3. Dezember 2007 in Aktuelles
Der KATH.NET-Pressespiegel zur Enzyklika "Spe salvi": Von der "Liebesgeschichte des Papstes" bis zur "Wurzelbehandlung für Europa und eine kühne Hoffnung"
Linz (www.kath.net)
KATH.NET dokumentiert einen Pressespiegel zur Enzyklika Spe salvi:
WAZ: Kommentar von Christopher Onkelbach - Die Enzyklika des Papstes: Hoffnung
Ratlos steht der Mensch inmitten der Trümmer seiner Visionen von einer besseren Welt: Die Ideologien haben versagt, die Wissenschaft bringt kein Heil und die Aufklärung bescherte den Menschen am Ende die Atombombe. Das blieb von den menschengemachten Hoffnungen übrig - ein Gräberfeld. So zeichnet der Papst das 20. Jahrhundert. In seiner Enzyklika Über die christliche Hoffnung rechnet er mit allen Versuchen des Geistes ab, aus eigener Kraft und Vorstellung eine gerechtere Welt errichten zu wollen. An diesem geschichtlichen Endpunkt versucht der Papst, den Menschen neue Hoffnung zu geben, die allein in Gott zu finden sei. Der Papst geißelt den Relativismus und den wertverlorenen Zynismus unserer Zeit. Damit trifft er einen Nerv, denn die Welt kann nicht auskommen ohne eine Moral, die über den Fakten und Ideologien steht. Doch muss diese Moral im Jenseits liegen? Mit der Kritik an der Aufklärung verweigert der Papst auch einem tiefen Humanismus eines Kant seine Anerkennung, der zwar ohne Gott auskommt und ohne das jüngste Gericht, aber keinesfalls ohne Liebe.
FAZ: Enzyklika über Hoffnung Kommentar von Daniel Deckers
. Papst Benedikt XVI. hat sich dennoch nicht für das Schweigen entschieden - er hat gut daran getan. Denn schon das erste Rundschreiben des deutschen Theologen Joseph Ratzinger als Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche hatte einen einmaligen, unnachahmlichen Ton. Wie der Papst menschliche Sehnsucht, philosophische Anthropologie und theologische Gewissheiten zu einem Hohelied der Liebe Gottes zu den Menschen und der Liebe der Menschen untereinander verband, ist nicht nur in der jüngeren zeitgenössischen Theologie ohne Beispiel.
Und wer wie Benedikt im Neuen Testament und in den Texten der Kirchenväter beheimatet ist, der braucht weder um Descartes noch um Nietzsche einen Bogen zu machen und erst recht keine Auseinandersetzung mit den geistigen Strömungen der Gegenwart zu scheuen. Als ob es mit einer Enzyklika über einen Begriff aus der Mitte des Glaubens nicht schon getan wäre, hat der Papst nun nach der Liebe die Hoffnung zum Thema gemacht.
.Mit der gleichen Verve, in derselben eleganten, leichten Sprache dasselbe Ziel vor Augen: einer westlichen, müden Christenheit die Augen zu öffnen für die versunkenen Schätze, die sie hütet. Benedikt wäre nicht Benedikt, stellte er sich nicht den heikelsten, die Denk- und Sprachfähigkeit jedes Christen an ihre Grenzen treibenden Themen: Ewiges Leben? Hölle? Fegefeuer? Gerechtigkeit auch für die Opfer der Geschichte? Mit weniger elementaren Fragen gibt sich dieser Papst nicht ab.
Die Presse: Die Liebesgeschichte des Papstes, Teil 2 Von Michael Prüller
Fast zwei Jahre nach seiner ersten Enzyklika über die Liebe hat Benedikt XVI. nun sein zweites großes Rundschreiben vorgelegt: Spe Salvi Gerettet in der Hoffnung. Gerüchteweise hatte es zuvor geheißen, es werde eine Sozialenzyklika sein, also eine Analyse über Zustand und Not der Welt und Leitlinien für das notwendige Handeln. Aber es wird immer klarer, dass Benedikt XVI. ein anderes Programm hat: nicht das mit großer Autorität in die Welt gesprochene Wort seines Vorgängers, der gleich drei Sozialenzykliken verfasst hat. Nein, der Papst schreibt in seinen Enzykliken eher eine Liebesgeschichte.
