'Die letzte Phase der Frauenemanzipation hat noch gar nicht begonnen!'

7. Mai 2008 in Interview


Warum Babys ihre Mütter brauchen und kleine Jungen nicht gerne zur Schule gehen: KATH.NET-Exklusiv-Interview mit der deutschen Psychologin Christa Meves.


Augsburg (www.kath.net)
KATH.NET: Frau Meves, Sie haben in Ihrem Vortrag beim Kongress Weltkirche in Augsburg einige Fakten aufgezählt, die nachdenklich machen: Jede zweite Ehe wird heute geschieden, jedes fünfte Kind ist psychisch angeschlagen etcetera. Das ist ja eine sehr triste Bestandsaufnahme, besonders für junge Leute. Viele fragen sich: Ja, und wie sollen wir jetzt damit umgehen? Wie können wir eine Perspektive gewinnen? Was sagen Sie ihnen?

Christa Meves: An sich ist es alles ganz einfach: Gott hat uns etwas vorgegeben, das bewirken könnte, dass die Kinder eben nicht mit fünf Jahren so unruhig sind, dass sie therapiert werden müssen, jedenfalls die nicht, die normal geboren werden. Es entspricht unserer Natur als Frau, uns mütterlich zu verhalten, wenn wir ein Kind geboren haben – und das braucht ein Kind als Wichtigstes, um ausgeglichen zu werden. Es entspricht ebenso den Bedürfnissen der Kinder, geliebt und geborgen zu sein. Wir denaturierten Menschen der Moderne müssen diese Kanäle wieder öffnen. Wir haben verstopfte Kanäle in unseren Köpfen. Sie sind verkleistert durch ideologische Vorstellungen.

Natürlich haben wir Frauen das Bedürfnis und das Recht, uns auch als Frauen voll einzubringen und nicht irgendwo wie eine Schnecke in der Ecke zu sitzen. Das ist ein berechtigte Wunsch, den hatten bereits die Frauen in der ersten Frauenemanzipation 1910, in der meine Mutter aktiv war. Was man aber neuerdings mit uns Frauen gemacht hat, ist eigentlich Verführung; denn man hat uns eingeredet, dass wir auf der ganzen Linie „benachteiligt“ seien .

Was sagte Simone de Beauvoir? „Als Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man erst gemacht.“ Und das, zu dem wir gemacht seien, das sei nicht akzeptabel, wir sollten zu etwas anderem, zu etwas besserem gemacht werden. Auf dem Arbeitsmarkt sind wir manchmal sogar noch heute wirklich benachteiligt, etwa wenn die Arbeitsplätze nicht gleichmäßig bezahlt werden.

Aber hier ist mehr geschehen: es ist durch den radikalen Feminismus weit darüber hinaus eine große Unzufriedenheit der jungen Frauen aufgeschürt worden, eine Unzufriedenheit, die sich auch darin ausdrückt, dass sie mit den Männern nicht mehr umgehen können. Sie stellen zu hohe Anforderungen an sie: Die Männer sollen alles machen, gleich wenn sie heimkommen, und überhaupt sollen sie immer da sein. Das ist eine ungute Entwicklung, weil es einen Geschlechterkampf provoziert, ein Gegeneinander, und ein fatales Nicht-Miteinander-Auskommen.

Wir müssen also heraus aus dieser Verkleisterung, die eine künstliche Verführung ist. Wir müssen uns wieder als echte Frauen spüren! Die letzte Phase der Frauenemanzipation hat noch gar nicht begonnen! Wir brauchen dazu einen weiteren Schritt der Frauenemanzipation, die das, was erobert ist, zwar weiter bewahrt und auch ein erwerbstätiges Leben beansprucht, aber - so man eine Familie hat - erst dann, wenn die Kinder schon aus dem Gröbsten heraus sind.

Wir brauchen eine neue Ära, in der wir Frauen uns noch mehr unserer Eigenart als Frauen bewusst werden und unserer echten Bedürfnisse. Letztere sind ja durch die Hormone, durch das Gehirn, das hormonell bestimmt ist, als Vorgaben Gottes vorhanden! Und es ist gefährlich echte Bedürfnisse über lange Zeit hinweg zu verdrängen. Wenn wir jedoch ständig davon Gegenteiliges hören, dann laufen wir eben in die Richtung, wo gesellschaftliche Anerkennung zu finden ist.

KATH.NET: Sie sprechen einer „Verkleisterung“. Wie lässt sich dieser Kleister konkret lösen? Welche Ideen haben Sie dazu?

