28. Juli 2007 in Aktuelles
Interview von Peter Seewald für das SZ-Magazin mit Papstsekretär Georg Gänswein über klerikalen Neid, Indiskretionen im Vatikan, Liebesbriefe, Ökumene, Summorum Pontificum, Islam, Cat Stevens, Beatles, lange Haare und einen geheimnisvollen Umschlag.
Vatikan (www.kath.net)
Papst-Sekretär Georg Gänswein hat am Freitag in einem Interview mit Peter Seewald für das Magazin der Süddeutschen Zeitung ausführlich zu verschiedensten Themen rund um Papst Benedikt und den Glauben Stellung genommen. Gänswein erzählte in dem Interview, dass Papst Benedikt nach der Papstwahl sehr mitgenommen ausschaut. Ich kam in dem Moment hinzu, als die Kardinäle in der Sixtinischen Kapelle, einer nach dem anderen, vor dem Papst knieten und ihm Treue und Gehorsam versprachen. Sein Gesicht war fast so weiß wie die neue weiße Soutane und der Pileolus auf dem Kopf. Er sah mächtig mitgenommen aus. Für Gänswein selbst war das ganze ebenfalls ein Wirbelsturm, auch die Tage danach waren eher tsunamiartig.
Gänswein selbst erklärte auch, dass für ihn das mediale Lob für seine Person doch irritierend war. Nicht dass ich rot geworden wäre, es hat mich eher etwas irritiert. Es tut nicht weh und es schmeichelte mir zunächst auch, und es ist doch keine Sünde. So frontal und direkt bin ich zuvor noch nie mit meiner Schale konfrontiert worden. Dann habe ich gemerkt, dass dies großteils Ausdruck von Sympathie ist: ein Bonus, kein Malus; damit kann ich gut umgehen. Allerdings möchte ich schon auch, dass man nicht bei meinem Äußeren stehen bleibt, sondern auch die Substanz unter der Schale zur Kenntnis nimmt. Auch bekomme er hin und wieder sogar Liebesbriefe zugeschickt.
Auch im Vatikan selber gäbe es klerikalen Neid, erzählte dann Gänswein weiter, und meinte damit Aussagen, bei dem man über ihn schlecht rede. Es gab, es gibt dummes negatives Gerede, teilweise wird schlichtweg gelogen. Aber darum kümmere ich mich nicht mehr. Und dort gibts Hofgeschwätz. Aber es gibt auch Pfeile, die ganz bewusst und gezielt abgeschossen werden. Ich musste erst lernen, damit umzugehen.
Gänswein bekannte auch, dass in seiner Jugendzeit Cat Stevens, Pink Floyd und auch die Beatles hörte. Ich hatte damals einen ziemlich langen Lockenschopf. Das missfiel meinem Vater; so gab es um den Friseurtermin und um die Haarlänge schon mal Zoff. Das hat sich nachher dann recht unspektakulär gelegt. Seine Interessen waren Sport, Fußball und Skifahren. Auf sein Verhältnis zu Frauen angesprochen erzählte Gänswein, dass er zwei Schwestern und mehrere Cousine habe, die ihm halfen, mit dem weiblichen Geschlecht keine Schwierigkeiten zu haben. Ich bin ganz normal aufgewachsen, völlig unverkrampft. Eine feste Beziehung hatte er allerdings nie, es gab ein paar kleinere schwärmerische Jugendfreundschaften.
Der Papstsekretär gab auch zu verstehen, dass er nach wie vor zu dem Satz anlässlich einer Predigt bei einer Priesterweihe stehe: Du darfst wissen, dass du eine Würde hast, die dich von allen unterscheidet, die nicht Priester sind Du darfst das Bewusstsein haben, etwas Großes zu tun, tun zu dürfen..
