Das Licht Mariens in Mutter Teresas dunkler Nacht

2. Mai 2008 in Interview


Wie die Muttergottes den "Engel der Armen" tröstete: Interview mit P. Joseph Langford von der Priestergemeinschaft der "Missionare der Nächstenliebe".


Tijuana (www.kath.net / zenit) Vor kurzem sind dutzende Artikel über die dunkle Nacht des Glaubens von Mutter Teresa durch die Medien gegangen. Die unerzählte Geschichte ist jedoch, wie die Jungfrau Maria die Ordensgründerin in all diesen Jahren aufrechthielt.

Um einen Einblick in diese Begebenheit zu bekommen, besuchte die ZENIT-Redakteurin Annamarie Adkins Pater Joseph Langford von der Gemeinschaft „Missionare der Nächstenliebe“. Pater Langford hat gemeinsam mit Mutter Teresa die Priestergemeinschaft der „Missionare der Nächstenliebe“ gegründet und ist zudem Autor des Buches Mother Teresa: In the Shadow of Our Lady, („Mutter Teresa: Im Schatten Unserer Lieben Frau“), das im Verlag „Our Sunday Visitor“ erschienen ist.

Der Priester berichtet in seinem Werk darüber, wie sich Mutter Teresa in ihrer dunklen Nacht an Maria anklammerte und wie auch jeder von uns dem Beispiel Mutter Teresas folgen kann.

ZENIT: Wie gelangten Sie zu der Erkenntnis, dass die Zeit reif war, um diesen Teil aus dem Leben Mutter Teresas zu erzählen?

Pater Langford: Die Entscheidung, dieses Buch herauszugeben und mehr vom inneren Leben Mutter Teresas bekanntzumachen, war Frucht von zwei Ereignissen: der zehnte Gedenktag ihres Todes und die neuerlichen Kontroversen über die „dunkle Nacht“ ihrer Seele.

Als die Verwirrung um die Person Mutter Teresas und ihr Vermächtnis entstand, schien es wichtig, eine andere Dimension des Lichts und der Schönheit der Arbeit Gottes in ihrer Seele zu enthüllen – ein Licht, das durch ihren heldenhaften Glauben alles viel heller erleuchtet hat.

ZENIT: Wie würden Sie die Zeit der Dunkelheit von Mutter Teresa beschreiben, und was sagen Sie zu den Kontroversen über ihre „dunkle Nacht“?

Pater Langford: Im Gegensatz zu den Berichten der Presse durchlebte Mutter Teresa nicht eine „Krise“ des Glaubens. Tatsächlich kämpfte sie nicht mit dem Glauben an sich, sondern mit dem „Verlust des Gefühls“ des Glaubens, mit dem Verlust des Gefühls für den Sinn des Göttlichen. Als sie die Schritte aus dem Kloster hinaus in die Slums von Kalkutta wagte, hatte auch der gewohnte Trost im Gebet abrupt geendet.

Auch wenn sie es erst später verstehen sollte, war sie gerufen, die innere Dunkelheit der Armen und Notleidenden und ihre Glaubensprüfung zu teilen – um ihretwillen und aus Liebe zum Herrn.

Es wurde ihr gewährt, das Gefühl zu haben, als ob Gott abwesend wäre, und zunächst erduldete sie diesen Zustand als Trennung von ihrem Gefühl und ihrem Glauben – auch wenn der Verlust der Gefühle bei ihr niemals zu einem Glaubensverlust führte.

In Wirklichkeit hat diese dunkle Nacht erst die verborgene Tiefe Mutter Teresas in einer unvergleichlichen Weise hervorgebracht. Ihre Dunkelheit erlaubte ihr nicht nur, ihren außergewöhnlich starken Glauben ganz zu leben, sondern macht auch uns fähig, die wahren Dimensionen des Glaubens zu entdecken, der auch in der Nacht und unter Zwang sichtbar wird. Wir modernen Apostel haben oft einen zu „kleinen Glauben“.

Sie würde uns ermutigen wollen, das Gleiche zu tun – in unserem persönlichen Kalkutta, in unseren eigenen Dunkelheit: Anstatt aus unseren Zweifeln und unserem Schmerz ein Gefängnis zu machen, können wir aus ihnen, wie Mutter Teresa es getan hat, Brücken zu den anderen machen, Bande der Solidarität, einen „Katalysator“ der Liebe.

ZENIT: Wie hat ihr die Beziehung zur Jungfrau Maria in den Zeiten der Prüfung geholfen?

Pater Langford: So wie den Israeliten eine Feuersäule gegeben wurde, die ihnen in der Dunkelheit den Weg wies, so bekam Mutter Teresa in der Gestalt der Jungfrau Maria ihr eigenes Licht, das sie durch die Nacht des Glaubens führte.

