'Wir sind tolerant, aber nicht gleichgültig'

20. Oktober 2009 in Deutschland


Bischof Müller, Erzbischof Braun und Prälat Ratzinger sprachen bei der Deutsch-Vatikanischen Gesellschaft in Regensburg


Regensburg (kath.net)
"Wir sind viel toleranter als andere. Aber der Nächste, der uns nach der Wahrheit fragt, ist uns nicht gleichgültig“, das sagte Bischof Gerhard Ludwig Müller kürzlich in Regensburg. Im Rahmen der ersten Mitgliederversammlung der Deutsch-Vatikanischen Gesellschaft (DVG) sprach der Bischof über Herausforderungen an die römische Kongregation für die Glaubenslehre im Zeitalter der Globalisierung.

Auf der Wahrheit zu bestehen sei eine konkrete Tat der Nächstenliebe. Den Glauben unverfälscht in die Welt zu tragen, sei aber Aufgabe nicht nur der Glaubenskongregation. „Alle Gläubigen sollen Lehrer des Glaubens sein“, erklärte Bischof Müller.

Ende 2007 hatte Benedikt XVI. den langjährigen Dogmatikprofessor und Regensburger Bischof als Mitglied der Glaubenskongregation berufen. Bereits in den Jahren 1998 bis 2003 gehörte Dr. Müller der Internationalen Theologischen Kommission im Vatikan an. Seit 2003 ist er Stellvertretender Vorsitzender der Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Als theologischer Berater nahm er sowohl an der vatikanischen Europasynode 1999 als auch an den Weltbischofssynoden 2001 und 2005 teil.

Bei der Tagung in Regensburg nahm der Bischof die Kirche und die Kirchenleitung gegen den Vorwurf des Zentralismus in Schutz: „Die katholische Kirche ist doch keine Gemeinschaft wie Frankreich unter dem Sonnenkönig Ludwig XIV.“ Auch würde der Papst keineswegs sagen „Die Kirche bin ich“. Die Glaubenskongregation helfe dem Heiligen Vater bei seiner Aufgabe, die Lehre unverfälscht weiterzugeben. Dazu erarbeiten die Mitglieder Positionen zu Fragen etwa des therapeutischen Klonens, der Abtreibung sowie zu weiteren medizinischen Fragen.
Die DVG wurde 2006 gegründet, der Verein versammelt rund 70 Mitglieder aus ganz Europa. Die Gesellschaft hat die Förderung der Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Bundesrepublik Deutschland zum Ziel. Die überkonfessionelle Vereinigung hat ihren Sitz in Stuttgart.

Referenten in Regensburg waren außerdem Prälat Georg Ratzinger, Bruder des Papstes, und der emeritierte Bamberger Erzbischof Karl Braun. Für Prälat Georg Ratzinger ist „jeder Tag, den wir gemeinsam erleben dürfen, ein Geschenk und jeder Besuch in Rom eine Gabe Gottes“. Das sagte der Regensburger Prälat während eines Podiumsgesprächs, bei dem der frühere Domkapellmeister und Leiter der Regensburger Domspatzen über sein Leben und besonders über das Verhältnis zu seinem Bruder sprach. Er wünsche seinem Bruder, dass er gesund bleibt und noch eine ganze Zeit tätig ist, damit er die „Probleme der Zeit“ erkenne und „Lösungswege“ aufzeigen könne. Auch über die letzten Dinge äußerte sich der 85-Jährige. „Natürlich hoffe ich auf ein Wiedersehen drüben im Jenseits“, sagte der Prälat.

Erzbischof Dr. Karl Braun rief vor den DVG-Mitgliedern auf zu beten, dass Benedikt XVI. eine „richtige Entscheidung trifft, was die Seligsprechung Papst Pius XII. betrifft“. Der emeritierte Bamberger Erzbischof sprach über Eugenio Pacelli als einen verkannten Papst des 20. Jahrhunderts. Die fortwährenden Angriffe auf Pius XII. (1939-1958) nannte Braun eine „Speerspitze gegen die Kirche als Institution“.
Pius XII., der lange Jahre München und Berlin als Nuntius wirkte, war weltweit in hohem Ansehen verstorben, das ihm auch von jüdischer Seite zuteil wurde. „Das ganze Pontifikat Papst Pius XII. ist ein einziges Bemühen, den Satz ,Der Friede ist das Werk der Gerechtigkeit´ umzusetzen“, sagte Braun und nahm Pacelli gegen die unwahren Behauptungen Rolf Hochhuths („Der Stellvertreter“, 1963) in Schutz.

Sein stetes Bemühen, bei allem in Gottes Gegenwart zu leben, sei kein weltfremder Spiritualismus gewesen, erklärte der Bamberger Erzbischof weiter. Er habe stets auf der Seite der Armen und Schwachen gestanden und habe auch verfolgten Juden, Sozialisten und Kommunisten geholfen.

Braun stellte Pius in die Kontinuität der Pontifikate des 20. Jahrhunderts. Vor Versuchen, Pius XII. und Johannes XXIII. gegeneinander auszuspielen, warnte er nachdrücklich. Pius sei seinem Wesen nach ein menschfreundlicher Seelsorger gewesen. „In seinem Herzen überwog die Seelsorge alle anderen Verpflichtungen.“ Johannes XXIII. habe zwar eine neue Seite des Papsttums offenkundig gemacht, sei aber ohne sein hierarchisches und konservatives Bewusstsein nicht zu verstehen. „Beide Päpste lassen sich nicht in ein Schema pressen“, erklärte Braun, der Pius XII. aus Begegnungen in Rom persönlich kannte und einen Tag nach dessen Tod im Oktober 1958 in Rom zum Priester geweiht wurde. Trotz seiner Krankheit sei Pacelli „leistungsfähiger als mancher Gesunde“ gewesen.
DVG-Präsident Diethelm Lütze erklärte, die Gesellschaft werde sich auch in den kommenden Jahren für die Stärkung der Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vatikan einsetzen. Ihm zur Seite wurde der Regensburger Theologe und Journalist Veit Neumann als Vizepräsident der bilateralen Gesellschaft gewählt. Zuvor hatte der Passauer Journalist Karl Birkenseer über den Vatikan im Fokus der deutschen Medien gesprochen.

Foto: (c) Deutsch-Vatikanische Gesellschaft; DVG-Präsident Diethelm Lütze, Karl Birkenseer, Journalist bei der Passauer Neuen Presse (PNP), und Papst-Bruder Prält Georg Ratzinger.


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