Die Unterscheidung der Geister

30. Oktober 2008 in Spirituelles


P. Hans Buob: "Es geht nicht um die Differenzierung von Gut und Böse, es geht um die Unterscheidung zwischen Gut und Besser" - Von Franziskus v. Ritter-Groenesteyn


München (kath.net)
Es gibt Seminare, Seminare und dann gibt es Seminare. Das sind die Seminare, die dein Leben von Grund auf verändern. Seminare, wo dir plötzlich ein Knoten auf-geht, dich der Heilige Geist bis tief in dein Innerstes erleuchtet. Und so ein Seminar durfte ich vorletztes Wochenende besuchen. Sozusagen auf geschichtsträchtigem Boden, hoch oben im Schwäbischen, in der Nähe vom Bierbrauerort Öttingen, dort, wo gewissermaßen der Himmel die Erde berührt hat – in grauer Vorzeit ging hier ein Himmelskörper nieder und hinterließ einen riesig großen Krater – entstand ein geistiges Zentrum von besonderer Strahlkraft. Ich spreche von Hochaltingen. Ein Ort, wo sich schon im Mittelalter Könige geistlichen Rat für ihre Regierung holten. Hochaltingen, ein Ort doppelter Höhung – einmal Hoch einmal Alt, was auf Latein nochmals Hoch heißt – ist ein verschlafenes Provinznest, dessen Lebendigkeit sich erst in den be-suchten Seminaren mit Herzensvehemenz offenbart.

Im Leben eines Gottsuchenden Menschen - so wage ich zu behaupten – ist dies das aller wichtigste Seminar, das man besuchen kann. Hat man erst einmal die Zusammenhänge zwischen Gottes Plan, dem Eigenwillen und der Versuchung zum Besseren erkannt, sieht man erst wie stark man zum Spielball negativer geistiger Mächte im Alltag werden kann und wie notwendig es ist, sich daraus zu befreien, um zu größerem Glück zu gelangen.

Sechzig Personen, jung und alt bunt gemischt, haben sich für ein Wochenende in Hochaltingen eingefunden, um den Vorträgen des Pallottiner Paters Hans Buob mit offenem Ohr und Herzen zu lauschen. Wir alle spüren sie, diese Offenheit. Pater Hans: „Diese Gruppe prägt ein sehr positiver Geist. Das ist hier nicht immer so.“ Zunächst macht er uns an einigen Beispielen klar, wie stark die Verwirrung in Gesellschaft aber gerade auch in kirchlichen Kreisen heutzutage ist. Dann kommt er zum Wesentlichen:

„Verstehn Sie, bei der Unterscheidung der Geister – eine der wichtigsten Gaben des Heiligen Geistes – geht es nicht um die Differenzierung von Gut und Böse. Das kann jeder. Dafür genügt der gesunde Menschenverstand. Dafür gibt es die Gesetze. Nein, bei der Unterscheidung der Geister geht es um etwas viel Raffinierteres, -wir haben es hier ja mit höchster Intelligenz zu tun, die uns versucht - es geht um die Unterscheidung zwischen Gut und Besser - das muss man einfach wissen.“

Wenn wir ständig das Bessere wollen, führt dies ganz schnell zu einer Überforderung, die uns letztlich von Gott trennen möchte. Ausgebrannt, ausgelaugt, enttäuscht, verbittert, schieben wir alle Schuld auf Gott, dabei hatten wir es doch so gut gemeint. Wir setzen uns selber unter enormen Druck und übersehen dabei, dass das Gute, das scheinbar Unspektakuläre, kurz der langweilige Alltag, genau das richtige für uns ist, um uns für Größeres zu qualifizieren. „Weil ihr im Kleinsten zuverlässig gewesen seid, darum vermache ich euch das Reich“, heißt es deshalb auch im Neuen Testament.

Um in der Sprache der heutigen Jugend zu sprechen. „Erst wenn du Level 1 geschafft hast, kannst du in deinem Videogame auf Level 2. Schaffst du Level 1 nicht, musst du solange von Vorne anfangen, bis zu es schaffst.“ Viele von uns stecken auf Level 1 fest, im Beruf, in der Ehe, im Glauben, in der Ausbildung und träumen von großen Taten auf Level 10, ohne zu be-greifen, dass der Schlüssel zu Level 10 in der Ganzhin-gabe, also im uneingeschränkten JA, zu Level 1 liegt. Das schöne daran ist, haben wir uns endlich dazu durchgerungen Ja zu sagen, wird auf einmal alles viel leichter und schöner und einfacher. Wir fangen sogar an Level 1 zu lieben. Und indem wir das tun, qualifizieren wir uns ganz unmerklich wie von selbst für Level 2 und höher – und, das ist das besondere dabei, ziehen andere mit. Denn die Liebe zieht. „Ein Kuss auf die Lippen gibt, wer richtig antwortet.“ Spr 24,26.