Christa Meves: Ich habe dazu bereits viele Ideen publiziert. Zum Beispiel, dass wir nicht diese Einheitsschule weiter machen. Sie ist falsch, wir sind ja auch keine Einheitsmenschen. Wir Frauen preschen viel früher, viel schneller vor, wir haben nicht so viel Zeit, spätestens mit 40 ist die Chance, eine Familie zu gründen, eigentlich vorbei. Die Männer können ja noch mit 70 eine Familie gründen. Hier besteht ein erheblicher Geschlechtsunterschied. Weil das von vornherein offenbar auch von Gott so angelegt ist, hat der Mann viel mehr Zeit.

Er lässt sich Zeit, das sieht man schon bei den Babys: Die Jungen sind ein bisschen später trocken als die Mädchen, die Jungen mögen zum Beispiel überhaupt keine Schule. Die Grundschule ist den motorisch lebhaften Jungen überhaupt nicht altersentsprechend. Es müsste viel mehr diesem Bedürfnis, ein starker Mann zu werden, nachgegeben werden durch ganz viel motorische Verstärkung, durch Sport etcetera. Aber die Einheitsschule wird in Wahrheit niemandem gerecht.

Auch den Mädchen nicht, die dann natürlich vorpreschen und das schnellere und bessere Abitur machen, weil sie auf eine falsche Spur gelenkt werden und verkopfen. Die Stimme, die wir als Frau in uns haben, die Stimme des Gefühls, der Einfühlung, des Sich-auf-die-anderen-einstellen-Wollens, die Freude am Konkreten, am Schönen, am Ausschmücken - alle diese so typischen weiblichen Eigenschaften werden dann verdrängt. Die sind nicht weg, und schöne Wohnungen richten wir uns trotzdem ein, oder wir ziehen uns schöne Klamotten an, aber nicht als eine Qualität als eine besondere, als eine geförderte weibliche Kreativität und Spezialität.

Alle vier Wochen wartet vom zehnten bis zum fünfzigsten Lebensjahr im weiblichen Körper ein Ei darauf, dass es befruchtet wird. Das ist doch nicht nichts! Das ist eine erstaunliche Gegebenheit, mit der man eigentlich spezifisch umgehen müsste. Man sollte sie nicht dadurch beantworten, dass man über Jahrzehnte hinweg die „Pille“ nimmt. Dann wird alles das an Emotion totgestellt, was da sonst in der Frau schwingt in diesem Zyklus. Das wird alles gar nicht mehr beachtet – zum Nachteil der psychischen Qualität. Wenn unsere Kinder aufgeklärt werden, werden sie über alle Verhütungsmittel aufgeklärt, aber nicht darüber, wie die Frau eigentlich ist. Wir brauchen wirklich auch in dieser Hinsicht eine Kulturrevolution, eine christliche - denn dahinter steht, was Gott mit der Frau gemeint hat.

KATH.NET: Sind Sie dafür, dass die Mutter eines kleinen Kindes ganz zuhause ist, oder kann sie auch ein wenig arbeiten?

Meves: Zu der Frauenemanzipation, die ich meine, gehört: Alles zu seiner Zeit, und alles mit Maß. Wer denkt denn noch an das Kind? Das Kind ist wie eine Wunderblume, es ist ein Organismus, und es hat bestimmte Phasen. Jeder Gärtner weiß das, jeder Hundezüchter weiß das. Tiere und Pflanzen sind niemals gleich, und man kann nie etwas Ersprießliches von oben herab aus irgendeinem selbst ausgedachten Willen bestimmen. Man muss sich danach richten, wie die Entfaltungsbedingungen des Kindes sind.

Dieser Homo sapiens - wir wissen ja, dass das Gehirn sich in den ersten drei Jahren konstituiert - hat ganz bestimmte Entfaltungsbedingungen, und zu diesen gehört, dass es zuerst seinen Frieden bekommt, dieses Gestilltwerden, wie die Sprache so schön sagt. Es bekommt diesen Frieden nur dadurch, dass unser Verhalten den Erwartungen dieses Neugeborenen und seines noch nicht voll ausgebildeten Gehirns entspricht. Das haben wir an sich drauf, wir haben das im Gefühl, wir haben Instinkte, wollen das Kind immer dabei haben, wir wollen es im Arm haben, wir sind voll darauf bedacht, dass es ihm ganz besonders gut geht.