Benedikt schreibt über seine große Liebe Gott und Kirche. Und er tut das wie einer, der seiner skeptischen Umgebung die wunderbaren Eigenschaften seiner großen Liebe geradezu verzweifelt zu eröffnen versucht wie jemand, dessen Frau von der Verwandtschaft abgelehnt wird und der nun schon zum zweiten Mal den Versuch macht zu sagen: Seht doch her, seht sie doch mit meinen Augen! So hat Benedikt auch diesmal kein brennendes theologisches Problem aufgegriffen, kein heißes Eisen der Kirche, kein Grundübel der Welt, sondern nach der Liebe das zweite Grundvokabel des christlichen Glaubens: die Hoffnung. Eigentlich nur, um zu sagen, wie schön sie ist.
Und daher wird diese Enzyklika wohl eher nicht auf den Nachtkästchen der Theologen landen oder Anlass für heiße Talkshowrunden sein. Schon Deus Caritas Est hatte in den Expertenzirkeln vor allem damit für Aufmerksamkeit gesorgt, dass sie vieles nicht war: keine strenge Zurechtweisung des ehemaligen Großinquisitors, keine Scheidung der Geister, keine hochtheologische Spitzfindigkeit. All das ist auch Spe Salvi nicht, und weil das beim zweiten Mal keine Sensation mehr ist, herrscht diesmal ziemliche Funkstille: Keiner der sonst so flinken Papstdeuter hat sich in den Stunden nach der Veröffentlichung am Freitagmittag zu Wort gemeldet. Vielleicht, dass ja noch irgendwer Anstoß nimmt, dass Benedikt ausdrücklich und ausführlich die in Darfur geborene, als Sklavin im Sudan misshandelte und später in Italien katholisch gewordene Heilige Giuseppina als Kronzeugin für die befreiende Kraft der Hoffnung auf Christus anführt.
NZZ: Papst kritisiert Atheismus und Privat
Papst Benedikt XVI. verurteilt den Atheismus macht ihn für einige der schlimmsten Verbrechen in der Geschichte verantwortlich. In seiner neuen Enzyklika Spe salvi (Gerettet durch Hoffnung) mahnte das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche die Christen, ihre Hoffnung in Gott und nicht in Technik, Reichtum oder in politischen Anschauungen zu suchen.
Die Christenheit wird von der Kritik nicht ausgenommen: Sie konzentriere sich zu sehr auf die individuelle Erlösung und ignoriere die Botschaft Christi, dass wahre christliche Hoffnung eine Erlösung für alle bedeute.
HEUTE.de: Papst: Hoffnung stirbt eben nicht zuletzt - Von Jürgen Erbacher
.Papst Benedikt XVI. zeigt in seiner neuen Enzyklika, dass die christliche Hoffnung gar nicht stirbt, dass sie umgekehrt dem Leben erst eine Richtung und Sinn gibt. Ohne Gott, der Grund und Inhalt der Hoffnung ist, kann die Menschheit nicht überleben, so der Pontifex. Er stellt die christliche Hoffnung als Antwort auf die Sehnsucht der Menschen nach einer besseren Welt und einem erfüllten Leben vor
.Das Problem ist nach Ratzinger, dass diese Ansätze von einer falschen Voraussetzung ausgehen. Sie hätten vergessen, dass die Freiheit des Menschen immer auch Freiheit zum Bösen bleibt. Daher brauchen Freiheit und Vernunft Orientierung. Wenn dem technischen Fortschritt nicht Fortschritt in der moralischen Bildung des Menschen entspricht, dann ist er kein Fortschritt, sondern eine Bedrohung für Mensch und Welt. lautet das Fazit des Papstes.
