1. Dezember 2008 in Spirituelles
Interview mit Andreas Schätzle aus den Amici-News Advent 2008 über den Advent und das Angelus-Gebet
Wien (kath.net/AdD)
AdD: Was bedeutet für Sie Advent?
Andreas Schätzle: Advent meint Ankunft. Das weiß jedes Kind, falls es den christlichen Religionsunterricht noch besucht. Mit dem Älterwerden beginnt man leicht den Sinn dieser Zeit zu vergessen. Lex vivendi lex credendi: die Art zu leben prägt unseren Glauben, oder: wer an der Oberfläche dahin hetzt, wird auch schwer in der Tiefe glauben können.
Ich selber merke, dass ich in Versuchung bin, den Advent als die Zeit zu verstehen, in der ich die Arbeiten des alten Jahres möglichst noch bis Weihnachten rasant zu Ende bringe, um dann wenigstens ein paar Tage frei zu haben, bis es wieder weitergeht. Andere wanken etwas krass formuliert feuchtfröhlich von Weihnachtsfeier zu Weihnachtsfeier mitten im Advent. Das kanns ja wohl nicht sein.
Dass das deutsche Wort Abenteuer, oder englisch 'adventure', vom lateinischen advenire kommt, eröffnet mir da schon neue Horizonte. Adventszeit ist Zeit des Abenteuers. In Erwartung leben, heißt mit dem Unerwarteten rechnen, bereit sein für das Abenteuer, die überraschende Begegnung, die vielleicht auf leisen Sohlen oder in Gestalt eines Bettlers daherkommt (früher begann die Adventszeit am 11. November, dem Fest des hl. Martin). Am Anfang des Christseins steht nicht ein ethischer Entschluss oder eine große Idee, sondern die Begegnung mit einem Ereignis, mit einer Person, die unserem Leben einen neuen Horizont und damit seine entscheidende Richtung gibt (Benedikt XVI. Deus caritas est 1).
AdD: Advent als Ankunft und Erwartung - ist das nicht etwas zu passiv so nach dem Motto: Mal sehn, was da kommt?
Andreas Schätzle: Nein, ich erlebe das als dynamische und wache Entschlossenheit. Um beim Gedanken des Abenteuers zu bleiben, verstehe ich den Glauben als den Sprung und das Bleiben in der Gegenwart Gottes. Dieser Sprung ist jederzeit möglich. Vielleicht bisweilen eine Art Bunjee Jumping, weil mich meine innere und äußere Geschäftigkeit immer wieder wie ein Gummiseil zurückholt. Doch im Geistlichen anders als beim gesicherten Sprung von der Brücke - lerne ich dann vielleicht irgendwann, auf so manches Halteseil oder den berühmten seidenen Faden zu verzichten. Dann verstehe ich auch mein armes Beten neu als ein inneres Ausgespannt- oder Hingeworfensein auf den, der kommt, um alles neu zu machen und auch mein Leben zu erneuern.
AdD: Welches Gebet empfehlen Sie für diese Tage?
Andreas Schätzle: Wieder ein Gebet, das übers ganze Jahr, durchs ganze Leben trägt, aber im Advent neu verstanden und belebt werden kann: www.angelusaktion.at Den Angelus, den Engel des Herrn. Dieses Gebet betrachtet ja das Geheimnis der Menschwerdung Gottes, aber auch das Geheimnis unseres geistlichen Weges. Wenn ich das kurz ausführen darf. Das Angelusgebet entfaltet sich in drei Etappen:
1. Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft / und sie empfing vom Heiligen Geist. Auch an uns richtet sich das Wort Gottes, die Botschaft des Evangeliums. Der Mensch ist capax Dei gottfähig, gottempfänglich. Wie Maria sollen wir schwanger werden mit dem Wort Gottes, das Christus ist.
2. Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn / mir geschehe nach deinem Wort. Unser Ja, unsere Zustimmung, unsere Dienst- und auch Leidensbereitschaft sind notwendig. Mir geschehe, das ist auch Passion.
3. Und das Wort ist Fleisch geworden / und hat unter uns gewohnt. Maria war so hörend auf das Wort Gottes, dass es in ihr Fleisch werden konnte. Sie hat Jesus, den verheißenen Immanuel (Gott mit uns) zur Welt gebracht.
Diese drei Etappen vollziehen sich in verdichteter Form im Advent. Ich höre Gottes Wort, seinen Ruf: 'Bereitet dem Herrn den Weg!', werde neu offen für den Heiligen Geist, um eine Schwangerschaft des Wortes zu empfangen. Dieses Wort soll in mir wachsen, wie ein Baby im Schoß der Mutter. Das 'arbeitet' und strampelt in mir, braucht Nahrung, Geduld und Aufmerksamkeit. Bis Christus in mir geboren wird und große Freude da ist. Freude die ausstrahlt, denn ein Kind erblickt das Licht der Welt: Christus soll sichtbar werden in meinem Leben. Das Wort wird Fleisch...
In diesem Sinne kann sich im Advent eine marianische Wandlung meines Lebens vollziehen. Ambrosius von Mailand schreibt in seinem Kommentar über das Magnifikat: In jeder Seele sei Marias Seele, dass sie groß mache den Herrn, in jeder sei der Geist Marias, dass er frohlocke in Gott! Gibt es auch nur eine leibliche Mutter Christi, so ist doch in der Ordnung des Glaubens Christus die Frucht aller. Denn jede Seele empfängt Gottes Wort.
AdD: Eine andere Figur des Advents ist Johannes der Täufer. Kann man ihm noch andere Züge als die des polternden Predigers abgewinnen?
Andreas Schätzle: Johannes ist für Israel und uns, wofür der Buß- und Versöhnungsakt am Anfang der Hl. Messe steht. In seiner Gestalt berühren sich ja auch Advent- und Fastenzeit im Hinblick auf die Erneuerung unseres Lebens in Christus. In beiden Fällen steht Johannes wie ein Torwächter am Eingang dieser geprägten Zeiten. Er bereitet uns für Christus. Er will uns mit Ihm bekannt machen. Wirklich kennen aber, heißt lieben. Und lieben, heißt leben. Deshalb glaube ich auch nicht an den wilden Gesellen, als den Johannes gerne hingestellt wird. Vielmehr verkündet er die Barmherzigkeit Gottes. Sein Vater Zacharias singt bei der Geburt des Täufers Johannes, dessen Name ja 'Gott ist gnädig' bedeutet, prophetisch die Erfahrung des Heils in der Vergebung de Sünden und über die barmherzige Liebe Gottes (Lk 1, 77-78). Johannes ist Bote der Barmherzigkeit zu nennen. Sein Kamelhaarmantel mit dem ledernen Gürtel ist kein abgerissenes Hemd, sondern das Ehrenkleid des Propheten Elija, dessen feuriges Charisma er weiter trägt. Der wilde Honig, so bezeugen die jüdischen Quellen, steht für die Süßigkeit des Wortes und die Heuschrecken-Nahrung für die Weisheit von oben, die sich in seinem Munde finden. Und, als der Freund des Bräutigams, verweist er auf den, der nach ihm kommt und stärker ist als er. Advent ist eben Abenteuer der Begegnung.
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