Das Geschenk der Mutter Jesu, das bereits der heilige Johannes auf dem Kalvarienberg empfing und das viele Heilige über die Jahrhunderte hinweg ebenso erhalten haben, stärkte Mutter Teresa und befähigte sie, ihren Schmerz zu ertragen und sich um die Not der Armen zu kümmern.

Unsere Liebe Frau hat ihr nicht nur geholfen, in der dunklen Nacht zu glauben, sondern auch zu lieben. So setzte sie das Geheimnis des Glaubens um, in ihrem Inneren und um sie herum, als Same der Auferstehung.

So wie die Muttergottes den heiligen Johannes auf dem Kalvarienberg führte, um dort seine Stärke unter Beweis zu stellen, so war es auch sie, die die Mutter Teresa durch das Meer des Leidens begleitete. So konnte Mutter Teresa das Licht Gottes ausstrahlen – auch auf die Armen.

ZENIT: Was haben Sie selbst über den Umgang mit der Muttergottes von Mutter Teresa gelernt?

Pater Langford: Das Buch ist eine Zusammenfassung über das, was ich über die Muttergottes über die Jahre hinweg gelernt habe, durch meine Beobachtungen und indem ich dem „Engel der Armen“ zuhörte. Es handelt sich schlicht und einfach um eine Rede zur Verteidigung der Rolle Unserer Lieben Frau, die nicht polemisiert, sondern in dem einfachen Sari einer Gestalt des Evangeliums. Maria ist eine der glaubwürdigsten Gestalten des Evangeliums. Von ihr können wir vieles lernen.

Es ist unmöglich, den Glauben Mutter Teresas zu betrachten, ohne an den Glauben Mariens erinnert zu werden. Auch wenn die Dunkelheit der Muttergottes eine andere Gestalt annahm, musste sie dennoch eine solche Nacht durchleben.

Es genügt, an Josef und seine Zweifel zu denken oder an die Situation, als sie keinen Platz in Bethlehem fanden; an die Flucht nach Ägypten, die Jahre der Abwesenheit Jesu von Nazareth, die Stunden des Todeskampfes am Kreuz oder an ihren eigenen Todeskampf, als Jesus im Grab lag. Aus diesen Erfahrungen kommen die Lehren, die sie mit der jungen Mutter Teresa geteilt hat.

Das Leben von Mutter Teresa und ihr Sinn für die Rolle der Muttergottes waren ein „angehender Besuch“, ein „hastiger Gang“, um Gott zu den anderen zu bringen. Diese marianische Vision basiert auf der Erfahrung Mutter Teresas und wurzelt in der Schrift.

Die Darstellung des Besuchs im Evangelium nach Lukas erinnert uns eindeutig an den „Besuch“ der Bundeslade, der ebenfalls im „Bergland Judäas“ stattfand. Niemand bestreitet, dass die Bundeslade eine besondere Gnadensalbung und eine ganz besondere göttliche Anwesendheit bedeutete, war sie doch ein „theotokos“ („Gottesträger“), auch wenn sie nur aus Holz gefertigt war.

Kann Gott nicht dasselbe wie in der Bibel machen und noch mehr? Mit einer neuen und besseren Bundeslade? Fürchten wir uns, dass Gott das zu Fleisch werden lassen kann, was einmal war? Oder hat unsere Generation weder die Schrift, noch die Macht Gottes verstanden?

Am Ende würde Mutter Teresa nicht diskutieren, sondern einfach nur sagen, was dieses marianische Geheimnis ist, das sie immer wieder als „Geheimnis Christi in den Armen“ beschrieben hat: „Kommt und seht!“

ZENIT: Wie haben sich die Visionen der jungen Mutter Teresa auf ihre marianische Hingabe ausgewirkt?

Pater Langford: Irgendwann im Jahr 1947, nach langen Monaten der Gnade, in denen Jesus die außergewöhnliche Mission beschrieb, die sie zu erfüllen hatte, wurde Mutter Teresa eine Vision gewährt, die die wichtigsten Elemente ihrer neuen Berufung beschrieb: Sie sah eine „große Menschenmenge“, die in „Dunkelheit gehüllt“ war – jene Dunkelheit, die auch sie bald zu teilen hatte. Die Muttergottes stand in der Mitte all dieser Menschen und bezeichnete sie als ihre Kinder.

Mutter Teresa sah sich selbst „als kleines Kind“, das direkt vor der Muttergottes stand – so nahe, dass sie genau dasselbe sah wie sie, dass sie buchstäblich in ihrer Gegenwart eingewickelt war. Das, was Mutter Teresa als Vision an jenem Tag sah, sollte wahr werden und somit gewissermaßen eine „Erweiterung Unserer Lieben Frau“ auf den Kalvarienbergen dieser Welt.

