Landeskirche wirft Käbisch vor, Günther alleingelassen zu haben:"Die Amtskirche, die sich nach Mehrheitsbeschlüssen richtete und nicht mehrdas Evangelium in die Mitte stellte, war nicht seine Kirche. Sie sollte mitseiner Selbstverbrennung beginnen aufzuwachen."

Früherer Gemeindepfarrer: Aufarbeitung nicht im Rampenlicht derÖffentlichkeit

Pfarrer Gneuß wehrt sich gegen einseitige Darstellungen in den Medien."Verlierer" in dem damaligen Konflikt sei nicht nur Pfarrer Günther gewesen,"sondern wir alle mit ihm". Seit einigen Jahren fühlten sich immer wiederPersonen berufen, "diese Niederlage aufs Neue in die Medien zu bringen unddie Buh-Rufe auf die Überlebenden zu schmettern - diesmal auch alsFernsehfilm". Die Gemeinde in Falkenstein habe den Tod Günthers keineswegsunter den Teppich gekehrt, wie immer wieder behauptet werde. Gneuß: "Wirhaben miteinander darüber gesprochen, was wir für Fehler gemacht haben,haben Schuld bekannt, gebetet und geweint." Man sei sich aber einig gewesen,"daß diese Aufarbeitung unter uns zu geschehen hat und nicht im Rampenlichtder Medien." Daß er, Gneuß, zum "besonderen Sündenbock" gemacht werde, werdevor allem mit Behauptungen aus dem Tagebuch Günthers belegt. "Es macht michbetroffen, welch ein Feindbild gegen mich in Günthers Tagebuch zutage trittund was für Unwahrheiten dort von ihm behauptet werden", so Gneuß.

DerPräsident des sächsischen Landeskirchenamtes, Hans-Dieter Hofmann (Dresden),übt in einem Leserbrief an "Die Welt" scharfe Kritik an derBerichterstattung. Die Landeskirche widerspreche der "tendenziösen undrufschädigenden Charakterisierung" des im Ruhestand lebenden Pfarrers Gneußund der Darstellung der Volksmissionskreise in Sachsen durch Käbisch. DieSelbstverbrennung Günthers sei ein "tiefer und schmerzhafter Einschnitt fürdie Kirchgemeinde Falkenstein". Sie bemühe sich um Aufarbeitung: "Allerdingswird sie durch reißerische Berichterstattung in einem Maße bedrängt, dasdiesen inneren Prozeß immer wieder zurückschlägt." Der heute rund 400Mitglieder zählende "Volksmissionskreis Sachsen" sieht sich nach den Wortenvon Geschäftsführer Frank Robotta (Dresden) als eine geistlicheErneuerungsbewegung, "die im biblischen Sinne charismatisch" sei. Sie warnach dem Zweiten Weltkrieg entstanden und weiß sich mit der Landeskirche engverbunden.


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