Gottes Führung erfolgt oft durch einen Impuls plötzlicher Liebe und Begeisterung für ihn. Der von der Gnade so Getroffene schwebt auf Wolke 7. Doch dann verdunstet die Wolke nach und nach unter ihm und er fällt in die raue Wirklichkeit des Alltags zurück und meint, verwirrt und gelähmt, der Geist Gottes habe ihn verlassen. Dabei handelt der Geist Gottes nie gegen unsere Natur, im Gegenteil er trägt ihr Rechnung und holt uns da ab, wo wir gerade aus eigenem Willen stehen. Alles geschieht organisch, d.h. Schritt für Schritt. In Gottes Führung ist kein Platz für Druck und Hektik. Im Gegenteil, er lässt wachsen und reifen. Kurz er lässt uns Zeit. Daher die Rückkehr in den Alltag, damit wir gestärkt durch die gnadenhafte Erfahrung selbstloses Lieben lernen. Selbstlos, d.h. ohne Belohnung oder Zuckerl für jeden geholten Stock.

Die Gnade Gottes, sein Geist der Klarheit und Liebe wirkt auf uns über die Materie. Deshalb wurde Jesus auch Mensch. Der Geist Gottes benutzt unsere Gefühle, unser Empfinden. Wir entwickeln ein Gespür, dafür, dass etwas nicht stimmt, ohne es beweisen zu müssen. Voraussetzung dafür, dass wir das erkennen, ist ein gesunder Menschenverstand. Worte und Handlungen müssen zur Einheit führen. Welcher Geist vorherrscht - der Geist Gottes oder sein Gegenspieler, der Geist der Verwirrung – kann man nur erkennen, wenn man gewissermaßen positiv geladen ist. Wird ein positiv geladener Mensch, also ein vom Geist Gottes erfüllter Mensch, mit negativ geladenen Handlungen, Erklärungen, Aussagen konfrontiert, spürt er darin sofort, den falschen Geist. „Mathematisch gesprochen: Plus und Minus ergibt die Wahrnehmung von Minus. Wer nicht im Geist Gottes ist, wird Negatives als Positiv bewerten: Minus und Minus ergibt immer Plus, verstehn’s.“

Um die Geister zu unterscheiden, gibt es umfangreiche objektive und subjektive Kriterien. Das wichtigste objektive ist der Grund meiner Motivation. Ist es Flucht, ist es Eigenwille, ist es Geltungsdrang, ist es Eifersucht? Damit wir im Geist Gottes bleiben und seine Impulse an unsere Lebensführung wahrnehmen können, muss unsere Motivation reine Liebe sein, nicht anderes.

Subjektiv heißt, wie reagiere ich auf etwas, was löst es in mir für Gefühle aus. Sind es Freude, Harmonie, Einheit, Friede oder Freiheit? Ist das Empfinden klar und einfach, oder fühle ich mich niedergeschlagen, gelähmt, verkrampft, unter Druck? Verwirrt mich das, was ich höre, sehe, erfahre? Dies alles sind Merkmale, die jeder von uns in seinem Leben wahrnehmen und sich daran im Wege einer Richtungskorrektur orientieren kann.

Das Seminar von Pater Hans gibt es auch als CD und Buch. Beides kann über den Buchladen von Hochaltingen bezogen werden. Doch sein Seminar, also die Einbettung in die liturgische Wirkkraft göttlicher Gegenwart, können sie nicht ersetzen. Durch das Seminar habe ich gelernt Ja zu sagen zu meinem Leben, so wie es ist, mit allen Ecken und Kanten, Schwächen und Fehlern, und seit diesem Ja geschehen erstaunliche Dinge um mich herum. Mein Leben hat eine neue Fülle bekommen, weil ich endlich gelernt habe in Gott zu ruhen. Diese Liebe strahlt aus und zieht unweigerlich andere mit sich. Um es mit den Worten der Heiligen Thérèse von Lisieux zu sagen: „Wie süß ist der Pfad der Liebe!“


© 2008 www.kath.net