Wir müssen diese natürlichen Empfindungen nur wieder einsetzen, die bei uns Frauen sehr viel sensibler sind als bei den Herren der Schöpfung, weil wir an dieser Stelle so ganz besonders intensiv gefragt sind. Papa kann mitmachen, soll mitmachen, aber er ist zu dieser Zeit nicht der unmittelbar Gefragte, gefragt ist dieses Wesen, das die Milch hat zum Beispiel, die die beste aller Nahrungsformen für das Neugeborene ist, wie wir heute wissen.

Dann ist es natürlich falsch, es irgendwie nach selbst ausgedachten Konzepten anders zu machen, nur weil man sagt, das Kind ist ja ein dummes Wesen, das nichts kapiert. Im Gegenteil: Es empfindet schon sehr viel, weiß mittlerweile die neue Forschung.
Wenn wir der Natur wieder nachgehen, erkennen wir auch diese Zeitfenster wieder. Erstens muss das Kind vor allen Dingen an Mutters Brust liegen und saugen. Das ist das allererste, dieses Zeitfenster für den Nahrungstrieb.

Dann kommt einige Wochen nach der Geburt, nachdem das Kind den Geruchsinn, die Motorik schon hat, der Gesichtssinn - relativ spät. Dass das Baby die Mutter oder den Vater so richtig anschaut, passiert meist so mit vier, sechs oder acht Wochen. Dann wird aus dem Säugling sozusagen ein „Schauling“ - ein Schauender.

Die Gehirnforscher sagen es uns auch: In dieser Phase beginnt das Kind die Mutter anzustarren, denn es will sie jetzt auch mit dem Gesicht schauend erfassen- das ist wiederum ein Zeitfenster, eine Phase. Die erste Phase heißt Brust und damit Absättigung und Konstituierung des Nahrungstriebes, die zweite Phase heißt Mamas Gesicht und das heißt: die Konstituierung des Bindungtriebes, durch die Bindung an die Mutter - die dauert mindestens ein halbes Jahr. Aber damit ist sie praktisch lebenslänglich anberaumt. Wenn die Mutter dann arbeitet, mutet sie ihrem Kind eine große Verstörung zu. Das Kind fürchtet, dass nun alles aus ist, dass die Basis seines Überlebens weg ist.

Neulich hat eine Krippenerzieherin gesagt: Morgens um sieben werden sie abgegeben und mittags um elf schreit keines mehr. So lange schreien sie und rufen, ohne da schon verbalisieren zu können: „Mama, wo bist du?“ Am vierten oder fünften oder sechsten Tag ist es vorbei, und die Leute denken, es ist gut, aber das Kind sitzt in der Ecke und spielt nicht – oder es wird unruhig und schlägt mit dem Kopf auf dem Boden, oder es wir einfach krank.

In das limbische System des sich entfaltenden Gehirns prägt sich Angst ein, Misstrauen, Aggressivität auch. Es ist zum Beispiel nicht wahr, dass die Kinder die Mütter nicht mehr erkennen, wenn sie eine längere Zeit weg war. Dann wenden sie sich nur von ihr ab – nicht nur die Einjährigen, auch die Dreijährigen noch. Und dann heißt es: Das Kind hat die Mutter nicht wieder erkannt. In Krisensituationen können dann aber Angstanfälle, Depression und Panikattacken aufbrechen.

KATH.NET: Und wie sehen Sie jene Modelle, wo der Vater mehr Zeit zuhause verbringt und die Mutter dafür mehr arbeitet. Tut man dem Kind damit etwas Gutes?

Meves: Nein, ganz gewiss nicht. Gender-Mainstreaming ist doch eine Idoelogie: Wir sollen vergessen, dass wir Männer und Frauen sind! Es ist unendlich merkwürdig, dass Regierungen weltweit das zur Chefsache erklären. Denn die Hirn- und Hormonforschung hat ja gezeigt, wie verschieden männliche und weibliche Gehirne sind. Natürlich nicht in allen Bereichen, aber in den spezifischen Eigenschaften, die man als Mutter oder Vater braucht, sind sie verschieden.
Ich habe heute das Beispiel der dunklen Stimme gebracht: Sie wächst dem jungen Mann mit 14 zu, keiner kann das ändern, auch unsere Mainstreamings nicht.

Warum wächst dem Mann eine solche zu und der Frau nicht? Wenn ich meinen Töchtern abends um neun Uhr erzählte, dass der Nachtschlaf eine erholsame Wirkung hat und man in der Schule dann besser auspassen könnte und ihnen das drei und fünf Mal erzählte, passierte gar nichts. Wenn mein Mann dann aber einmal aufblickte von dem, was er gerade tat, und einfach nur mit seiner dunklen Stimme sagte: „Jetzt ist Schluss!“ - Weg waren sie!

