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28. Mai 2008 in Deutschland


Der Katholikentag diskutiert über die alte Messe – Martin Mosebach und Hans Maier streiten über den überlieferten römischen Ritus - Von Regina Einig / Die Tagespost


Osnabrück (DT) Liturgisch Interessierten haben zwei Veranstaltungen des 97. Deutschen Katholikentags in Osnabrück am Samstag Fragen und Antworten zum außerordentlichen römischen Ritus geboten: Der Schriftsteller Martin Mosebach und der ehemalige ZdK-Präsident Hans Maier erörterten in einem Streitgespräch ihre Sicht der Liturgiereform des Zweiten Vatikanischen Konzils. Rudolf Kaschewsky, stellvertretender Vorsitzender von Una Voce Deutschland, Schwester Emmanuela Kohlhas OSB, Lehrbeauftragte für Gregorianik an der Musikhochschule Köln, der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann, der Trierer Weihbischof Jörg Michael Peters und der Organist Ansgar Wallenhorst versuchten, in der Podiumsdiskussion „Latein – außerordentlich oder ordentlich?“ Fragen zu Sprache und Ritus der römischen Liturgie auf den Grund zu gehen.

Der Andrang zu beiden Veranstaltungen ließ den Verzicht auf eine heilige Messe im außerordentlichen Ritus im Rahmen des umfangreichen liturgischen Angebots des Katholikentags als Fehlentscheidung des Veranstalters erscheinen. Sowohl zum Streitgespräch mit Mosebach als auch zur Podiumsdiskussion mit Kaschewsky kamen überdurchschnittlich viele junge Zuhörer. Letzteres wurde schon vor Beginn wegen Überfüllung geschlossen. Wer keinen Platz im Großen Saal im Gemeindezentrum an der Katharinenkirche bekommen hatte, verfolgte das Gespräch vor geöffneten Fenstern. Kaum vorstellbar, dass eine heilige Messe im außerordentlichen Ritus in Osnabrück vor leeren Bänken gefeiert worden wäre.

Mosebach vermied es von Beginn der Diskussion an, die Ritusfrage auf Formfragen zu reduzieren, obwohl das Thema des Streitgesprächs „Hat die Liturgie ihre Form verloren?“ dazu verführte. Mit Nachdruck verwahrte sich der Büchnerpreisträger gegen den unterschwelligen Versuch Maiers, Anhängern der alten Liturgie einen Mangel an Liebe und Glauben zu unterstellen, um ihnen das Wasser abzugraben.

Am Beispiel der feierlich begangenen Fronleichnamsfeste seiner Kindheit in der in den fünfziger Jahren noch überwiegend protestantischen Stadt Frankfurt machte Mosebach deutlich, dass auch die Sorge um die Fernstehenden die Anhänger der „von der missonarischen Form her glänzend bewährten“ – überlieferten Liturgie umtreibt. In seiner Kindheit sei es eine Selbstverständlichkeit gewesen, dass jede katholische Gemeinde in Frankfurt ihre eigene Fronleichnamsprozession hatte – „heute undenkbar“. Die Jahre nach dem Konzil beschrieb Mosebach als „unglaublichen Einbruch“. Aufgrund des Schockerlebnisses Kirche wäre „die Rückkehr beinahe zur zweiten Abkehr geworden, wenn ich nicht zur Welt des alten Ritus gefunden hätte“.

