Der Tod Christi mit den Augen einer Journalistin gesehen

in Weltkirche


Ein Interview mit Marie Czernin, eine der Autorinnen der Kreuzwegtexte des Papstes


Vatikan (kath.net/Zenit.org)

Der Kreuzweg gipfelt in der 14. Station mit Jesu Grablegung, dieser uralten Andacht, die auch der Heilige Vater am Karfreitagabend nachvollziehen wird. Die Meditationen dieser 14. Station hat dieses Jahr die junge österreichische Journalistin Marie Czernin verfasst. Sie ist 29 Jahre alt und Romkorrespondentin für "Die Tagespost", eine deutsche katholische Zeitung. Marie Czernin gehört zu den 14 Journalisten aus aller Herren Länder, denen dieses Jahr die Ehre zuteil ward, die Meditationstexte für den päpstlichen Kreuzweg am Karfreitagabend am Kolosseum zu verfassen.

In diesem Interview verrät sie Zenit, wie sie zu dem Vorschlag kam und wie sie ihre Station schrieb.

Zenit: Wie haben Sie erfahren, dass sie zu den Auserwählten für die Verfassung des päpstlichen Kreuzweges gehören?

MARIE CZERNIN: Es war völlig überraschend. Man hat uns aus dem vatikanischen Pressesaal angerufen, und sagte uns, wir hätten einen Termin bei Bischof Piero Marini, dem päpstlichen Zeremonienmeister, der uns etwas sagen wollte. Bei einer solchen privaten und außerordentlichen Einberufung dachten wir natürlich, er müsste uns etwas sehr Wichtiges sagen, vielleicht über die Gesundheit des Papstes. Doch Bischof Marini sagte uns stattdessen, der Papst habe für dieses Jahr entschieden, dass Journalisten die Kreuzwegtexte verfassen sollten. Alexej Bukalow, Itar-Tass-Korrespondent, ergriff spontan das Wort und dankte ihm für diese große Ehre.

Zenit: Dann gingen sie also nach Hause und fragten sich, "und was soll ich jetzt schreiben?"

MARIE CZERNIN: Es war wirklich schwer, sich zu konzentrieren, vor allem in einer Stadt wie Rom, lärmend und unmöglich eine Schweigeminute einzulegen. Das Journalistenleben ist ziemlich frenetisch. Ich glaubte, ich würde nie zur Ruhe kommen, um die Meditation zu schreiben. Es sollte ja auch nicht einfach nur das Resultat bloßer Überlegungen sein, sondern aus dem Gebet hervorgehen, was einem der Heilige Geist ins Herz legt. Am 25. Februar war Abgabetermin und bis eine Woche vorher hatte ich noch nichts zu Papier gebracht.

Zenit: Nervös?

MARIE CZERNIN: In dieser Woche hatte der Papst seine Exerzitien, was für uns Journalisten auch eine ruhigere Woche war. Ich zog mich drei Tage nach Gubbio in Umbrien zurück, wo der heilige Franz den Wolf zähmte, eine total verlassene Gegend. Wenn ich Frieden und Stille brauche, dann gehe ich dorthin in das Kloster der Bethlehemschwestern und der Assumptionsschwestern. Diese Kommunität ist neu in Frankreich entstanden. Sie kennen mich dort gut und haben auch immer eine Zelle für mich bereit. Ich habe ihnen alles erzählt und sie um ihr Gebet gebeten. Sie gaben mir einige Texte zum Nachdenken und zur Inspirierung.

Zenit: Warum haben sie die 14. Station der Grablegung gewählt?

MARIE CZERNIN: Eigentlich zufällig. Marini schlug vor, dass die Journalistinnen eine Station nehmen sollten, bei der auch Frauen vorkommen. Die anderen nahmen die, wo Frauen direkt vorkommen (Jesus begegnet den weinenden Frauen oder Maria steht unter dem Kreuz). Ich wollte eigentlich die Veronikastation nehmen, aber sie war nicht bei den 14 Stationen dabei, und da niemand die letzte nahm, hab ich sie halt genommen. Bischof Marini sagte auch, dass Frauen in der 14. sehr präsent sind, denn Maria und die anderen Frauen halfen ja bei der Grablegung mit.

Außerdem hat mich der Karsamstag von klein an fasziniert. Es ist ein Tag zwischen Leben und Tod. Ein Tag des Schweigens. So langsam kamen die Erinnerungen an Ostern zuhause wieder zurück, das war immer ein ganz besonderer Tag. In der byzantinischen Spiritualität kommt das Kreuz nie alleine vor, sondern immer im Hinblick auf die Auferstehung. Es ist immer ein glorreiches Kreuz.

Zenit: Doch musste das alles zu Papier gebracht werden...

