'Er führt die Kirche zu ihren Wurzeln'

12. September 2008 in Aktuelles


George Weigel über den "Papst der stillen Überraschungen" und Frankreich - Interview zum Pastoralbesuch Benedikts XVI. in Paris und Lourdes


Paris (kath.net/Zenit.org)
George Weigel, der bekannte katholische Theologe und Autor aus den USA, ist sich sicher, dass Benedikt XVI. in Frankreich die Säkularisierung thematisieren wird. Im Gespräch mit ZENIT machte er außerdem auf die Stärken des Papstes aufmerksam.

Rechtzeitig zum Papstbesuch in Paris und Lourdes hat das Verlagshaus „Mame-Edifa-Magnificat“ Weigels Buch über den Papst und die Zukunft der Kirche aus dem Jahr 2005, „God's Choice: Pope Benedict XVI and the Future of the Catholic Church“, in französischer Übersetzung herausgebracht. Bekannt wurde der Theologe vor allem durch sein Werk Zeuge der Hoffnung, der Biographie über Johannes Paul II., die 1999 erschien.

Der jetzige Papst Benedikt XVI. sei seit seiner Amtseinführung „ein Meister der Katechese“ gewesen, erklärte Weigel im ZENIT-Gespräch. „Er führte die Kirche zu ihren Wurzeln – zur Bibel und zu den Kirchenvätern, die die christliche Doktrin geschaffen haben.“

Benedikt XVI. habe der Welt und der Kirche auch dadurch einen großen Dienst erwiesen, „dass er die Probleme aufgezeigt und analysiert hat, die Hand in Hand gehen mit einem Glauben, der von der Vernunft losgelöst ist – wie bei der Theorie des Dschihads –, und dem Verlust des Glaubens an die Vernunft, wie es in der europäischen Postmoderne der Fall ist, ganz besonders in Frankreich.“

Schließlich habe der Papst die Kirche daran erinnert, „dass sie am meisten sie selbst ist, wenn sie die Eucharistie feiert, was deshalb mit angemessener Würde getan werden muss“.

Mit Blick auf den bevorstehenden Papstbesuch erklärte Weigel, dass Benedikt XVI. sicherlich das Thema des Säkularismus ansprechen werde, wobei die französische Ausprägung etwas völlig Anderes sei als der „gesunde Säkularismus“ in den USA. „Die ‚laicité’ war eine anti-kirchliche Bewegung, während die institutionalisierte Trennung von Kirche und Staat in den USA darauf abzielte, die freie Ausübung von Religion zu fördern“.

Die Tatsache, dass in Frankreich im europäischen Vergleich die wenigsten Kirchenbesuche registriert werden, veranlasste Weigel zur Feststellung, dass diese Nation Land seit über zwei Jahrhunderten vom moralischen Erbe ihrer christlichen Vergangenheit gezehrt habe. Nun sei das Konto aber überzogen; „die Bank, die ethischen Kredit vergibt, wird leer“. Positive Kräfte für die Erneuerung des Christentums seien die verschiedenen Erneuerungsbewegungen, so Weigel.

Zum Besuch Benedikts XVI. im Wallfahrtsort Lourdes kommentierte Weigel: „Ich glaube, von Joseph Ratzingers theologischem Schaffen während der letzten 45 Jahre sieht man klar, dass er eine große Andacht zu Unserer Lieben Frau hat und ein ganz klares Bewusstsein von ihrer Stellung in der Heilsgeschichte.“

„Der Papst der stillen Überraschungen“, wie Weigel Benedikt XVI. einmal genannt hat, könnte in Zukunft durchaus einige Überraschungen aus seinem Ärmel schütteln, so der Theologe. Die Welt habe noch nicht wirklich erkannt, wer dieser deutsche Papst sei.

Von Karna Swanson; Übersetzung von Dominik Hartig


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