Die Reformer können sich nicht auf das Konzil berufen

Im Sinn des antiken Sprachgebrauchs betrachte er Paul VI. daher als Tyrannen, weil dieser einen alten Brauch abgeschafft habe. Für einen „liturgisch empfindenden Menschen“ sei auch die seinerzeit zur Abstimmung gestellte Missa normativa „ungeheuer problematisch“. Zwar sieht auch Mosebach den Bedarf, den Ritus von Zeit zu Zeit zu ändern „gewaltlos, wie Wind und Wasser eine Düne formen“. Die Liturgiereformer können sich seiner Auffassung nach daher nicht auf das Konzil berufen, das eine behutsame Reform angestrebt habe. Die heilige Messe bleibt für den Büchnerpreisträger das „Geschehen, zu dem ich hinzutreten“ kann und das Konsequenzen habe für den Glauben des Einzelnen und die Vermittlung der katholischen Doktrin. Erst aus Jesu Anwesenheit heraus könne die Lehre verbindlich werden. Maier erschwerte eine sachliche Debatte durch haltlos wirkende Unterstellungen. Worauf gründete die Behauptung, Priester hätten vor dem Konzil einen frühen Zelebrationszeitpunkt gewählt, „damit die Gläubigen nicht dabei waren“? Der ehemalige ZdK-Präsident wünschte Mosebachs Vergleich mit dem Tyrannen der Antike auch in bezug auf Pius V. – eineschwierig nachvollziehbarer Gedanke, da die Tridentinische Messform Riten, die älter als zweihundert Jahre waren, unangetastet ließ. Die von Mosebach kritisierten Missbräuche in der Liturgie ordnete Maier vor allem dem Zeitraum vor der Einführung des Missale Pauls VI. zu. Ist die liturgische Praxis seitdem besser geworden? Aktuelle Berichte über Erstkommunikanten, denen die Realpräsenz Christi in der Eucharistie nicht einmal ansatzweise bewusst ist, lassen nichts dergleichen vermuten. Einen getrübten Blick für die Wirklichkeit verriet Maier auch durch den Versuch, die Gefahr eines Auseinanderdriftens von lex orandi und lex credendi ausschließlich bei den Anhängern der überlieferten Liturgie zu verorten. Das von Maier zitierte Bekenntnis Martin Walsers „ich glaube nicht, aber ich knie“ wies Mosebach im Schlagabtausch energisch zurück: „Ich hoffe, sie legen mich nicht auf eine atheistische Liturgie fest“. Vor der Feier des Ritus ohne persönlichen Glaubensvollzug dürfte in der Tat keine Religion gefeit sein.

Einig waren sich die Gesprächspartner darin, dass Katholiken in puncto Liturgie von der Orthodoxie lernen sollten. Maiers Replik auf Mosebach ließ keinen Zweifel daran, dass manche der von den Befürwortern genannten „Errungenschaften“ des Novus Ordo wie die Kommunion in beiderlei Gestalten, die Konzelebration und das Mitbeten der Gläubigen in der liturgischen Praxis bei Priestern und Laien zwar für viele Konflikte sorgen, von denen zu sprechen aber verpönt ist. Glücklicherweise war Mosebach politisch unkorrekt genug, um eines der bis heute ungelösten Probleme der Reform anzusprechen: Das schon von Josef Pieper bemängelte Fehlen adäquater muttersprachlicher Übersetzungen.

Der Grundtenor der Mosebachschen Kritik, derzufolge Liturgie nie als Menschenwerk erscheinen dürfe, war am Nachmittag auch in den Ausführungen Kaschewskys angeklungen. Nicht das mangelnde Interesse der Gläubigen, sondern die Haltung derer, die „an den Schalthebeln der Liturgie sitzen“ verhindere eine stärkere Verbreitung der Liturgie im überlieferten Ritus, sodass die Messe in der außerordentlichen Form des römischen Ritus – „eine machtvolle Demonstration der Königsherrschaft Jesu Christi“ – auch acht Monate nach Inkrafttreten des Motu proprio Summorum pontificum noch immer ein „verschämtes Ghettodasein“ führe.