MARIE CZERNIN: Am ersten Tag in Gubbio, das ich für den Rückzug für die Via Crucis gewählt hatte - es war ein Freitag - war ich auch noch krank und viel zu müde. Ich habe mir einfach die Texte, welche mir die Schwestern gegeben hatten, durchgelesen. Die hatten schon Angst, ich würde nichts mehr zu Papier bringen, denn am Montag war Abgabetermin.

Am Samstag lief immer noch nix. Eine Schwester fragte mich, wie es denn so gehe. Ich sagte, ich steige immer noch den Kalvarienberg hinauf. Wir beteten gemeinsam zum Heiligen Geist. Ich habe den ganzen Kreuzweg gemacht, um nicht nur auf die 14. Station fixiert zu sein. Durch die Erfahrung des gesamten Kreuzweges konnte ich besser den Zielpunkt begreifen. Ich betete auch für die Journalisten, die schreiben mussten. Und ich durfte die Gemeinschaft der Schwestern erfahren, die für mich beteten. Am Samstag hatte ich immer noch nichts, und mir blieb nur noch ein Tag.

Am Sonntag wachte ich um 5 in der Früh auf, ohne Wecker, ganz plötzlich und ich sah gar starke Bilder vor meinem geistigen Auge, wie ein Flash. Ich schrieb hurtig alles auf, wie es mir gerade in den Sinn kam, ganz emsig. Bei Morgenstille kann ich am besten schreiben. Das geht mir auch bei meinen Artikeln so.

Zenit: Was war der stärkste Flash für sie?

MARIE CZERNIN: Die Dynamik zwischen Tod und Auferstehung, der Augenblick des Grabes ist nicht ein Augenblick des Nichts. Es war ein Augenblick, in dem Christus mit Allmacht wirkte, wenn auch im Verborgenen. Diese Vorstellung hat mich immer beeindruckt. Mir kam das Gleichnis vom Weizenkorn in den Sinn, wenn es nicht in die Erde fällt und stirbt, bringt es keine Frucht. Es war der Augenblick der höchsten Selbstentäußerung, die absolute "Kenosis". Der heilige Epiphanius lässt dieses Moment wieder aufleben, indem er einen Dialog zwischen Christus und Adam kreiert "Was suchst du unter den Toten?" so fragte der erste Mensch erstaunt seinen Erlöser.

Zenit: Und wie identifizieren sie sich selbst mit den Balsamtragenden Frauen, die am Ostermorgen kamen, um den Leichnam Jesu zu salben?

MARIE CZERNIN: Mich hat persönlich immer beeindruckt, dass die Frauen ans Grab gingen und glaubten, er sei tot. Manchmal hatte auch ich die Vorstellung eines toten Jesus. Er war nicht der Lebendige, der zu uns sprach und uns inspiriert. Dieses Bild war voller Vorurteile. Das hat mich an diesem Sonntagmorgen die Antwort auf die Frage an die Balsam tragenden Frauen verstehen lassen: Was sucht Ihr den Lebenden unter den Toten.

Zenit: Warum hat der Papst dieses Jahr die Journalisten um die Verfassung der Kreuzwegtexte gebeten?

MARIE CZERNIN: Der Papst hat die Arbeit der Journalisten immer zu schätzen gewusst. Mit dieser gewissermaßen pädagogischen Geste hat er unserer Verantwortung diese Aufgabe anvertraut. Man könnte das kritisieren und sagen, Journalisten sollten sich nicht in das einmischen, was der Vatikan vorschlägt, um seine Freiheit und seine Objektivität nicht zu verlieren.

Ich selbst sehe da keinen Widerspruch. Man kann gläubig und ein guter Journalist sein. Die Objektivität geht deshalb nicht verloren. Ich schreibe für eine katholische Zeitung, und wenn es was zu kritisieren gibt, dann tun wir es, weil wir dem Wahrheitsprinzip folgen müssen.

Zenit: Wie ist eigentlich so ein Journalistenkreuzweg? Worin liegt euer spezifischer Beitrag?

MARIE CZERNIN: Wir haben dieses Jahr sehr viele tragische Ereignisse erlebt, die uns ergriffen und die Geschichte verändert haben. Schlägt man die Zeitungen auf, hat man den Eindruck eines lebenden Kreuzweges. Monsignor Marini sagte, es gebe einen roten Faden durch unsere 14 Kreuzwegstationen: wir meditierten diese täglichen tragischen Ereignisse im Lichte der Passion Christi.

Bei dieser Gelegenheit dürfen wir aber nicht in professionelle Freiheit einigeln, sondern wir müssen uns öffnen und unseren Glauben bekennen. Wir dürfen nicht nur Zuschauer des Weltenleids sein, es ist nun an der Zeit, sich zu entscheiden, wir dürfen nicht gleichgültig bleiben.


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