Als sie von ihrem geistlichen Begleiter gefragt wurde, wie sie es geschafft hätte, die ungeheuer große Arbeit zu verrichten, die von Jesus gewollt war, antwortete Mutter Teresa, dass sie „einfach ihr ganzes Vertrauen“ in die Gegenwart der Muttergottes gesetzt hätte.

Sie zweifelte nie, und war vom selben Glauben inspiriert, der auch die Muttergottes aufrecht hielt in der dunkelsten Stunde auf Golgota. Der Sohn Gottes war unter dem „nicht-stressenden Mantel“ jener Person versteckt, die seine Passion teilten. So, wie es der Evangelist Matthäus sagt und wie es Mutter Teresa immer wieder wiederholte: „Was ihr dem Geringsten getan habt, habt ihr mir getan.“

Seit ihrer lebensverändernden Vision im Jahr 1946 bis zu ihrem Tod war die Muttergottes der ständige Begleiter Mutter Teresas, ihr Vorbild.

ZENIT: In Ihrem Buch sprechen Sie über die vier wichtigen „Eigenschaften der Seele, die notwendig sind, damit die Muttergottes in unser Leben eingreifen kann“. Könnten Sie diese Eigenschaften kurz beschreiben und darauf eingehen, wie Mutter Teresa sie in ihrem Leben und Werk ausstrahlte?

Pater Langford: Die erste Voraussetzung in unserer Beziehung mit der Muttergottes ist die Eigenschaft der Kleinheit und Armut des Geistes. Das ist eine Eigenschaft, die die Schranken des Reiches öffnet, wie es im Evangelium heißt: „Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen (Lk 18,17). Das war der Schlüssel Mutter Teresas und all derer, die die Muttergottes in ihren Erscheinungen auswählen wollte.

Die zweite Voraussetzung ist die Eigenschaft des Vertrauens, des einfachen Vertrauens in die Gegenwart, Kraft und Rolle Unserer Lieben Frau in Gottes Plan; Vertrauend auf ihr Eingreifen und ihre Fürsprache – vertrauen, wie es die Kinder tun.

Die dritte Eigenschaft ist der einfache Gehorsam. „Mir geschehe nach deinem Wort“, ruft Maria aus, und sie bitte jeden um dieselbe Fügsamkeit. Diese Eigenschaft verkörpert auch Mutter Teresa und alle, die in einer innigen Beziehung zu Maria gelebt haben.

Die vierte Eigenschaft ist schließlich die Kontemplation, die Beschaulichkeit im Leben und im Gebet. Dabei handelt es sich um die Fähigkeit, staunend vor der Majestät Gottes und der Schönheit seiner Geschöpfe stehen zu können, vor dem Wunder seiner Geschenke und seines Segens.

ZENIT: Wie führte die unbefleckte Jungfrau Mutter Teresa zu Christus, und wie kann sie auch jeden von uns zu Christus führen?

Pater Langford: Mutter Teresa entdeckte, dass die Anwesenheit der Muttergottes in den Slums alles reinigte, unabhängig davon, wie befleckt es war, und sie machte es schöner. Sie öffnete den dunkelsten Horizont für das Licht der göttlichen Gnade.

Für Mutter Teresa war Maria wie die Wolke, die im alten Testament über dem Versammlungszelt aufkam, um eine gesegnete Atmosphäre der Anwesenheit Gottes mit sich zu bringen. Diese Atmosphäre ist wie ein sicherer Ort: Alles wird gereinigt und verwandelt, und wir werden auf das Treffen mit Gott vorbereitet.

Mutter Teresa war davon überzeugt, dass an diesem heiligen Platz alles realisiert werden würde, was Gott von ihr wollte. Sie fand in der Muttergottes einen bevorzugten Weg, um zum Mysterium der Liebe der Dreifaltigkeit vorzudringen, das uns in Jesus gegeben ist.

Maria verkörperte für sie die höchste Form der Antwort auf den Ruf Gottes, unser höchstes und vollkommenstes Antworten auf diese Einladung der Liebe und geliebt zu werden. So wie die Muttergottes die Lösung für das Dilemma der menschlichen Schwachheit des heiligen Johannes wurde, so wurde sie auch für Mutter Teresa zur Lösung, die in derselben Situation war: Johannes auf dem Kalvarienberg und Mutter Teresa in den Slums von Kalkutta.

Mutter Teresa würde uns heute dazu einladen, der Muttergottes die Möglichkeit zu geben, auch für uns zur Lösung zu werden. Wir müssen viele Schwierigkeiten und Fragen bewältigen, die mit der Nachfolge Jesu verbunden sind. Es geht darum, „unser eigenes Kreuz jeden Tag zu tragen“ in dem verborgenen Kalkutta unserer Herzen.

Mit ihrem ganzen Herzen geht uns Mutter Teresa voran und ermutigt uns, die ernste Einladung Jesu anzunehmen: „Siehe, deine Mutter.“

Foto: (c) P. Dr. Leo Maasburg


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