Die Zusammensetzung des Podiums ließ wenig Interesse des Veranstalters an einer tiefer gehenden Auseinandersetzung mit dem Thema vermuten. An einer qualifizierten Diskussion über einen Ritus teilnehmen kann billigerweise nur, wer diesen zumindest teilweise kennt. An Kompetenzen über die außerordentliche Form des römischen Ritus fehlte es allerdings in der Runde, deren Generationenaufteilung – grauhaariger Repräsentant der Freunde der überlieferten Liturgie neben jüngeren Anhängern des Novus ordo – suggerierte, die nach dem Konzil Geborenen fühlten sich liturgisch selbstverständlich im Novus ordo beheimatet. Die Praxis vieler tridentinischer Messen legt allerdings eine differenziertere Sichtweise nahe.

Das Dilemma der deutschen Bischöfe

Der Trierer Weihbischof Peters räumte offen ein, nicht nach dem Missale von 1962 zelebrieren zu können und verriet mit diesem Satz mehr über das Dilemma der meisten deutschen Bischöfe als weitschweifige Erklärungen gesagt hätten. Die Verquickung zweier verschiedener Fragen – der nach der Liturgiesprache Latein und jener nach dem Ritus – hielt die Diskussion über weite Strecken an der Oberfläche.

Benedikt Kranemann formulierte mit mühsam kontrollierter Gereiztheit Bedenken und Polemiken angesichts der überlieferten Liturgie („Ein Hobby des Papstes?“), beklagte vermeintlich aufgegebene liturgische „Errungenschaften“ und sparte nicht mit Seitenhieben auf Benedikt XVI. und lasche Ökumeniker: „Wo bleibt der Protest der evangelischen Kirchen?“ Ein Teil seiner Kritik prallte allerdings ab: Peters widersprach der Einschätzung Kranemanns, das Motu proprio bedeute einen Rückschritt hinter das Konzil, Kaschewsky wollte den Text nicht auf ökumenische Funktionalität reduziert sehen: Die Wiederzulassung der alten Messe sei kein „nettes Entgegenkommen des Heiligen Vaters an rückständige Gläubige“, sondern ein Kairos, der die traditionelle Liturgie wieder ins Bewusstsein der Gläubigen rufen könne. Kranemanns Wunsch, Martin Mosebach möge seine Sprachkraft in den Dienst der deutschen Liturgie stellen, verhallte ohne Applaus.

Das Bedürfnis nach der außerordentlichen Form des Ritus ist nach Auffassung des Organisten Ansgar Wallenhorsts umso geringer, je traditionsbewusster die heilige Messe nach dem Novus ordo gefeiert wird. Lateinische Choralämter sind zwar nicht verboten, doch der Sinn für den Schatz der Gregorianik ist vielerorts abgestumpft, wie Peters Erfahrungsbericht aus seiner früheren Pfarrgemeinde dokumentierte: Schon die vierwöchentliche Feier eines lateinischen Hochamts neben zwei weiteren Sonntagsmessen habe Proteste ausgelöst. Offensichtlich bedarf es bei teilweise liturgieunfähig gewordenen oder überaus einseitig ausgerichteten Gemeinden auch eine Art liturgische Toleranzoffensive. Kenntnisse des lateinischen Wortschatzes und der Grammatik geben dabei nicht unbedingt den Ausschlag. Schwester Emmanuela Kohlhas OSB trafn den Nagel auf den Kopf: In der Muttersprache sei der Kopf oft blockiert, so dass Beten in der Fremdsprache vielen leichter falle. Wortschatz und Grammatikkenntnisse allein garantieren dabei noch nicht, dass jemand Zugang findet. Obwohl sie selbst das Große Latinum beim Eintritt ins Kloster besessen habe, habe sie die Sprache der Kirche im Kloster neu lernen müssen. Ein weniger verkopftes Liturgieverständnis lautete Wallenhorsts glaubwürdiger Rat. Die Vorstellung, das unauslotbare Mysterium der Eucharistie über das Vehikel Muttersprache verständlicher zu machen, könnte so als heikle Gratwanderung entlarvt werden.

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Video über die "Alte Messe":





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