Neues Testament: Zurück zum Urtext

8. August 2008 in Deutschland


Mit einer neuen EDV-gestützten Methode der Universität Münster könnte die ursprüngliche Textgestalt des griechischen Neuen Testaments wieder zu gewinnen sein. Von Gregor Ambrus.


Münster (kath.net) Ziel ist die Fassung, von der in der Mitte des 2. Jahrhunderts die handschriftliche Überlieferung des griechischen Neuen Testaments ihren Ausgang nahm. Forscher der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) haben die Methode bei einem internationalen Kolloquium Anfang August in Münster vorgestellt.

Die von Gerd Mink am Institut für Neutestamentliche Textforschung der WWU entwickelte "Kohärenzmethode" stieß bei den aus aller Welt angereisten führenden Bibelforschern, aber auch bei der Deutschen Bibelgesellschaft auf großes Interesse und breite Akzeptanz.

Der Ausgangstext des griechischen Neuen Testaments selbst sei in keiner Handschrift vollständig erhalten, er müsse deshalb aus der gesamten Überlieferung von zur Zeit 5700 bekannten Handschriften rekonstruiert werden. Das erläuterte der Direktor des Instituts für Neutestamentliche Textforschung und Leiter des Bibelmuseums der Universität Münster, Prof. Dr. Holger Strutwolf, bei einem Pressegespräch.

Das Hauptproblem sei dabei, sagt Strutwolf, die "Kontamination", die gegenseitige Beeinflussung und Vermengung unterschiedlicher Überlieferungen, zu der es im Zuge der handschriftlichen Reproduktion des Textes immer wieder gekommen sei.

Schwer zu entwirren

Schreiber kopierten zwar im Wesentlichen zuverlässig ihre Vorlage, gelegentlich wurden sie aber etwa durch Unleserlichkeiten oder durch alternative Lesarten zwischen den Zeilen oder am Rande veranlasst, eine andere Handschrift zu Rate zu ziehen und von der Hauptvorlage abzuweichen. "Im Laufe der Jahrhunderte entstand so ein schwer zu entwirrendes Gemenge von Textformen und Überlieferungssträngen", erklärt Prof. Strutwolf.

Zur Lösung des Problems verweist er auf die von Gerd Mink an seinem Institut entwickelte neue "Kohärenzmethode". Mit Hilfe von leistungsfähiger EDV überprüfe und entwickle die Methode erstmals auf der Basis des gesamten relevanten Materials die Textvarianten im Neuen Testament. Der Zusammenhang der Überlieferung werde sichtbar und könne in die Beurteilung der Varianten einbezogen werden.

Keine Sensationen

2030 soll als Ergebnis eine neue Ausgabe des griechischen Neuen Testaments vorliegen. Dr. Jan Bühner, Generalsekretär der Deutschen Bibelgesellschaft, rechnet nicht mit Sensationen. Sehr wohl könne es aber zu zahlreichen wichtigen und überraschenden Textänderungen am Neuen Testament kommen.

Erfreut sei er über die in Münster deutlich gewordene große Übereinstimmung und Kooperationsbereitschaft der internationalen Forscher. So werden die beiden internationalen Zentren der neutestamentlichen Textforschung an den Universitäten Münster und Birmingham/Großbritannien künftig noch enger zusammen arbeiten.


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