in Spirituelles
Er sorgte sich um Flüchtlinge und schlug sich mit Häresien seiner Zeit herum: Ephraim der Syrer (um 306-373). Ein Beitrag von Dr. Elisabeth Maier in der Wiener Kirchenzeitung.
Ephraim wurde um 306 in oder bei Nisibis (dem heutigen Nusaybin an der südosttürkisch-syrischen Grenze) als Sohn vermutlich christlicher Elterngeboren. Seine Jugend verbrachte er im Umkreis des ersten Bischofs von Nisibis, Jakobos (290-338),der am Konzil von Nizäa teilnahm. Vermutlich war es dieser Bischof, der ihn für das asketischeLeben gewinnen konnte. Bald wurde Ephraim mit einem Lehrauftrag betraut. Dazu wirkte er,wie wir aus seinen eigenen Schriften wissen, spätestens unter dem dritten Bischof, Vologeses,als Diakon. Unter dem nächsten Bischof, Abraham, sehen wir ihn gar als dessen Berater.
Nachdem Nisibis an die (persischen) Sassaniden gefallen war, musste Ephraim,wie viele andere Christen auch, fliehen. Er fand eine neue Heimat im römischen Edessa.Beeindruckend ist, wie er sich hier, zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit an der Exegetenschule, derleiblichen und seelischen Nöte der Flüchtlinge annahm. Ephraim starb, von allen hoch geehrt, im Jahr373. Die Ostkirche feiert ihn am 28. Jänner, die des Westens am 9. Juni.
Dieser Mann, dessen Leben sich in so knappen Worten umreißen lässt, sah sichnicht nur politisch in eine wild bewegte Zeit hineingeboren. Auch geistig undtheologisch geriet er in die Auseinandersetzungen mit den verschiedensten Zeitströmungen, die für dasnoch junge Christentum eine echte Gefahr darstellten: Da war die Lehre des Marcion (2.Jh.), des meistbekämpften Häretikers der frühen Kirche, der versuchte, das Christentumvom "edlen Ölbaum" des Judentums abzutrennen, indem er zwischen einem rachsüchtigen,kleinlichen und eifersüchtigen "Schöpfergott" des Alten Testamentes und dem "Gott derLiebe", dem Vater Jesu Christi, unterschied. Daraus resultierte die Verachtung der geschaffenenWelt und ein Aufruf zu strenger Askese.
Hierin berührte sich der Marcionismus mit der zweiten von Ephraim bekämpftenIrrlehre, der radikal gnostisch-dualistischen Sekte des Mani (216-274 oder 277), der sichals der letzte in einer Reihe von Propheten - Zarathustra, Buddha, Jesus - und als derverheissene "Paraklet" ansah. Auch Mani rief zu radikaler Weltverachtung und Ablehnung allesGeschaffenen auf, zur Befreiung der Seele aus dem Dunkel des Leibes hin zum lichtvoll-göttlichenUrsprung.Eine hiezu ganz gegensätzliche Zeitströmung war die Lehre des Bardaisan(154-222), eines vielschichtigen, schillernden, anti-asketischen Geistes, der eine Syntheseaus Christentum, Philosophie, Kosmologie und Astronomie lehrte und besonders auf diegebildete edessenische Oberschicht eine geradezu magische Anziehung ausübte.
Schließlich sah sich Ephraim auch noch mit dem beginnenden Einfluss desArius (um 260 bis um 336) konfrontiert, der in Christus-Logos nicht Gott, sondern das erste undedelste Geschöpf verehrte. Ephraim deutete die beiden letztgenannten Irrlehren unter anderemals Folgen der hellenistischen Philosophie. Dies mag ihn dazu bestärkt haben, dengriechischen Rationalismus abzulehnen, der die Kirche seiner Meinung nach in nutzlose dogmatischeDiskussionen verstricke und die Einheit im Glauben gefährde. Selbst mehr von jüdisch-rabbinischerDenkweise abhängig, sah Ephraim nicht in der Diskussion, sondern in der Anbetung, im rechtenKult die wahre Theologie.
Er wurde mitten in aller dogmatischen Auseinandersetzung zumDichter-Theologen, der in kunstvollen Hymnen, Predigten und Reden seine Lehre entfaltete. SeineBedeutung als Klassiker der syrischen Verskunst ist noch heute unumstritten, daneben zeugen seineBibelkommentare (Genesis, Exodus, Kohelet, Jona, Apostelgeschichte, Paulusbriefe) von seinerintensiven Tätigkeit als Lehrer der Exegese. Papst Benedikt XV. (1914-1922) war dieWiedervereinigung der getrennten Kirchen des Ostens und des Westens ein besonderes Anliegen. Sowandte er seine besondere Aufmerksamkeit dem Orient zu und erhob im Jahr 1920 Ephraim, die"Harfe des Heiligen Geistes", zum Kirchenlehrer.
Dr. Elisabeth Maier
Ephraim der Syrer: Wer kann sich rühmen?
"Seht zu, dass niemand sage: ,Ich habe nicht gesündigt.' Wer dies sagt, istblind oder kurzsichtig; er betrügt sich selbst ... Wer kann sich rühmen, sein Herzunbefleckt und alle seine Sinne rein zu haben? Niemand ist sündenlos, niemand rein von Schmutz,durchaus niemand unter den Menschen ohne Vergehen außer jenem allein, der um unseretwillenarm geworden ist, da er reich war. Ohne Sünde ist er allein, der die Sünde der Welthinwegnimmt, der will, dass alle Menschen selig werden, der nicht den Tod der Sünder will: derMenschenfreund, der überaus Mildreiche, Barmherzige, Gute, die Seelen Liebende, Allmächtige, der Heilandaller Menschen (...), der alle zur Buße ruft und niemand zurückstößt. Auch wir, meine Brüder,dürfen also nicht an unserem Heil verzweifeln. Haben wir gesündigt: nun, so bekehren wir uns!Haben wir uns tausend Mal versündigt, dann bekehren wir uns tausend Mal! Über jedes guteWerk freut sich Gott, doch ganz besonders über eine büßende Seele.
aus: Ephraim d. Syrer, Über die zweite Ankunft unseres Herrn
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