Das ist ja auch so sehr in den kleinen Männern drin: Wir können noch so pazifistisch sein, aber in dem Augenblick, in dem die Jungen 5, 6 oder 7 Jahre alt sind – und da brauchen sie auch gar nicht ferngesehen haben – spätestens dann machen sie „peng, peng, peng“. Wenn sie nie eine Pistole gesehen haben, nehmen sie ein Stück Holz. Sie haben das Jägersein im Blut, und das bedeutet eben, dass sie wehrhaft werden sollen, weil die Familie natürlich des Schutzes bedarf. Die Funktion des Vaters ist am Lebensanfang seiner Kinder eher sekundär: Er beschützt die Mutter, hilft ihr beim Einkauf, ist lieb zu ihr. Aber er wird immer mehr zur primären Bezugsperson, je älter die Kinder werden, erst recht für die Söhne zwischen 12 und 18.

Wenn die Väter das erfassen, ist das ein Lebensglück für beide Seiten. Umgekehrt ist die Mutter unendlich wichtig am Anfang, und die Funktion für die Kinder schwächt sich dann ab. In der Pubertät muss man ganz besonders von der Mutter los. Das ist auch von Gott gewollt und richtig, denn es kann nicht immer so ein Küchlein unter den Flügeln der großen Eltern bleiben.

KATH.NET: Welche Möglichkeiten gibt es für Menschen, die schon verletzt worden sind, trotzdem selbst ihren Kindern die Liebe weiterzugeben?

Meves: Was schlecht ist, wird sehr leicht in der nächsten Generation noch schlechter. Wir sprechen dann von so genannten Generationenneurosen. Das ist auch ein Grund, aus dem ich in die Öffentlichkeitsarbeit gegangen bin. Ich dachte, wenn nun immer mehr Kinder nicht richtig seelisch stark und durchhaltefähig werden, wie groß werden die Schwierigkeiten dann erst in der nächsten Generation werden?

Aber wo Gefahr ist, wächst auch das Rettende. Es gibt Modelle, bei denen Mütter, die mit ihren Kindern nicht mehr richtig umgehen können, durch das Vorführen von Filme, die über sie beim Umgang mit ihren Kindern gemacht worden sind, gewissermaßen einen Spiegel vorgehalten wird. Es wird ihnen mit viel Liebe vermittelt, was dem Kind jetzt wirklich gut tut, was es eigentlich erwartet. Das muss man mit Menschen, bei denen der natürliche Instinkt zu weit weg gerutscht ist, wieder einüben.

An sich ist es alles von Gott ganz einfach gedacht, natürlich, so wie es die Natur bestimmt, diese ganz biologische Art der Betreuung dessen, was noch hilflos ist. Da ist eben die Mutter die erste, die unmittelbar Beauftragte. Die Eltern sind eben nicht einfach beide gleich und dann austauschbar, das stimmt einfach nicht. Es ist ein unendlich humorvolles und wichtiges Thema, dass wir uns wieder darüber klar werden, wie verschieden wir als Mann und Frau sind, und wie sinnvoll es ist, dass wir uns gerade in all unserer Verschiedenheit verstehen.

Dann sind wir nicht gleich wütend, wenn uns der Mann nicht sofort zuhört, und er nimmt es uns nicht mehr übel, dass wir unentwegt mit unserer Freundin telefonieren müssen, weil unsere Redefreudigkeit einfach größer ist. Das liegt nämlich daran, dass wir Mütter mit den Kindern, mit den Babys, so viel reden sollen . Dadurch bildet sich die Muttersprache, in den ersten anderthalb Lebensjahren, und die Synapsen sprießen mehr, wenn das Kind am Anfang eine helle Stimme hört.

KATH.NET: Noch ein anderes Thema: Sie waren vor einigen Wochen bei der Gründungsveranstaltung der AUF- Partei dabei. Unterstützen Sie diese?

Meves: Ja. AUF steht für Arbeit, Umwelt, Familie. Sie kamen mit meinem Modell zu mir - Mutter als Beruf - und haben daraus ihr Parteiprogramm für die Familie gemacht. Das hat mich natürlich sehr angezogen. Ich hatte dieses Modell damals auch Bundeskanzler Kohl vorgestellt. Er wollte auch helfen es umzusetzen, aber die Umstände - sie waren nicht so.....

KATH.NET: Herzlichen Dank für das Gespräch!


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