Zehn Geheilte und nur ein Dankbarer

14. Oktober 2007 in Spirituelles


Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis – von Josef Spindelböck.


Kleinhain (www.kath.net/ stjosef.at)
Liebe Brüder und Schwestern im Herrn!

Das Evangelium dieses Sonntags zeigt uns am Beispiel der zehn vom Aussatz Geheilten, von denen nur einer zurückgekehrt ist, um Gott zu danken, wie wankelmütig wir Menschen oft sind: In der Not flehen wir zwar zu Gott; sobald wir seine Hilfe erfahren haben, vergessen wir jedoch auf ihn.

Der Ruf Jesu als Wundertäter und Heiland aller Kranken und Bedrängten hatte sich innerhalb kürzester Zeit in ganz Judäa, Samaria und Galiläa verbreitet. Es ist darum nicht verwunderlich, dass jene zehn Aussätzigen zu Jesus kommen und von ihm Heilung erhoffen. Sie spüren: Hier ist einer, der besitzt göttliche Vollmacht.

Freilich ahnen sie noch kaum etwas vom letzten Geheimnis Jesu, das er in seinem Leben und Sterben offenbart: dass er der menschgewordene Sohn Gottes ist, der dem Vater als Gott wesensgleich ist von Ewigkeit und der um unseres Heiles willen die Menschennatur angenommen hat. Denn dies ist der letzte und eigentliche Grund dafür, warum Jesus Christus wirklich der Heilbringer, der Erlöser und Messias ist.

Aber wie unvollkommen auch immer die Auffassung der Aussätzigen von Jesus ist: Sie haben gehört, dass er bereits viele Kranke geheilt hat und fassen daher Hoffnung. In ihrer Not schreien sie zu ihm und bitten ihn um Hilfe und Heilung.

Aufgrund ihres Aussatzes, der sie wegen der damit verbundenen Ansteckungsgefahr wirklich zu sozial Ausgeschlossenen und Geächteten machte, blieben sie „in der Ferne stehen und riefen: Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“

In diesem Ruf kommen ihre ganze Sehnsucht und ihr Glaube zum Ausdruck. Sie trauen es Gott zu, dass er sie durch Jesus, den Meister, heilt. Nun geschieht etwas, mit dem sie wahrscheinlich so nicht gerechnet haben: Jesus gibt ihnen die Weisung, sich den Priestern im Tempel zu Jerusalem zu zeigen.

Dies war bei Menschen, die vom Aussatz geheilt worden waren, gleichsam eine notwendige Maßnahme, um sie auch offiziell für rein zu erklären. Im konkreten Fall ist es bemerkenswert, dass Jesus nicht zuerst die Heilung bewirkt und sie dann zu den Priestern schickt, sondern er schickt die zehn Aussätzigen einfach zu den Priestern, ohne dass ihnen noch Heilung zuteil geworden wäre.

Wieso das? Was sollten sie sich wohl dabei denken?

Die Anweisung Jesu erscheint näher besehen einfach als besondere Prüfung ihres Glauben und Vertrauens. Jesus will nicht einfach ein Wunder wirken, ohne dass er zuvor den Glauben an Gottes Macht geweckt hat. Es geht ihm nicht um ein äußeres Spektakel und auch nicht bloß um körperliche Heilung.

Wichtig ist für ihn der ganze Mensch: Dieser ist nur dann heil, wenn er auch geheiligt ist, das heisst wenn er im Glauben bereit ist, Gottes rettende Macht der Vergebung zu empfangen.

Genau diesen Glaubensakt verlangt Jesus und gibt darum die zugleich einfach und schwer erscheinende Weisung, sich aufzumachen und sich den Priestern zu zeigen.

Offenbar war dies für die Aussätzigen auch gar nicht das Problem. Es heißt ja, dass sie sich tatsächlich aufmachten, um zu den Priestern zu gehen. Sie waren bereit, einen Schritt zu tun, von dem sie nicht wussten, wie das Ergebnis aussehen würde.

Noch waren sie ja nicht geheilt. Und dann heißt es im Evangelium mit kurzen Worten: Während sie zu den Priestern gingen, wurden sie rein. Ihr Glaube an Jesu Wort hatte ihnen geholfen; Gott hatte das Wunder der leiblichen Heilung bewirkt, weil sie sich in ihrem Herzen für die Gnade Gottes geöffnet hatten.

Nun aber tritt etwas ein, was uns allen bekannt ist: Der Mensch, der das unter Tränen Erflehte erhält und erlangt, weiß es plötzlich nicht mehr zu schätzen, was er empfangen hat. Offenbar sahen es neun der Geheilten eigentlich als ganz selbstverständlich an, dass ihnen Gott die Gesundheit wieder geschenkt hatte.

Nur einer erkannte die Einzigartigkeit dieser Gnade. Er kehrte zurück zu Jesus und dankte ihm. Sein Dank war nicht bloß eine formale Pflichterfüllung aus Höflichkeit und Anstand. Nein, er warf sich vor Jesus zu Boden hin, weil er überwältigt war von seiner göttlichen Größe, und brachte auf diese Weise seine Dankbarkeit zum Ausdruck.

Für Jesus war der Dank des einen und die Undankbarkeit der übrigen neun ehemals Aussätzigen ein Anlass, seine Hörer auf dieses Paradox hinzuweisen: Alle wurden geheilt, nur einer hat es für nötig befunden, Gott zu danken. Und zum Geheilten sprach er die Worte, er möge aufstehen und seinen Weg gehen. Denn: „Dein Glaube hat dir geholfen.“

War dieser eine Mensch, der seine Dankbarkeit zeigte, ein besonders frommer Mensch? In den Augen der bei Jesus versammelten Menschen wohl nicht, denn er stammte aus Samaria. Die Samariter waren bei den Juden nicht sehr geachtet, da sie nicht alle Gesetze des Mose befolgten und für gewöhnlich nicht zum Tempel nach Jerusalem pilgerten. Und doch hat gerade so ein Mensch Gott auf besondere Weise seine Dankbarkeit erwiesen!

Für uns, liebe Brüdern und Schwestern, kann dieses Evangelium ein Anlass sein, einmal in Ruhe darüber nachzudenken, was wir alles schon an Großem und Guten von Gott empfangen haben und wofür wir ihm vielleicht bisher zu wenig gedankt haben. Zugleich ist es sicher auch wichtig, darüber nachzudenken, was wir guten Menschen verdanken, und auch hier zu überlegen, wie wir unsere Dankbarkeit auf bestmögliche Weise zum Ausdruck bringen können.

Maria, die Rosenkranzkönigin, möge uns die Augen des Herzens öffnen für das Große, das Gott auch an uns getan hat! Ihm sei der Lobpreis in Ewigkeit. Amen.

Dr. theol. Josef Spindelböck ist Gastprofessor für Moraltheologie und Ethik am International Theological Institute (ITI) in Gaming und Dozent für Ethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Diözese St. Pölten.

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