Spiegel: Verstehen Sie Spes?
Ratzinger leistet sich den Luxus, gleichzeitig die Sermones des Bernhard von Clairvaux und das Bildlosigkeits-Postulat der Negativen Dialektik Adornos zu diskutieren. Päpste dürfen das, und vielleicht haben auch alle Christgläubigen, an die das Schreiben sich richtet, genau darauf gewartet
.
Auf was also darf der Mensch noch hoffen? Das ist die Grundfrage der Enzyklika. Immerhin sind bis Redaktionsschluss sowohl die Rückkehr des Messias ausgeblieben, als auch die Versprechungen der weltlichen Propheten. Und die Heilserwartungen des vergangenen Jahrhunderts haben sich als Katastrophen erwiesen, sei es das Dritte Reich oder ein Reich der Freiheit jenseits des Klassenkampfs. In der Neuzeit hätte man zuerst auf die Wissenschaft gehofft (Francis Bacon), dann auf die Neuformatierung der Gesellschaft durch die Herrschaft von Freiheit und Vernunft (in der Französischen Revolution)
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Sagen wir es jetzt ganz einfach: Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos. Wahrheit aber ist nur der in Jesus menschgewordene Gott und seine in allen gutsortierten Buchläden vorrätige Offenbarung: Die Heilige Schrift
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Spe salvi ist kein Meilenstein in der katholischen Lehre, sie führt in keinem Punkt über das hinaus, was schon im Handbuch der Dogmatik nachzulesen ist. Aber sie ist deutlich besser geschrieben, konkret und dicht am Menschen. Ratzinger erzählt von der entlassenen Sklavin Giuseppina Bakhita und der Hölle des neun Jahre in Isolationsfolter gehaltenen Kardinals aus Vietnam, Nguyen Van Thuan...
SÜDWEST-PRESSE: Thema Enzyklika: Lob auch von Kritikern
In seiner neuen Enzyklika beschränkt er sich nicht nur darauf, die Ideologien des 20. Jahrhunderts als gescheiterte Hoffnungen zu brandmarken, die ein Übermaß an Zerstörung hervorgebracht hätten. Anders als bei der Verurteilung anderer sozialpolitischer Phänomene wie etwa der rechtlichen Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, benützt Benedikt XVI. Argumente der Verfechter dieser Ideologien. Das Ergebnis kann nicht nur Katholiken als Argumentationshilfe dienen bei der Auseinandersetzung mit dem Marxismus oder anderen Theorien jenseits des christlichen Glaubens, sondern auch Nichtgläubigen.
Kleine Zeitung-Kommentar: Wurzelbehandlung für Europa und eine kühne Hoffnung - Von Thomas Götz
. Johannes Paul II. hat viel geschrieben und viel geredet. Fast schien es, als wollte er mit der Gewalt der Worte dem Lauf der Dinge Einhalt gebieten, ihm eine andere Richtung geben. Er sprach viel von Moral und Werten. Die Welt zu verändern war ihm wichtig, sein hohes Amt ein Megaphon. All das ist Joseph Ratzinger nicht fremd. Und trotzdem ist, was er tut, grundverschieden. Er spricht weniger, schreibt weniger. Wenn er es tut, klingt es ganz anders, nüchterner als der Ton Johannes Pauls, den er gerne seinen hochverehrten Vorgänger nennt. Joseph Ratzinger scheint es nicht um die unmittelbare Wirkung zu tun zu sein. Er arbeitet an der Wurzelbehandlung dessen, was er für das Grundübel der Neuzeit hält: die Verdrängung der Religion aus der Mitte des Lebens. Die aber hat tiefe Wurzeln und Ratzinger versucht, sie bloßzulegen.
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