Ein Geschwür bricht auf

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“Erfurt” ist keine Einzeltat: Es gibt eine geistig-seelische Not von unübersehbarem Ausmaß Ein Kommentar von Christa Meves


Die Bluttat von Erfurt ist ein Fanal. Möge man das doch nur begreifen und es nicht als eine hinzunehmende Einzeltat eines Wahnsinnigen abtun. Es ist das verheerende Aufbrechen eines Geschwürs in unserer Gesellschaft, das bereits an vielen verdrängten Metastasen hätte erkennbar werden können: der unzureichenden Betreuung von Kindern, immer mehr getrennt lebenden Eltern (wie die Eltern des jetzigen Massenmörders) mit der Folge, daß Kinder vereinsamen und sich hinter Computer-Spielen verschanzen. Dazu kommen üble Anregungen zur Nachahmung durch elektronische Medien, Versuche zur Aggressionsentlastung durch eine große Vorliebe für Waffen und ganz gewiß nicht zuletzt ein Schulsystem mit erbarmungslosem Klausurenstreß und der Angst, hoffnungslos für alle Zeiten versagt zu haben – das sind in Deutschland keine Einzelschicksale. Deshalb ist die Gefahr von Nachahmungstätern ebenso gegeben, wie es schon seelisch-geistige Opfer unter Schülern und Lehrern durch eine gesellschaftliche ideologische Fehlentwicklung in unübersehbaren Maßen gibt.

Das dringendste Reformprogramm wäre: das Muttersein so positiv erscheinen zu lassen und zum Beruf auszubauen, daß Kinder wieder zu Hause Geborgenheit und Erziehung bekommen. Das wäre die wirksamste Therapie gegen Gewalt – und nicht Ganztagsschulen und die Förderung der Berufstätigkeit beider Elternteile. Es ist wirklich not-wendig, daß wir nicht weiter die Probleme unter den Teppich kehren und mit oberflächlichen Pflästerchen zu heilen suchen. Der unkindgemäße Umgang mit den Kindern durch ihren gesamten Werdegang hindurch schreit mit dem Blut der Opfer von Erfurt zum Himmel. Neuanfang, das Horchen auf die Vorgaben Gottes, das Lernen an der Erfahrung ist das Gebot in später Stunde. (idea)


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