Am Beginn seiner Tätigkeit hatte Gänswein auch ein Gespräch mit seinem Vorgänger als Papstsekretär, Stanislaus Dziwisz, dem jetzigen Kardinal-Erzbischof von Krakau. Dabei drückte er mir einen Umschlag in die Hand, in dem sich einige Papiere und ein Schlüssel für einen Tresor befanden. Ein uralter Tresor, deutsche Markenarbeit. Er sagte nur: »Du hast jetzt eine sehr wichtige, sehr schöne, aber sehr, sehr schwierige Aufgabe. Das Einzige, was ich dir sagen kann, ist, dass der Papst von nichts und niemand erdrückt werden darf. Wie das geht, musst du selbst herausfinden.« Punkt, Schluss. Mehr hat er nicht gesagt. Das war alles an Schule für päpstliche Etikette., erzählte der jetzige Papstsekretär. Was in dem Umschlag war, wollte Gänswein aber nicht verraten, denn das werde von Papstsekretär zu Papstsekretär weitergegeben.
Gänswein bezeichnete es auch als Skandal, dass die Christenheit noch immer gespalten ist. Vergessen wir nicht, dass die orthodoxen Kirchen in der apostolischen Sukzession stehen und damit ein gültiges Amt und die Eucharistie haben, ebenso die sieben Sakramente. Klärungsbedürftig ist die Frage nach dem Primat und der Jurisdiktion des Papstes. Die Wiederherstellung der vollen Einheit im Glauben ist ganz gewiss ein großes Ziel des Theologen-Papstes. Der ökumenische Dialog mit den verschiedenen orthodoxen Kirchen ist in vollem Gange und es sind auch schon beträchtliche Fortschritte erzielt worden. Aber Ökumene treiben ist und bleibt ein mühsames Ringen Allerdings kann Ökumene nicht auf Kosten der Wahrheit betrieben werden. Ein Papst kann das Papsttum nicht einfach umbauen, um bestimmte Ziele schneller zu erreichen. Es geht darum, dass das Papsttum hilft, dem Anspruch der Wahrheit im Hinblick auf die Einheit gerecht zu bleiben.
Der Papstsekretär meinte dann auch, dass volkskirchliche Elemente heute abschmelzen und sich immer mehr Kerngemeinden herausbilden. Wer heute Christ ist, der will es sein, der entscheidet sich dafür, ist entschieden, entschiedener vielleicht als in früheren Jahren. Und wer es nicht sein will, der ist es ganz einfach nicht, ohne dass ihm daraus irgendwelche persönlichen, sozialen, politischen oder was auch immer für Nachteile erwachsen würden.
Auf das Motu proprio Summorum Pontificum angesprochen, meinte Gänswein: Streit soll geschlichtet, vorhandene Entzweiungen und Spaltungen überwunden werden. Mit dem Motu proprio wird nicht wenigen Gläubigen eine geistlich-spirituelle Heimat eröffnet.
Gänswein bezeichnet in dem Interview die Indiskretion als eine Schwachstelle im Vatikan. Es ist leider so, dass es bezüglich Ernennungen, Erarbeitung von Dokumenten, disziplinärer Maßnahmen et cetera immer wieder poröse Stellen gibt. Das ist nicht nur ärgerlich. Darin liegt auch die Gefahr, dass von außen bewusst Einfluss ausgeübt werden kann, der Irritationen nach sich zieht.
Die Regensburger Rede war für den Papstsekretär prophetisch. Auf den Islam an sich angesprochen meinte Gänswein: Die Islamierungsversuche im Westen sind nicht wegzureden. Und die damit verbundene Gefahr für die Identität Europas darf nicht aus falsch verstandener Rücksicht ignoriert werden. Die katholische Seite sieht das sehr klar und sagt es auch. Gerade die Regensburger Rede sollte einer bestimmten Blauäugigkeit entgegenwirken. Festzuhalten ist, dass es den Islam nicht gibt, und er kennt auch keine alle Muslime verpflichtend-bindende Stimme. Unter dem Begriff versammeln sich viele, unterschiedliche, teils untereinander verfeindete Strömungen, bis hin zu Extremisten, die sich bei ihrem Tun auf den Koran berufen und mit dem Gewehr zu Werke gehen.
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